Dr. Thilo Schülke, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 47
Die Grundsätze der Bilanzidentität und der Bilanzkontinuität dienen der Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen verschiedener Geschäftsjahre. Das ermöglicht – wie dargestellt – die periodengerechte Abgrenzung. Der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit ist Ausprägung des Grundsatzes der materiellen Bilanzkontinuität (Kapitel 4 Tz. 110). Zu ihm gehört auch das Prinzip der Ansatzstetigkeit (vgl. Kapitel 5 Tz. 123).
Der Bewertungsstetigkeit unterliegen Bewertungsmethoden. Damit sind alle Bewertungsverfahren angesprochen, die die §§ 252 ff. HGB zulassen, sei es als echte Wahlrechte oder als Einschätzungsspielräume. Erfasst sind insbesondere Verfahren zur Kostenzuordnung, auch solche zur Zuschlüsselung von Gemeinkosten (vgl. Tz. 687), außerdem die Wahl der Abschreibungsmethoden und die Entscheidung über die betriebliche Nutzbarkeit bei der Aufstellung von Abschreibungsplänen (vgl. Tz. 107) sowie die besonderen Bewertungsverfahren (vgl. Tz. 708), soweit sie Spielräume eröffnen. Letzteres betrifft damit vor allem die Bewertungsvereinfachungsverfahren gem. § 256 HGB.
Die Vorschrift verlangt, dass einmal gewählte Bewertungsmethoden beibehalten werden. Das deutet an sich darauf hin, dass nur bereits vorhandene Positionen erfasst sind. Dem Sinn der Vorschrift nach sind aber auch Bilanzpositionen erfasst, die mit den vorhandenen art- und funktionsgleich sind.
Tz. 48
Ausnahmen vom Grundsatz der Bewertungsstetigkeit bedürfen einer sachlichen Rechtfertigung. Anerkannte Ausnahmen sind:
- Änderung von Gesetzen und Rechtsprechung
- Anpassung ans Ergebnis steuerlicher Außenprüfungen: Sie liegt im Interesse an der Erstellung einer Einheitsbilanz. Durch Abschaffung der Umkehrmaßgeblichkeit und anderer zwingender Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz sind insofern Zweifel erlaubt. Letztlich wird man aber sagen können, dass dort, wo das Gesetz den Gleichlauf von Handels- und Steuerbilanz rechtlich erlaubt, die Möglichkeit bestehen soll, diesen auch tatsächlich zu erzeugen.
- Wesentliche Änderungen der Unternehmensstruktur, Sortimentsumstellungen
- Wesentliche Änderungen in der Finanz- und Kapitalstruktur, wenn andernfalls eine zutreffende Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nicht gewährleistet ist
- Erstmalige Einbeziehung in den Konzernabschluss, da der Konzernabschluss so aufzustellen ist, als würde er für ein einheitliches Unternehmen gemacht; das rechtfertigt zur Vereinfachung die Vereinheitlichung der Bewertungsmethoden. Ob der umgekehrte Fall – Entlassung aus dem Verbund – erfasst ist, erscheint zweifelhaft.
- Änderungen infolge erstmaliger oder letztmaliger Anwendung von Bewertungsvereinfachungsverfahren gem. § 256 HGB
- Einleitung von Sanierungsmaßnahmen
Tz. 49
Gegenbeispiele und damit nicht als Ausnahme anzuerkennen sind:
- Änderungen zur Vermeidung der Verlustanzeige gem. § 92 Abs. 1 AktG, § 49 Abs. 3 GmbHG, weil damit deren Warnfunktion konterkariert würde
- Geänderte Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens; denn damit könnte beliebig Bilanzpolitik betrieben und die Vergleichbarkeit der Abschlüsse u. U. verhindert werden. Anderes gilt aber, wenn schon Sanierungsmaßnahmen erforderlich und eingeleitet werden.
- Änderungen der Gesellschafterstruktur und des Managements, auch dann nicht, wenn sie wesentlich ist