Prof. Dr. Nadine Antonakopoulos
Tz. 64
Die Umsatzrealisierung nach IFRS 15 basiert auf dem 5-Stufen-Konzept (vgl. Tz. 45). Die 1. Stufe (Identifikation von Kundenverträgen) wurde bereits weitgehend erläutert. Eine umfassende Erläuterung der 3. Stufe (Bestimmung des Transaktionspreises) ist erfolgt.
Tz. 65
Eine noch erläuterungsbedürftige Voraussetzung zum Vorliegen eines Kundenvertrags auf der 1. Stufe ist die Wahrscheinlichkeit des Erhalts der Gegenleistung. Dabei kommt es auf die Zahlungsbereitschaft und die Zahlungsmöglichkeit des Kunden zum Fälligkeitszeitpunkt an, was bei Vertragsabschluss zu beurteilen ist (IFRS 15.9(e)). Hängt bei Auslandsgeschäften beispielsweise der Transfer von Zahlungsmitteln aus dem entsprechenden Land von einer behördlichen Genehmigung ab, ist der Erhalt der Gegenleistung bis zum Vorliegen der Genehmigung nicht wahrscheinlich. Ebenso verhindert der Verkauf von Gütern an einen Kunden mit bekanntermaßen erhöhtem Bonitätsrisiko die Umsatzrealisierung bis zum erfolgten Zahlungseingang.
Folgendes Beispiel in Anlehnung an IFRS 15.IE3 ff. dient der weiteren Verdeutlichung dieses Aspekts:
BEISPIEL
Ein Projektentwickler schließt einen Kaufvertrag für ein Gebäude über 1 Mio. EUR mit einem Kunden ab, der in diesem ein Restaurant eröffnen möchte. In der näheren Umgebung befinden sich bereits etablierte Restaurants, so dass ein starker Wettbewerb herrscht, zudem hat der Kunde kaum Erfahrungen im Restaurantbetrieb. Bei Vertragsabschluss zahlt der Kunde 50.000 EUR, die nicht rückzahlbar sind, für die restlichen 950.000 EUR besteht eine langfristige Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Projektentwickler und dem Kunden. Sollte der Kunde die Zahlungen einstellen, geht das Eigentum an dem Gebäude an den Projektentwickler zurück, aber er hat keine weiteren Ansprüche gegenüber dem Kunden. Die Herstellungskosten des Gebäudes betragen 600.000 EUR. Der Kunde möchte den Kredit aus den laufenden Einnahmen des Restaurantbetriebs finanzieren, er hat kein weiteres Einkommen oder Vermögen, um den Kredit zu begleichen.
In diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Projektentwickler die Gegenleistung erhält, da der Restaurantbetrieb erheblichen Risiken unterliegt, keine weiteren Mittel zur Verfügung stehen und bei Zahlungseinstellung der Kreditraten keine weiteren Ansprüche gegenüber dem Kunden durchgesetzt werden können. Daher liegen die Voraussetzungen zur Umsatzrealisierung nicht vor und sämtliche Zahlungen des Kunden sind als Schuld zu erfassen, bis die Kriterien zur Umsatzrealisierung erfüllt sind (IFRS 15.16).
Tz. 66
Tritt im Nachhinein hingegen eine Bonitätsverschlechterung ein, ist im Zweifel eine Wertberichtigung auf die betroffene Forderung nach IAS 39/IFRS 9 vorzunehmen, nicht aber der bereits erfasst Umsatz zu korrigieren (IFRS 15.13, .IE17). Folgendes Beispiel in Anlehnung an IFRS 15.IE14 ff. dient zur Verdeutlichung:
BEISPIEL
Ein Unternehmen überträgt einem Kunden die Rechte an einem Patent gegen eine monatliche Nutzungsgebühr, die das Unternehmen während der Nutzung als Umsatz erfasst. Bei Vertragsabschluss sind die Kriterien für das Vorliegen eines Kundenvertrags erfüllt. Im ersten Jahr der Nutzung kommt der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nach, im zweiten Jahr der Nutzung gerät der Kunde in Zahlungsverzug und hat die letzten beiden Raten noch nicht beglichen. Im dritten Jahr nutzt der Kunde das Patent zwar weiterhin, jedoch hat sich seine Zahlungsfähigkeit dermaßen verschlechtert, dass das Unternehmen nicht mehr davon ausgeht, dass der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird. Dies stellt eine signifikante Änderung der Rahmenbedingungen des Vertrags dar, so dass die Kriterien zur Erfüllung eines Vertrags nach IFRS 15 erneut zu beurteilen sind (IFRS 15.13). In diesem Fall ist es nicht mehr wahrscheinlich, dass das Unternehmen die Gegenleistung erhalten wird, es liegt kein Kundenvertrag im Sinne von IFRS 15.9 mehr vor, wodurch keine weiteren Umsatzerlöse mehr zu erfassen sind. Zahlt der Kunde wider Erwarten, ist ein Umsatz in entsprechender Höhe zu erfassen, unabhängig davon, ob die Kriterien zum Vorliegen eines Kundenvertrags nun wieder erfüllt sind (IFRS 15.15). Die bereits erfassten Umsätze des zweiten Nutzungsjahres sind hingegen nicht zu korrigieren, jedoch ist die Werthaltigkeit offener Forderungen gegenüber diesem Kunden zu überprüfen.
Tz. 67
Liegt ein Kundenvertrag vor (1. Stufe), hat das Unternehmen im Rahmen der 2. Stufe seine vertraglichen Leistungsverpflichtungen zu identifizieren (IFRS 15.22). Vertragliche Leistungsverpflichtungen können in der Übertragung, Erstellung und Nutzungsüberlassung von Vermögenswerten oder der Erbringung von Dienstleistungen bestehen (IFRS 15.26).
Tz. 68
Enthält ein Vertrag mehrere Leistungsverpflichtungen, ist festzustellen, ob diese abgrenzbar voneinander sind und daher separate Leistungsverpflichtungen vorliegen. Prinzipiell liegt eine separate Leistungsverpflichtung vor, wenn der Kunde aus dem übertragenen Vermögenswert oder der erbrachten Leistung einen eig...