Dr. Thilo Schülke, Steve Scheffel
Tz. 214
Vor Inkrafttreten von IFRS 6 war die Bilanzierungspraxis der auf die Ausbeutung von Mineralien ausgerichteten Industrieunternehmen sehr heterogen. Wesentlichen Anteil hieran trug vor allem der explizite Ausschluss dieser Unternehmen vom Anwendungsbereich einiger Standards – u. a. IAS 16 Sachanlagen. Statt des Rückgriffs auf verbindliche Vorschriften mussten diese Unternehmen auf die Regelungen des IAS 8.10 bis 8.12 zurückgreifen und konnten insofern, unter Berücksichtigung der strikten Auslegungshierarchie des IAS 8.11, die Entwicklung anzuwendender Bilanzierungsvorschriften eigenständig vornehmen.
Tz. 215
Durch Einführung des IFRS 6 wird den auf die Ausbeutung von Mineralien ausgerichteten Industrieunternehmen ein spezifisches Regelwerk zur Verfügung gestellt. Da die Erarbeitung eines kompletten Standards – u. a. aus Zeitgründen – vom IASB abgelehnt wurde, besitzt IFRS 6 lediglich einen beschränkten Anwendungsbereich. Regelungen bestehen ausschließlich für in einem festgelegten Abschnitt bei den Industrieunternehmen anfallende Ausgaben vor Beginn der eigentlichen Produktion. Richtungsweisend ist IFRS 6.5, nach dem im Zeitraum vor Erkundung und Wertbestimmung vorgenommene Aktivitäten – sog. Prospektionsphase – ebenso vom Anwendungsbereich ausgeklammert werden wie im Anschluss an den Nachweis der technischen Machbarkeit und ökonomischen Verwertbarkeit – sog. Entwicklungsphase – anfallende Aktivitäten. Im Anwendungsbereich des IFRS 6 liegen ausschließlich die in der Erkundungs- und Wertbestimmungsphase anfallenden Ausgaben.
Differenzierung vor- und nachgelagerter Aktivitätsphasen
Tz. 216
IFRS 6 enthält keine detaillierten Ausführungen zur Abgrenzung der in die Prospektionsphase fallenden Ausgaben von den der Erkundungs- und Wertbestimmungsphase zuzuordnenden (bspw. Ausgaben i. V. m. der Suche und dem Erwerb von Abbau- oder Schürfrechten). Da diese Ausgaben im Regelfall keinem konkreten Bodenschatzvorkommen zuordenbar sind, ist gemäß IFRS 6.BC13 üblicherweise in der Periode ihres Anfalls eine aufwandswirksame Erfassung vorzunehmen. Ausnahmen hiervon bilden z. B. nach IAS 16 zu behandelnde Ausgaben für Infrastruktur – etwa zur Errichtung von Zufahrtstraßen – oder mit dem Erwerb eines immateriellen Vermögenswerts verbundene und daher nach IAS 38 zu behandelnde Anschaffungsnebenkosten. Für Letztere lassen sich beispielhaft die in IFRS 6.BC12 genannten, dem Erwerb einer Explorationslizenz direkt zurechenbaren Ausgaben anführen.
Auch für die der Entwicklungsphase zuzuordnenden Ausgaben enthält IFRS 6 keine trennscharfen Abgrenzungsvorgaben. Nach IFRS 6.BC27 fallen diese nach Feststehen der technischen Machbarkeit und der wirtschaftlichen Verwertbarkeit von Bodenschätzen an. Im Zuge sich anschließender Aktivitäten entstehende Ausgaben – bspw. für die Planung und den Bau von Bergwerken oder für die Entfernung von Erdschichten – fallen gemäß IFRS 6.BC27 in den Regelungsbereich des IAS 38.57 und sind demnach als Entwicklungskosten zu begreifen.
Für die in die Erkundungs- und Wertbestimmungsphase fallenden Ausgaben enthält IFRS 6.9 eine nicht abschließende beispielhafte Auflistung. Diese Ausgaben gehen grundsätzlich mit dem Ansatz eines Vermögenswerts einher.
Tz. 217
Die eigentliche Produktionsphase, in der sich der tatsächliche Abbau der Mineralien bzw. Bodenschätze vollzieht, schließt sich der Entwicklungsphase unmittelbar an. Die bilanzielle Behandlung der hier anfallenden investiven Ausgaben richtet sich nach den Regelungen für Sachanlagen (IAS 16) (vgl. Tz. 188).
Tz. 218
IFRS 6.7 und 6.BC17 erlauben den Anwendern die Weiterführung ihrer bisher angewandten Vorschriften (previous GAAP) für Ansatz und Bewertung. Demnach erkennt IFRS 6 die Vorschriften anderer Regelwerke – wie auch des HGB – als übereinstimmend an, ohne dass der Bilanzierende auf die Auslegungshierarchie des IAS 8.10 ff. rekurrieren muss. Der Rückgriff auf Analogieschlüsse zu anderen IFRS-Bestimmungen ist demnach ebenso wenig zwingend beachtlich wie die Verträglichkeit der previous GAAP mit den IFRS.
Tz. 219
Die sich den Unternehmen bietenden Bilanzierungsmethoden erstrecken sich gemäß IFRS 6.BC17 von der Abgrenzung nahezu aller Ausgaben für Erkundung und Wertbestimmung in der Bilanz bis hin zu einer aufwandswirksamen Erfassung aller Ausgaben in der Periode ihres Anfalls. Im Allgemeinen werden drei Methoden unterschieden:
- Bei Anwendung der full cost method kommt es zu einer Aktivierung sämtlicher im Rahmen der Erkundungs- und Entwicklungstätigkeiten anfallenden Kosten. Da der Erkundungserfolg für die Aktivierbarkeit nicht ausschlaggebend ist, kommt es auch zu einem Ansatz der bei der Entdeckung von Rohstoffvorkommen unvermeidlich auftretenden vergeblichen Kosten. In den Folgeperioden kommt es zu planmäßigen und außerplanmäßigen Abschreibungen der aktivierten Kosten auf Basis der länderspezifischen Regelungen.
- Die successful efforts method differenziert bei den Kosten nach dem Erfolg des Projekts. Dabei werden ausschließlich die be...