Dr. Thilo Schülke, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 53
Die IFRS enthalten, anders als das HGB, kein geschlossenes Bewertungssystem. Die Bewertung nach IFRS ist sachbezogen in den verschiedenen Standards geregelt. Das Rahmenkonzept beschreibt in CF.4.54–.4.56 nur exemplarisch die Bewertungskonzeption der IFRS mit vier Wertbegriffen. Weder IAS 1 noch IAS 8 enthalten eine geschlossene Darstellung verbindlicher Bewertungsgrundsätze.
Induktiv lassen sich aus den Einzelstandards drei Bewertungsmodelle bestimmen. Das Vorratsvermögen, die Sachanlagen, immaterielle Werte und als Finanzanlagen gehaltene Immobilien können mit den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten (cost model) bewertet werden. Die Bewertungskonzeption für diese Vermögenswerte ähnelt bei entsprechender Wahlrechtsausübung den handelsrechtlichen Bewertungsprinzipien. Verpflichtend ist die Bewertung zu den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten für das Vorratsvermögen anzuwenden. Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte können wahlweise auch mit einem fortgeführten Neubewertungsbetrag (revaluation model) angesetzt werden, der auf der planmäßigen Abschreibung einer Neubewertung zu fiktiven Marktpreisen beruht. Finanzielle Vermögenswerte und landwirtschaftliche Produkte müssen zu jedem Bilanzstichtag mit dem beizulegenden Zeitwert (fair value model) angesetzt werden. Immobilien iSd. IAS 40 können mit dem beizulegenden Zeitwert angesetzt werden.
Wertzuschreibungen über den Zugangswert hinaus wirken sich nach IFRS nicht notwendig auf den Erfolg aus. Die Standards sehen anknüpfend an die gespaltene Erfolgskonzeption der IFRS (vgl. Kapitel 4) die Bildung eines besonderen Passivpostens in Gestalt der Neubewertungsrücklage vor, durch die bestimmte, aber nicht alle Wertzuschreibungen im Ergebnis der GuV neutralisiert werden.
Die allgemeinen Bewertungsgrundsätze entsprechen weitgehend den handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätzen. Das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip findet sich in den IFRS in den Bewertungsgrundsätzen der Verlässlichkeit und Nachprüfbarkeit abgeschwächt wieder. Im Rahmenkonzept 2010 ist es ohne materielle Änderung der Bewertungsgrundsätze als Symbolbegriff nicht mehr enthalten. Nach dem im Mai 2015 veröffentlichten ED/2015/3 Conceptual Framework for Financial Reporting soll es wieder in das Rahmenkonzept aufgenommen werden.
Die Einzelstandards enthalten eine historisch gewachsene Fülle unterschiedlicher Wertbegriffe mit teilweise widersprüchlichen Definitionen. Mit IFRS 13 ist der komplexe Wertbegriff des beizulegenden Zeitwerts für alle Standards einheitlich definiert worden.