Prof. Dr. Heribert Anzinger, Prof. Dr. Nadine Antonakopoulos
Tz. 40
IAS 1 regelt die Darstellung des "Abschlusses" (presentation of financial statements) nach IFRS und strukturiert dessen Grundelemente. IAS 1.9 definiert den Begriff des Abschlusses als eine strukturierte Abbildung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und beschreibt seine Zielsetzung, Informationen hierüber und über die Cashflows eines Unternehmens bereitzustellen, die für ein breites Spektrum von Adressaten nützlich sind, um wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. IAS 1.9 Satz 3 ergänzt das Ziel um Rechenschaft darüber, wie das Management, das ihm anvertraute Vermögen bewirtschaftet hat. Diese weite Zwecksetzung beruht, wie IAS 1 insgesamt in der unionsrechtlich und nach den Verlautbarungen des IASB übereinstimmend geltenden Fassung der Überarbeitung von 2007, noch auf dem IASC Rahmenkonzept 1989.
IAS 1 geht dem Rahmenkonzept ( Conceptual Framework ) 2010 vor, in dem der Adressatenkreis enger fokussiert und die Rechenschaftsfunktion deutlich relativiert worden ist (vgl. CF.OB7 und .OB9 IASB 2010). Dieser Vorrang ergibt sich aus CF.Zweck und Status und für die unionsrechtlichen IFRS aus dem Ablauf des Übernahmeprozesses. Für die Rechnungslegungspflicht nach Art. 4 VO 1606/2002 ist der durch VO 1274/2008 v. 17.12.2008 in Unionsrecht übernommene und später, auch durch die Initiative zu Angaben (Disclosure Initiative), nur punktuell geänderte IAS 1 vom 6.9.2007 maßgeblich. Zu seiner Auslegung ist das bei dessen Übernahme in Unionsrecht noch geltende IASC Rahmenkonzept von 1989 heranzuziehen, weil der nach diesem älteren Rahmenkonzept konzipierte und auszulegende IAS 1 der wesentlichen Übernahmeentscheidung zu Grunde lag.
IAS 1.9 Satz 4 leitet aus dem Zweck des Abschlusses die Informationselemente Vermögenswerte, Schulden, Eigenkapital, Erträge und Aufwendungen, einschließlich Gewinne und Verluste aus Veräußerungen langfristiger Vermögenswerte und aus Wertänderungen, Kapitalzuführungen und Ausschüttungen sowie Cashflows ab. Er erklärt die Prognose zukünftiger Cashflows zur Klammerfunktion dieser Informationen.
IAS 1.10 beschreibt daraus abgeleitet die Grundbestandteile eines IFRS-Jahresabschlusses:
- Bilanz (balance sheet) zum Abschlussstichtag (alternativ und nach IAS 1 [revised 2007] vorrangig [vgl. IAS 1.IN11]: Darstellung der Vermögenslage [statement of financial position])
- Darstellung von Gewinn oder Verlust und sonstigem Ergebnis (statement of profit or loss and other comprehensive income [OCI], alternativ nach IAS 1.10 Satz 2: "Gesamtergebnisrechnung" [statement of comprehensive income]) für die Periode
- Eigenkapitalveränderungsrechnung (statement of changes in equity) für die Periode
- Kapitalflussrechnung (alternativ Darstellung der Zahlungsströme (statement of cashflows)) für die Periode
- Anhang (notes)
- Vergleichsinformationen (comparative information) nach IAS 1.38 und 1.38 A
Die nach IFRS 8.2 nur für börsennotierte Unternehmen vorgeschriebene Segmentberichterstattung (segment information) ist Teil des Anhangs. Die nach IAS 33.2 nur für börsennotierte Aktiengesellschaften vorgeschriebene Darstellung des "Ergebnis je Aktie" (earnings per share) ist Bestandteil der GuV-Rechnung. Nach IAS 1.11 muss ein vollständiger Abschluss alle Bestandteile gleichwertig enthalten. Die IFRS schreiben keine Zwischenberichterstattung vor, regeln aber in IAS 34 den Zwischenbericht (interim financial reporting) als modifizierte Form des Abschlusses für die Fälle, in denen er nach nationalen Börsen- oder Kapitalmarktvorschriften vorgeschrieben ist. Für börsennotierte Gesellschaften regelt etwa § 37w WpHG die Pflicht zur Aufstellung eines Zwischenberichts als Halbjahresfinanzbericht, für den IAS 34 gilt, wenn er nach IFRS aufgestellt werden soll. Demgegenüber gilt IAS 34 nicht für Quartalsberichte, wie die (noch) nach § 37x WpHG vorgeschriebenen Zwischenmitteilungen.
Ein Lagebericht (Management Commentary) der Verwaltung ist kein Pflichtbestandteil der IFRS-Rechnungslegung. IAS 1.13 beschreibt nur die möglichen Inhalte eines neben dem Abschluss vom Management freiwillig oder nach nationalen gesetzlichen Bestimmungen erstellten Berichts. Begleitend hierzu hat das IASB 2010 ein Practice Statement Management Commentary (PS MC) herausgegeben, das aber nur einen unverbindlichen Orientierungsrahmen enthält. Mutterunternehmen, die einen Abschluss nach Art. 4 VO (EU) 1606/2002, nach § 325 Abs. 1 HGB oder nach § 325 Abs. 2 HGB aufstellen, müssen neben dem Abschluss nach IFRS einen Lagebericht nach §§ 289 f. HGB veröffentlichen (§§ 315a Abs. 1, 325 Abs. 2a Satz 4 HGB).