Dr. Thilo Schülke, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 367
Mit der Veröffentlichung von IFRS 9 am 24. Juli 2014 vollendete der International Accounting Standards Board (IASB) sein Großprojekt zur vollständigen Überarbeitung von IAS 39. Im Jahre 2002 wurde zwischen IASB und FASB das gemeinsame Ziel zur Reform der Vorschriften zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten (Komplexitätsreduktion) sowie der Eliminierung von Unterschieden zwischen den IFRS und US-GAAP formuliert. Mit Eintritt der Finanzkrise wurde die Arbeit an dem Nachfolgestandard intensiviert. Dies wurde auch durch äußeren Druck begünstigt, da konzeptionelle Probleme des IAS 39 im Rahmen der Wirtschaftskrise offensichtlich wurden (z. B. die Komplexität des Wertminderungsmodells oder die Berücksichtigung des eigenen Kreditrisikos).
Tz. 368
Im November 2009 wurde nach intensiver Beratung und Konsultation unterschiedlichster Interessengruppen der erste Teil der drei (Teil-)Projektphasen veröffentlicht. Seitdem wurde das Projekt regelmäßig inhaltlich ergänzt und auch das Erstanwendungsdatum sukzessive erweitert. So hat sich das beabsichtigte IASB-Erstanwendungsdatum Januar 2013 mittlerweile auf Januar 2018 hinausgeschoben. Eine Übernahme in EU-Recht steht derzeit noch aus, eine Übernahme wird für das vierte Quartal in 2016 erwartet.
Tz. 369
Das Gesamtprojekt gliedert sich in drei Projektbereiche/Phasen (IFRS 9.IN6–19):
Classification and measurement of financial assets and liabilities
Phase 1 erfuhr auch nach vermeintlicher Fertigstellung durch das IASB/FASB-Konvergenzprojekt sowie das gleichzeitig vorangetriebene Projekt zu Versicherungsverträgen noch Änderungen.
Impairment methodology
Phase 2 führte nach intensiver Befassung und langen Diskussionen bzgl. der Risikovorsorge zur Veröffentlichung von insgesamt drei Regelungsentwürfen, die alle zur Kommentierung freigegeben wurden.
Hedge accounting
Phase 3 wurde im Jahre 2013 fertiggestellt. Während des Projektverlaufs wurde auch die Aufnahme der Bilanzierung von macro hedges erwogen. Entsprechende Regelungen hält der finale Standard allerdings nicht vor, da das Thema in ein eigenständiges Projekt ausgegliedert wurde (vgl. Tz. 646 ff.).
Tz. 370
Die Änderungen durch IFRS 9 ergeben sich im groben Überblick wie folgt:
- Schaffung eines neuen Klassifizierungsmodells für finanzielle Vermögenswerte
- Erfassung von own credit risk induzierten fair-value-Schwankungen bei finanziellen Verbindlichkeiten im sonstigen Ergebnis
- Änderung des Wertminderungsmodells (Abschaffung des sog. incurred loss model) und tendenzielle Vorverlagerung der Risikovorsorge durch expected loss model
Die Änderungen befassen sich im Wesentlichen mit den Regelungen zur Bewertung von Finanzinstrumenten, eine grundlegende Überarbeitung der Ansatz- und Ausbuchungskonzeption wurde nicht vorgenommen.
Tz. 371
Nach IAS 39 werden finanzielle Vermögenswerte in vier Kategorien eingeteilt (vgl. Tz. 332). Die Folgebewertung knüpft an die Klassifizierung des Finanzinstruments an. Nach IFRS 9 soll sich zukünftig die Klassifizierung auf drei Kategorien beschränken:
- At amortised costs
- Fair value through OCI
- Fair value through profit or loss
Die Neuregelungen verfolgen einen prinzipienorientierten Ansatz. Dabei hängt die Kategorisierung des Finanzinstruments sowohl vom Geschäftsmodell als auch vom Zahlungsstromkriterium ab (IFRS 9.4.1). Letzteres entscheidet als Auffangregelung über eine fair-value-through-profit-or-loss-Kategorisierung im Nachgang.
Tz. 372
Die Klassifizierung folgt untenstehendem Schaubild:
Quelle: In Anlehnung an IASB, IFRS 9 Financial Instruments, Project Summary, July 2014.
Tz. 373
(einstweilen frei)
Tz. 374
Die Folgebewertungskategorien führen zu folgenden Bewertungskonsequenzen:
|
Bilanz |
GuV |
OCI |
at amortised costs |
fort. AK |
Effektivzins Wertminderungen Währungsumrechnung |
|
fair value through OCI |
fair value |
Effektivzins Wertminderungen Währungsumrechnung |
Andere fair value Änderungen |
fair value through p&l |
fair value |
alle Wertänderungen |
|
Folgebewertungskonsequenzen nach Klassifikation
Tz. 375
Die Klassifikation eines Finanzinstruments setzt zunächst die Befassung mit dem Geschäftsmodell voraus (IFRS 9.4.1.1; subjektives Merkmal). Die Beurteilung darüber erfolgt auf einer Gesamtebene, d. h. auf Portfoliobasis (IFRS 9.B4.1.2). Die heranzuziehende Gesamtebene hängt von der Steuerungsebene der Finanzinstrumente ab, für welche eine gemeinsame Zielsetzung besteht, die vom key management personnel (IAS 24) festgelegt wurde. Eine rechtliche Einheit kann mehr als einen Geschäftsmodelltypus für die gehaltenen Finanzinstrumente aufweisen (IFRS 9.B4.1.2), so dass nicht die Berichtseinheit zwingend das Betrachtungsobjekt darstellt.
Tz. 376
Für die Bestimmung des Geschäftsmodelltypus ist auf die Generierung von Zahlungsströmen abzustellen bzw. darauf wie diese erfolgt. Hier ergeben sich drei mögliche Realisationsstrategien, die sich wie folgt definieren:
- Halten: Beabsichtigte Vereinnahmung der Zahlungsströme als Zielsetzung
- Halten und Verkaufen: Beabsichtigte Vereinnahmung der Zahlungsströme als Ziel...