Dr. Thilo Schülke, Steve Scheffel
Tz. 539
IAS 37 ist von allen nach IFRS bilanzierenden Unternehmen anzuwenden und regelt Ansatz, Bewertung und Ausweis von Rückstellungen sowie Angabepflichten zu Eventualverbindlichkeiten und Eventualforderungen (IAS 37.1).
Explizit nicht im Anwendungsbereich des IAS 37 liegen Rückstellungen, die aus noch zu erfüllenden Verträgen resultieren. Darunter sind nach IAS 37.3 Verträge zu verstehen, bei denen beide Parteien ihre Verpflichtungen noch nicht oder erst teilweise (zu gleichen Teilen) erfüllt haben. Es handelt sich dabei also um schwebende Geschäfte. Der Ausschluss schwebender Geschäfte von der Rückstellungsbildung bezieht sich allerdings nicht auf belastende Verträge (onerous contracts), d. h. auf solche Verträge, aus denen dem Unternehmen ein Verlust droht.
Tz. 540
Des Weiteren sind von der Anwendung des IAS 37 all diejenigen Rückstellungen ausgenommen, deren Bilanzierung in anderen Standards geregelt ist. IAS 37 fungiert dabei als lex generalis, welches zugunsten speziellerer Regelungen (lex specialis) in anderen Standards zurücktritt. In diesem Kontext nennt IAS 37.5 beispielhaft folgende Rückstellungen:
- aus drohenden Verlusten aus Fertigungsaufträgen (IAS 11)
- aus Ertragsteuern (IAS 12)
- aus Leasingverhältnissen (IAS 17), wobei belastende Operating-Leasingverhältnisse nicht in IAS 17 geregelt sind und daher in den Anwendungsbereich des IAS 37 fallen
- aus Leistungen an Arbeitnehmer (IAS 19)
- aus Versicherungsverträgen (IFRS 4)
Allerdings ist IAS 37 auf alle anderen Rückstellungen eines Versicherers anzuwenden, die nicht aus den Regelungen zur Bilanzierung von Versicherungsverträgen nach IFRS 4 resultieren.
Wurden Eventualverbindlichkeiten (contingent liabilities) im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworben, sind die Regelungen des IFRS 3.22 ff. und 56 einschlägig (vgl. Kapitel 14).
Tz. 541
Des Weiteren ist IAS 37 nicht auf Finanzinstrumente im Anwendungsbereich des IAS 39, einschließlich finanzieller Garantien (financial guarantees), anzuwenden (IAS 37.2).
BEISPIEL
Die X-AG hat eine Bürgschaft für ein Darlehen in Höhe von 5 Mio. EUR mit einer Laufzeit von 5 Jahren übernommen, das die Y-AG bei ihrer Hausbank aufgenommen hat. Dafür erhält das Unternehmen eine Avalprovision zu marktüblichen Konditionen.
Nach IAS 39.9 ist eine finanzielle Garantie ein Vertrag, bei dem der Garantiegeber (X-AG) zur Leistung bestimmter Zahlungen verpflichtet ist. Diese resultieren daraus, dass der Garantienehmer (Hausbank) für einen Verlust zu entschädigen ist, der durch nicht fristgemäße und den vereinbarten Konditionen nicht entsprechende Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen des Schuldners (Y-AG) entsteht. Entsprechend ist für den vorliegenden Fall IAS 39 einschlägig, der den Regelungen des IAS 37 vorgeht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die X-AG den vorliegenden Vertrag entsprechend des Wahlrechts nach IAS 39.2(e) auch als Versicherungsvertrag gem. IFRS 4 behandeln kann.
Tz. 542
IAS 37.9 betont ausdrücklich, dass Rückstellungen für Restrukturierungsmaßnahmen (einschließlich aufgegebener Geschäftsbereiche) in den Anwendungsbereich des IAS 37 fallen. Erfüllt eine Restrukturierungsmaßnahme (restructuring) die Definition eines aufgegebenen Geschäftsbereichs (vgl. Tz. 343), können zusätzliche Angabepflichten nach IFRS 5 erwachsen.
Tz. 543
Ergänzt werden die Regelungen des IAS 37 durch drei IFRS IC Interpretationen. IFRIC 1 regelt die bilanzielle Behandlung von Bewertungsänderungen bestehender Rückstellungen für Entsorgungs-, Wiederherstellungs- oder ähnliche Verpflichtungen, die im Rahmen der Anschaffungs- oder Herstellungskosten einer Sachanlage gem. IAS 16 wie auch als eine Rückstellung gem. IAS 37 angesetzt wurden. IFRIC 6 enthält zudem Leitlinien für den Ansatz von Schulden im Zusammenhang mit Entsorgungsverpflichtungen, die sich aus der Entsorgung von Elektro-/Elektronik-Altgeräten aufgrund der Teilnahme an einem spezifischen Markt ergeben können. IFRIC 21 bietet schließlich Leitlinien zum Ansatz von Schulden im Zusammenhang mit Abgaben, die seitens einer Regierungsinstanz/-behörde und ähnlichen Organen erhoben werden. In Deutschland fällt hierunter z. B. die so genannte Bankenabgabe. IFRIC 21 ist anzuwenden für Geschäftsjahre, die ab dem 01.01.2014 beginnen.
Tz. 544
Für die Bilanzierung von Altersversorgungsverpflichtungen halten die IFRS eigenständige Regelungen bereit. Neben den Regelungen zur Bilanzierung betrieblicher Altersversorgungverpflichtungen enthält IAS 19 zusätzlich eine Reihe weiterer Anwendungsbereiche, die Leistungen an Arbeitnehmer darstellen. Hierzu zählen:
- Kurzfristig fällige Leistungen (IAS 19.9 ff.)
- Andere langfristig fällige Leistungen (IAS 19.153 ff.)
- Leistungen anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (IAS 19.159 ff.)
Von den Verbindlichkeiten nach IAS 19 sind Verbindlichkeiten, mit unsicherem Anfall oder Höhe (i. S. v. Rückstellungen nach IAS 37), abzugrenzen, da die Spezialregelungen zur Pensionsbilanzierung den Regelungen zur Rückstellungsbildung vorgehen (IAS 37.5).
Tz. 545
Z...