Dr. Thilo Schülke, Steve Scheffel
Tz. 584
Neben Pensionsleistungen sind auch kurzfristige Leistungen an Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zu bilanzieren. Für kurzfristige – wie auch langfristige – Leistungen besteht eine eher geringe Regelungsdichte. Eine Leistung ist definitorisch dann als kurzfristig anzusehen, wenn beim Arbeitnehmer ein Anspruch, unabhängig von der Durchsetzung, auf eine Begleichung innerhalb von zwölf Monaten nach Leistungserbringung besteht (IAS 19.8). Eine kurzfristige Leistung liegt selbst dann vor, wenn die Durchsetzung innerhalb von zwölf Monaten erfahrungsbedingt nicht zu erwarten ist. Nicht kurzfristig sind Zusagen, die kurzfristig fällig, hingegen erst langfristig unverfallbar werden, weil der Arbeitgeber die Leistung z. B. bis zum Zeitpunkt der Unverfallbarkeit zurückfordern kann.
Tz. 585
Die Definition des Arbeitnehmers ist weit auszulegen. Im Anwendungsbereich des Standards stehen demnach auch Leistungen an Ehepartner, Kinder oder sonstige andere begünstigte Dritte wie Versicherungsgesellschaften (IAS 19.6).
Zu denen als kurzfristig zu subsumierenden Leistungen zählen sowohl Geldleistungen als auch geldwerte Leistungen. Folgende kurzfristige Leistungen an Arbeitnehmer spricht der Standard u. a. an:
- Vergütete Abwesenheitszeiten z. B. Lohnfortzahlungen
- Lohn- und Gehaltsleistungen
- Medizinische Versorgungsleistungen
- Dienstwagen und Firmenwohnungen
Tz. 586
Die Passivierung einer Verbindlichkeit für kurzfristige Leistungen gemäß IAS 19, insbesondere Gewinnbeteiligungen, basiert auf ähnlichen Passivierungskriterien wie die Erfassung nicht finanzieller Verbindlichkeiten (IAS 37.14). Der Arbeitgeber erfasst eine Verbindlichkeit nur, wenn eine faktische bzw. rechtliche Verpflichtung vorliegt und für die erbrachte Leistung des Arbeitnehmers eine Gegenleistung des Arbeitgebers aussteht.
Zur Erfassung kurzfristiger Gewinnbeteiligungen darf es für den Arbeitgeber dann keine realistische Alternative geben, sich der Zahlung zu entziehen. Eine faktische Verpflichtung aus einer Gewinnbeteiligung kann auch auf Basis betrieblicher Übung entstehen (IAS 19.21). Daneben setzt eine Passivierung die verlässliche Schätzbarkeit der Höhe nach voraus. Diese setzt voraus, dass die Höhe der Gewinnbeteiligung auf Basis einer objektiv nachvollziehbaren Berechnungsformel fußt, die Festlegung vor der Genehmigung der Veröffentlichung des Abschlusses erfolgt oder die Höhe erfahrungsbedingt bestimmt werden kann (IAS 19.22).
Tz. 587
Bei ansammelbaren, d. h. in zukünftige Perioden vortragbaren, vergüteten Abwesenheitszeiten (u. a. Urlaubsansprüche) ist für nicht aufgebrauchte Zeiten eine Rückstellung zum Bilanzstichtag zu bilden, da, abgesehen von Verfallbarkeitsregelungen, zumeist ein vertraglicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortbestehen des Urlaubsanspruchs über den Bilanzstichtag hinweg besteht. Bei nichtansammelbaren vergüteten Abwesenheitszeiten (u. a. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) scheidet ein Bilanzansatz zum Bilanzstichtag aus, da diese ausschließlich der Periode des Anfalls zuzuordnen und nicht vortragbar sind.
Tz. 588
Hat der Arbeitgeber am Bilanzstichtag die Leistungsansprüche des Arbeitnehmers übererfüllt, ist der werthaltige Erfüllungsüberhang zu aktivieren. Zur Aktivierung der Ansprüche des Arbeitgebers muss dieser einen durchsetzbaren Anspruch auf expliziten oder impliziten Rückerhalt der Vorausleistungen besitzen z. B. vorausgezahlte Gehälter.
Eine Aktivierung von Forderungen gegenüber dem Arbeitnehmer aus Arbeitszeitkonten (negativer Kontensaldo) gestaltet sich i. d. R. als schwierig, da ein Anspruch des Arbeitgebers auf Erhalt der Gegenleistung bestehen müsste. Eine Aktivierung des Ausgleichsanspruchs kann nur dann bestehen, wenn eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Nachleistung der negativen Arbeitszeiten besteht oder diese bei vorzeitigem Ausscheiden finanziell ausgeglichen werden müssen. Mithin muss der Anspruch des Arbeitgebers arbeitsrechtlich durchsetzbar sein. Eine Saldierung negativer und positiver Arbeitszeitkonten ist nicht zulässig.