Dr. Thilo Schülke, Steve Scheffel
aa) Begriff
aa1) Selbständige Bewertbarkeit versus selbständige Verwertbarkeit
Tz. 27
Nach der Rechtsprechung des BFH besteht zwischen den Begriffen Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut kein Unterschied. Danach "sind Wirtschaftsgüter alle Sachen, Rechte, tatsächlichen Zustände und konkreten Möglichkeiten, die entweder einzeln oder zusammen mit dem Betrieb übertragen werden können und aus der Sicht eines potenziellen Betriebserwerbers einen eigenständigen Wert haben." Es komme darauf an, dass ein Gut selbständig bewertbar ist, weil der Kaufmann sich seine Erlangung etwas kosten lässt. Mitunter stellt die Rechtsprechung auch darauf ab, ob ein Wirtschaftsgut "greifbar" sei. Erst die Greifbarkeit mache das Wirtschaftsgut aus. Diese Auffassung wird teilweise von der Literatur geteilt.
Tz. 28
Seit dem BilMoG wird von der überwiegenden Literatur als entscheidendes Kriterium angesehen, ob ein Wert selbständig verwertbar ist. Zwar wird es mitunter als zu unscharf kritisiert, doch entspricht es dem gesetzgeberischen Willen. Selbständige Verwertbarkeit ist dann gegeben, wenn überhaupt irgendeine Verwertung, sei es durch Verbrauch, Verarbeitung, Überlassung zur Ausübung oder durch Nutzung durch Dritte, möglich ist (Einzelverwertbarkeit). Entscheidend ist demnach, ob ein wirtschaftlich einzeln verwertbares Potenzial zur Deckung der Schulden vorhanden ist. Der entscheidende Unterschied zum Konzept der Rechtsprechung ist, dass eine Veräußerbarkeit im Zusammenhang mit dem Betrieb nicht für die Aktivierbarkeit ausreicht. Praktische Relevanz erlangte diese Unterscheidung früher vor allem für die Frage der Aktivierbarkeit eines derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts, der als Einzelheit gerade nicht veräußert werden kann; heute ist diese Problematik wegen Abs. 1 Satz 4 gesetzlich gelöst.
Verstärkt wird die Lösung in einer Kombination beider Ansatzkonzepte gesehen. Ein Vermögensgegenstand soll demnach dann vorliegen, wenn ein Gut selbständig verwertbar, bewertbar und greifbar ist.
aa2) Stellungnahme
Tz. 29
Die Gleichsetzung von Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut vermag nicht länger zu überzeugen. Dem Gesetzgeber ging es um eine bewusste Abgrenzung der Ansatzkonzeption nach HGB von jener nach IFRS, als er die selbständige Verwertbarkeit in der Gesetzesbegründung als maßgebliches Kriterium benannte. Es kann deshalb nicht ausreichen, wenn ein Gut lediglich bewertbar und greifbar, nicht aber verwertbar ist. Andererseits sind die Kriterien der Bewertbarkeit und Greifbarkeit, wie sie die Rechtsprechung verwendet, bei der Bestimmung des Vermögensgegenstandsbegriffs nicht erforderlich. Denn sie sind lediglich ein Indikator dafür, dass einem Vermögensgegenstand bestimmte Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht verlässlich zugeordnet werden können, was aber lediglich im Rahmen der konkreten Aktivierbarkeit oder der konkreten Bewertung eine Rolle spielt. Denn in diesem Fall verbietet § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB den Ansatz von originären Immaterialgütern ganz, im Hinblick auf alle anderen Güter ist dem Umstand dadurch Rechnung zu tragen, dass die nicht zurechenbaren Kosten als Aufwand gebucht werden.
bb) Grund und Boden und Gebäude
Tz. 30
Die Aktivierbarkeit körperlicher Gegenstände ist selten problematisch. Das kann sich ändern, wenn mehrere körperliche Gegenstände wirtschaftlich oder sogar rechtlich zu Sachgesamtheiten zusammengefasst werden. Fraglich ist dann häufig, ob sie als ein einziger Vermögensgegenstand oder als zwei einzelne anzusetzen sind, im letzteren Fall kann zudem die persönliche Zuordnung beider Einzelwerte auseinanderfallen (vgl. Tz. 82 ff.).
bb1) Rechtlich zusammengesetzte Güter
Tz. 31
Zivilrechtlich sind Gebäude grundsätzlich Eigentum des Grundstückseigentümers; das Gebäude verliert durch die Verbindung mit dem Grundstück seine Sonderrechtsfähigkeit (§§ 94, 946 HGB). Problematisch ist jedoch, dass beide Elemente unterschiedlichen Nutzungsdauern unterliegen: Bilanzrechtlich gehören Gebäude zu den abnutzbaren, Grundstücke hingegen zu den nich...