Tz. 555

Neben den oben (vgl. Tz. 554) definierten bilanzierungspflichtigen Schulden definiert IAS 37 auch die Begriffe der Eventualforderungen (contigent assets) und -verbindlichkeiten (contingent liabilities). Eventualforderungen sind definiert als mögliche (possible) Vermögenswerte, die zwar aus einem vergangenen Ereignis resultieren, deren Existenz aber vom Eintritt eines/mehrerer künftiger Ereignisse (occurrence of one or more uncertain future events) abhängt, die das Unternehmen selbst nicht kontrolliert (IAS 37.10). IAS 37.32 nennt beispielhaft hierfür einen Anspruch, den das Unternehmen in einem Gerichtsverfahren mit unsicherem Ausgang durchzusetzen versucht. Analog hierzu sind Eventualverbindlichkeiten mögliche Verpflichtungen des Unternehmens aus vergangenen Ereignissen, deren Existenz vom Eintritt eines/mehrerer künftiger Ereignisse abhängt, die das Unternehmen nicht selbst kontrolliert. Eine Eventualverbindlichkeit kann aber auch vorliegen, wenn ihr – wie für eine Schuld typisch – eine gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis zugrunde liegt. In diesem Fall erfüllt die Eventualverbindlichkeit jedoch eine der beiden anderen Passivierungsvoraussetzungen nicht, d. h.

  • der Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen ist nicht wahrscheinlich oder
  • die Höhe der Verpflichtung kann nicht verlässlich geschätzt werden.
 

Tz. 556

Weder Eventualforderungen noch Eventualverbindlichkeiten werden in der Bilanz angesetzt (IAS 37.27 und 31).[612] Dies liegt darin begründet, dass ein Bilanzansatz zu einem Ertrag bzw. Aufwand führen würde, der möglicherweise niemals realisiert wird bzw. tatsächlich anfällt. Stattdessen können – je nach Ausprägung der Unsicherheit – Anhangangaben für die entsprechenden Sachverhalte resultieren. Hierbei unterscheiden sich die Vorgaben für Eventualforderungen und -verbindlichkeiten erneut. So sind Eventualforderungen nach IAS 37.34 im Anhang gem. den Vorgaben des IAS 37.89 anzugeben, wenn der Nutzenzufluss aus dem Sachverhalt wahrscheinlich ist. Hingegen sind Anhangangaben zu Eventualverbindlichkeiten i. S. d. Imparitätsgedankens bereits dann zu machen, wenn der Nutzenabfluss nicht unwahrscheinlich ist.

 

Tz. 557

Sowohl Eventualforderungen als auch -verbindlichkeiten sind einer laufenden Beurteilung zu unterziehen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass bei späterer Erfüllung der entsprechenden Kriterien eine Aktivierung bzw. Passivierung i. V. m. den korrespondierenden Ertrags- bzw. Aufwandsbuchungen erfolgt. IAS 37.35 stellt in diesem Zusammenhang klar, dass die Aktivierung eines Vermögenswerts inkl. Ertragsbuchung bereits zu erfolgen hat, wenn ein Nutzenzufluss so gut wie sicher (virtually certain) geworden ist.

 

BEISPIEL

Die X-AG haftet gesamtschuldnerisch für eine Verpflichtung. Dies bedeutet, dass jeder einzelne Schuldner für die gesamte Verpflichtung haftet. Der Gläubiger darf die Gegenleistung zwar lediglich einmal annehmen, kann aber von jedem der Gesamtschuldner die volle Leistung einfordern. Begleicht ein Gesamtschuldner die volle Verpflichtung, hat er einen Ausgleichsanspruch gegenüber den übrigen Gesamtschuldnern.

Nach IAS 37.29 ist eine Rückstellung für den Teil der Verpflichtung anzusetzen, für den ein Ressourcenabfluss wahrscheinlich ist. Hingegen ist der Teil der Verpflichtung als Eventualverbindlichkeit berichtspflichtig, dessen Übernahme durch andere Parteien – hier die anderen Gesamtschuldner – erwartet wird.

[612] Ausnahmen bestehen im Zusammenhang mit Unternehmenszusammenschlüssen gem. IFRS 3.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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