Dr. Thilo Schülke, Steve Scheffel
Tz. 432
Bei der Selbsterstellung eines immateriellen Vermögenswerts treten Zweifel bzgl. der Aktivierung am deutlichsten hervor. Der Selbsterstellung fehlt die Marktbestätigung. Problematisch können sowohl die Beurteilung des zukünftigen wirtschaftlichen Nutzens als auch die verlässliche Bestimmung der Herstellungskosten sein (IAS 38.53). Die Herstellungskosten müssen von den allgemeinen Betriebskosten sowie den einfachen Weiterentwicklungskosten abgrenzbar sein. Die Ausgabe darf nicht im goodwill aufgehen und sich damit ins allgemeine Wertsteigerungspotenzial verflüchtigen.
BEISPIEL
Das Unternehmen X produziert Unterhaltungselektronik und elektronische Haushaltsgeräte. X möchte zur Verbesserung der grafischen Darstellung seiner Spielekonsolen, und um mit dem technischen Fortschritt bei der Entwicklung mithalten zu können, einen leistungsstärkeren Grafikchip einbauen. Dafür verbessert X die Modellierung des Gehäuses, was zu einer besseren Kühlung führt, da die neue Grafikkarte sich stärker erhitzt. Die Umstellung des technischen Designs stellt keinen separat aktivierungsfähigen Vermögenswert dar.
Tz. 433
Die Aktivierung von selbsterstellten immateriellen Vermögenswerten lässt sich als ein positives Signal für die Zukunft verstehen, während die Nichtaktivierung, bis auf die erwähnte, regelmäßig nicht quantifizierte zukünftige Ergebnisentlastung, kaum valide Rückschlüsse auf die zukünftige Unternehmenslage zulässt. Die sehr unterschiedliche Handhabung der Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermögenswerte in der Rechnungslegungspraxis ist zum Teil in den Aktivierungskriterien begründet, zum Teil ergeben sich unterschiedliche Handhabungen in bestimmten Branchen. Die Aktivierung von selbsterstellten immateriellen Vermögenswerten ist bspw. in der Automobilbranche einfacher als in der Pharmabranche, da sich u. a. die Sicherheit der Einschätzung der technischen Realisierbarkeit von Entwicklungen zwischen den Branchen massiv unterscheidet. Gerade diese unterschiedliche Auffassung bzw. die Bandbreite der Möglichkeiten zur Auslegung der Aktivierungskriterien wird von der DPR kritisch betrachtet; der Standard in seiner derzeitigen Ausgestaltung wird sogar als "mangelnd durchsetzbar" bezeichnet.
Tz. 434
Die Aktivierung/Nichtaktivierung selbsterstellter immaterieller Vermögenswerte steht im Widerstreit zwischen Relevanz und Verlässlichkeit der Information. Weder der Nichtausweis vorhandener stiller Reserven noch der Ausweis nicht vorhandener zukünftiger Nutzungspotenziale sind konzeptionell vorzuziehen. Die bestehenden Regelungen sind demzufolge als Abwägung der konzeptionellen Leitlinien zu verstehen.