Dr. Thilo Schülke, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 533
Wertberichtigungen werden nach IAS 39 (noch) durch das incurred loss model abgebildet. Dieses berücksichtigt alle bis zum Bilanzstichtag entstandenen (incurred) Verluste beruhend auf einem am Bilanzstichtag vorliegenden Verlustereignis. Die Prüfung einer Wertminderung erfolgt nach folgenden Schritten:
- Stellen interne oder externe Indizien objektive substanzielle Hinweise für eine Wertminderung dar (IAS 39.59) und
- unterschreitet der Barwert der erwarteten künftigen Cashflows den Buchwert, ist eine außerplanmäßige Abschreibung vorzunehmen (IAS 39.63).
Insbesondere die damit erst verzögert auftretende Realisation von Verlusten nach Eintritt führte im Zuge der Finanzkrise ab 2007 zu starker Kritik ("too little, too late") an der bestehenden Wertminderungskonzeption.
Tz. 534
In den Anwendungsbereich der Wertminderungsvorschriften des IFRS 9 fallen die finanziellen Vermögenswerte der Kategorien at amortised cost und fair value through OCI.
Entgegen dem incurred loss model werden nunmehr erwartete Verluste (expected losses) als Wertminderung erfasst, selbst wenn es zum Bilanzierungszeitpunkt an konkreten Hinweisen für einen Zahlungsausfall mangelt. Objektive Hinweise müssen demnach zum Bilanzierungszeitpunkt zur Bildung der "Risikovorsorge" nicht vorliegen. Dies soll den Zeitpunkt der Erfassung von Wertminderungen i. S. einer antizipativen Vorsorge vorverlagern.
Tz. 535
IFRS 9 sieht ein neues Wertminderungsmodell vor, welches eine Wertberichtigung finanzieller Vermögenswerte in drei Stufen vorsieht. Die Einordnung in die Stufen richtet sich nach der erwarteten Verlusthöhe und der Zinsrealisation. Die einzelnen Stufen sind:
- Stufe 1 Erstansatz
- Stufe 2 Signifikante Erhöhung des Ausfallrisikos
- Stufe 3 Objektiver Hinweis auf Wertminderung
Tz. 536
Stufe 1 Erstansatz
Hierunter werden bei Erstansatz alle finanziellen Vermögenswerte berücksichtigt. Zur Bildung der Risikovorsorge muss die Höhe des innerhalb der nächsten zwölf Monate nach Zugang erwartenden Ausfalls bestimmt werden (sog. "cash shortfalls"). Die Ermittlung des Verlusts erfolgt unter Berücksichtigung der erwarteten Zahlungsströme und deren Ausfallwahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten zwölf Monate nach dem Abschlussstichtag. Der Zwölf-Monats-expected-credit-loss ermittelt sich durch multiplikative Verknüpfung des probability of default in den nächsten zwölf Monaten (PD12), loss given default (LGD) und exposure at default (EAD).
- PD: Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls der Gegenpartei innerhalb der nächsten zwölf Monate nach dem Bilanzstichtag (Stufe 1) bzw. über die gesamte Laufzeit des Finanzinstruments (Stufe 2 und 3). In der PD wird auch der Zeitwert des Geldes berücksichtigt.
- LGD: Absoluter Verlust im Falle eines tatsächlichen Ausfalls unter Berücksichtigung von Beträgen, die noch vereinnahmt werden können.
- EAD: Erwarteter (Netto-)Anspruch aus dem Finanzinstrument. Dieser entspricht in der Praxis regelmäßig der Summe aus Zins- und Tilgungszahlungen aus dem Finanzinstrument.
Eine eventuelle Wertminderung wird ergebniswirksam gegen einen Passivposten Risikovorsorge erfasst, der Buchwert des finanziellen Vermögenswerts bleibt somit unverändert. Die Grundlage für die Effektivzinsmethode bildet somit weiterhin der Wert des finanziellen Vermögenswerts vor Wertminderung.
Tz. 537
Stufe 2 Signifikante Erhöhung des Ausfallrisikos
Steigt nach dem Erstansatz des finanziellen Vermögenswerts dessen Ausfallrisiko signifikant an, muss die Risikovorsorge ausgeweitet werden (Stufe 2). Hierfür ist das Risiko am Abschlussstichtag maßgeblich. Entsprechend ist der lifetime expected credit loss zu berücksichtigen, die PD ist mithin über die gesamte Laufzeit bestimmt.
Besteht ein Wertminderungsaufwand ist der Barwert aller innerhalb der Restlaufzeit zu erwartenden Verluste ergebniswirksam gegen einen Passivposten Risikovorsorge zu erfassen. Gegenüber Stufe 1 werden daher zusätzlich die Ausfälle berücksichtigt, deren Eintritt über die nächsten zwölf Monate hinausgeht. Die Zinsermittlung erfolgt, wie in Stufe 1, auf Basis des Bruttobuchwerts.
Tz. 538
Stufe 3 Objektiver Hinweis auf Wertminderung
Treten zur Stufe 2 objektive Hinweise auf eine Wertminderung hinzu, sind die erwarteten Ausfälle als Unterschied zwischen den fortgeführten Anschaffungskosten und dem Barwert der diskontierten zukünftigen Zahlungen GuV-wirksam zu erfassen. Eine Änderung für die Risikovorsorge ergibt sich damit nicht. Allerdings ist, als wesentlicher Unterschied, die Effektivzinsmethode auf den (Netto-)Buchwert des finanziellen Vermögenswerts anzuwenden.
Tz. 539
Die Prüfung des Ausfallrisikos ist zu jedem Abschlussstichtag neu vorzunehmen. Liegt ein signifikanter Anstieg des Ausfallrisikos vor, ist ein finanzieller Vermögenswert der Stufe 2 zuzuordnen, sofern kein signifikantes Ausfallrisiko mehr besteht, muss ein finanzieller Vermögenswert auf Stufe 1 zurückgestuft werden. Indikatoren des signifikanten Anstiegs des Ausfallrisikos ergeben sich u. a. wie folgt:
- Verschlechterung der Konditionen...