Prof. Dr. Heribert Anzinger, Prof. Dr. Nadine Antonakopoulos
Tz. 10
Der Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes eine Eröffnungsbilanz aufzustellen. Das ist der Zeitpunkt, ab dem der Kaufmann ein selbständiges Handelsgewerbe erstmals als sein eigenes betreibt. Daraus folgt, dass eine Eröffnungsbilanz auch bei einem Inhaberwechsel vom Erwerber aufzustellen ist und zwar unabhängig vom Erwerbsgrund. Deshalb muss etwa auch der Erbe eine Eröffnungsbilanz aufstellen, wenn er das Handelsgewerbe des Erblassers fortführt. Eine Eröffnungsbilanz ist auch in den Fällen der wirtschaftlichen Neugründung eines Handelsgewerbes aufzustellen, z. B. nach Aktivierung einer Vorratsgesellschaft oder Wiederbelebung einer Gesellschaft nach Abschluss eines (Regel-)Insolvenzverfahrens. Das gleiche gilt bei Umwandlungsvorgängen die die Neugründung eines Handelsgewerbes bewirken.
Tz. 11
Eine Eröffnungsbilanz ist auch dann aufzustellen, wenn der Kaufmann erstmals bilanzierungspflichtig wird, weil die Voraussetzungen des § 241a HGB nicht mehr vorliegen oder wenn er auf die Befreiung des § 242 Abs. 4 HGB verzichtet.
Tz. 12
Maßgeblich für den Stichtag der Eröffnungsbilanz ist der Beginn des Betreibens des Handelsgewerbes. Das ist der Zeitpunkt, in dem sich die Neugründung nach außen erkennbar zeigt. Beim Inhaberwechsel und Umwandlungsvorgängen ist die Registereintragung, im Übrigen der Tag der Geschäftseröffnung maßgeblich. Bei Kapitalgesellschaften sind drei Zeitpunkte zu unterscheiden, der Beginn des Betreibens eines Handelsgewerbes durch die Vorgründungsgesellschaft vor der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags, die Begründung der Einlagenforderungen durch den notariellen Gesellschaftsvertrag als ersten Geschäftsvorfall der Vorgesellschaft und die Übernahme des Handelsgewerbes durch die mit Registereintragung gegründete Kapitalgesellschaft. Nach heute vorherrschender und zutreffender Ansicht ist die Eröffnungsbilanz auf den Zeitpunkt des Entstehens der Einlageforderungen durch die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags aufzustellen, weil mit diesem ersten Geschäftsvorfall die Buchführungspflicht der Vorgesellschaft beginnt. Diese auf den Tag der Beurkundung des Gesellschaftsvertrags als Tag der Errichtung der Gesellschaft aufzustellende Bilanz ist die Eröffnungsbilanz der später eingetragenen Kapitalgesellschaft. Eine weitere Eröffnungsbilanz auf den Stichtag der Registereintragung ist nicht geboten. Schreibt die Satzung eine Eröffnungsbilanz auf den Tag der Eintragung vor, ist eine formlose Zwischenbilanz ausreichend. Unabhängig davon ist in den Fällen, in denen das Handelsgewerbe noch vor der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags (Errichtung der Gesellschaft) begonnen wurde, von der Vorgründungsgesellschaft nach den für Personenhandelsgesellschaften geltenden Vorschriften eine eigene Eröffnungsbilanz auf den Tag der Geschäftseröffnung aufzustellen. Die Vorbelastungsbilanz (Kapitalaufbringungsbilanz), mit der ermittelt wird, ob das Grund- oder Stammkapital bei Eintragung aufgebracht wurde, ist keine Eröffnungsbilanz. Sie folgt nicht den Regeln der GoB. Für die Wertansätze gelten nicht die §§ 252 ff. HGB.
Tz. 13
Die Aufstellungsfrist für die Eröffnungsbilanz ergibt sich für alle Kaufleute einschließlich der Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkten Personengesellschaften i. S. d. § 264a HGB aus §§ 242 Abs. 1 i. V. m. 243 Abs. 2 HGB. Die ergänzende Vorschrift des § 264 Abs. 1 HGB enthält nur für die regelmäßige Jahresbilanz besondere Aufstellungsfristen. Bei allen Kaufleuten ist danach die Eröffnungsbilanz innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit aufzustellen. Dieser Zeitraum ist bezogen auf den Einzelfall so zu bemessen, dass die Rechnungslegungsziele im konkreten Sachverhalt verwirklicht werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der mit der Eröffnungsbilanz jeweils verbundene Zweck unterschiedlich ist. Bei einer Neugründung dürfte deshalb eine Aufstellungsfrist von allerhöchstens drei Monaten einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechen, zumal bei Kapitalgesellschaften das Verhältnis von Vermögen und Schulden bereits nach den Gründungsvorschriften vor der Eintragung aufbereitet worden sein muss. Die Eröffnungsbilanz des Erben der ein Handelsgewerbe übernimmt, spiegelt dagegen die Schlussbilanz des Erblassers und ist in der auch für diese geltenden, regelmäßig längeren Aufstellungsfrist, aufzustellen. Kurze Fristen gelten auch für außerordentliche Geschäftsvorgänge, etwa Umwandlungen.
Tz. 14
Für die Eröffnungsbilanz gelten die GoB und alle Bilanzierungsvorschriften der Jahresbilanz mit vier Ausnahmen. Die Eröffnungsbilanz bedarf nach überzeugender, aber umstrittener Ansicht keiner Feststellung, sie unterliegt nicht der gesetzlichen Prüfungspflicht und sie muss nicht offengelegt werden. Außerdem braucht sie bei Kapitalgesellschaften nicht um einen Anhang und die weiteren in § 264 HGB...