Prof. Dr. Nadine Antonakopoulos
Tz. 28
Unter Mehrkomponentengeschäften wird allgemein die Veräußerung mehrerer einzelner bezüglich ihrer Vergütung im wirtschaftlichen Zusammenhang stehender Geschäfte subsumiert. Dabei handelt es sich i. d. R. um eine Kombination aus der Veräußerung eines Vermögensgegenstands und der Durchführung von Dienstleistungen. Die einzelnen Geschäfte können dabei in einem einzigen Vertrag oder in mehreren wirtschaftlich zusammenhängenden Verträgen geregelt sein. Beispiele für Mehrkomponentengeschäfte sind Verkäufe von Gegenständen in Kombination mit Nutzungskontingenten bzw. -rechten, Installations-, Reparatur-, Wartungs- oder sonstigen Serviceleistungen für einen bestimmten Zeitraum oder in Kombination mit einer Kreditgewährung. Fragen bezüglich der Umsatzrealisierung treten auf, wenn die entsprechende Dienstleistung über einen längeren Zeitraum erfolgt und somit in eine andere Periode als der mit ihr in Zusammenhang stehende Verkauf des Gegenstandes fällt. Mehrkomponentengeschäfte enthalten Elemente eines Kaufvertrags mit wesentlichen Nebenleistungen, von Dauerschuldverhältnissen sowie der langfristigen Auftragsfertigung.
Tz. 29
Das HGB enthält zur Bilanzierung von Mehrkomponentengeschäften keine konkreten Vorschriften und auch in der Literatur haben sich hierfür bisher keine einheitlichen Grundsätze herauskristallisiert. Ein Lösungsansatz fußt auf dem nicht weiter verfolgten E-DRS 17 – Erlöse aus dem Jahr 2002. Demnach sind sämtliche Erlöse aus dem Geschäft erst nach Erbringung aller Leistungen zu realisieren, wenn die einzelnen Komponenten des Mehrkomponentengeschäfts sachlich und wertmäßig nicht voneinander getrennt werden können. Sachliche Trennbarkeit liegt vor, wenn die einzelnen Bestandteile separat erwerb- oder nutzbar sind. Wertmäßige Trennbarkeit ist bei verlässlicher Bestimmbarkeit der Zeitwerte der einzelnen Bestandteile gegeben.
E-DRS 17 enthält hierzu das klassische Beispiel eines Mobilfunkanbieters, der vergünstigte Mobilfunkgeräte bei Abschluss eines 24-monatigen Mobilfunkvertrags veräußert. In diesem Fall sind beide Vertragsbestandteile separat erwerbbar und auch die beizulegenden Zeitwerte sind feststellbar, wodurch die Erlösrealisation im Verhältnis des Gesamtpreises zu den beizulegenden Zeitwerten der beiden Vertragskomponenten zu erfolgen hat (E-DRS 17. 41 ff.). Dies führt dazu, dass aus dem Verkauf des Mobilfunkgeräts bereits zu Beginn der Vertragslaufzeit ein Umsatz zu erfassen ist, der anteilige Beträge aus dem laufenden Mobilfunkvertrag enthält. Dieser Anteil ist unter den Forderungen auszuweisen, aus den monatlichen Zahlungen des Mobilfunkvertrags dient der auf die Forderung entfallende Anteil als deren Tilgung, am Ende der Vertragslaufzeit weist die Forderung entsprechend einen Wert von null auf. Dies entspricht der Leasingbilanzierung aus Sicht des Leasinggebers bei Zurechnung des Leasingobjekts zum Leasingnehmer. Sachliche Trennbarkeit ist hingegen nicht gegeben, wenn das Mobiltelefon mit einem SIM-Lock ausgestattet ist und somit nur mit einem Mobilfunkvertrag des Netzanbieters nutzbar ist. Es liegt dann keine separate Nutzbarkeit vor und die Vertragsbestandteile bilden eine sachliche Einheit. In diesem Fall sind die Erfolgsbeiträge aus dem Mobiltelefonverkauf pro rata temporis über die Vertragslaufzeit zu erfassen.
Tz. 30
Schulze-Osterloh interpretiert den Vorgang dahingehend, dass der Mobilfunkvertrag zum Teil dazu dient, den Kaufpreis des Mobiltelefons zu finanzieren. Durch Übergabe des Telefons an den Kunden sei die Leistung des Mobilfunkunternehmens erfüllt und es habe eine Forderung zu aktivieren, die über die Vertragslaufzeit aufzulösen sei. Die Bilanzierung entspricht der nach E-DRS 17, wenn hiernach eine getrennte Bilanzierung der einzelnen Komponenten erforderlich ist.
Tz. 31
Eine andere Herangehensweise hat der BFH mit seinem Urteil zu kostenlosen Nachbetreuungsleistungen über fünf Jahre in Zusammenhang mit dem Verkauf eines Hörgeräts demonstriert. Er entschied hier, dass zunächst der gesamte Erlös aus dem Hörgeräteverkauf zu erfassen und für die Nachbetreuungsleistungen eine Rückstellung zu bilden ist. Damit betrachtet er die beiden Komponenten als Einheit und nicht als zwei Komponenten eines Mehrkomponentenvertrages, obwohl er sehr wohl betont, dass die Nachbetreuungsleistungen wesentliche Dienstleistungen umfassen. Erfolgt hierbei die Rückstellungsbildung und -inanspruchnahme nicht gegen den Umsatz, ist diese Vorgehensweise handelsrechtlich nicht vertretbar, da die Umsatzhöhe als Bestandteil wesentlicher Kennzahlen zur Ertragskraft verzerrt wird, sie ist zunächst zu hoch und in den Folgeperioden zu niedrig.
In einem Urteil zu der verbilligten Abgabe von Mobiltelefonen bei gleichzeitigem Abschluss eines Mobilfunkvertrages entschied der BFH hingegen, dass der Verlust aus der Abgabe des Mobiltelefons unter Einstandspreis als aktiver RAP zu aktivieren und über die Laufzeit des Vertrags als Aufwand aufzulösen ist. Der BFH sieht in der verbilligten Abgabe de...