Prof. Dr. Nadine Antonakopoulos
Tz. 89
IFRS 15 beinhaltet keine eigenständigen Vorschriften für Fertigungsaufträge, vielmehr ist für jeden Vertrag zu beurteilen, ob die Leistungsverpflichtung über einen Zeitraum oder zu einem Zeitpunkt erfüllt wird. Für eine zeitraumbezogene Umsatzerfassung von Fertigungsaufträgen ist nach IFRS 15 entweder die Kontrolle über den Vertragsgegenstand während der Ausführung des Fertigungsauftrag auf den Kunden zu übertragen (IFRS 15.35(b)) oder das Unternehmen darf keinen alternativen Nutzen für den Vertragsgegenstand bei durchsetzbarem Recht auf Zahlung der bereits erbrachten Leistung haben, vgl. Tz. 86 ff. (IFRS 15.35(c)).
Tz. 90
Es können sich weitreichende Unterschiede aus der Erfassung von Umsatzerlösen aus Fertigungsaufträgen nach den gegenwärtigen IFRS (vgl. Tz. 156 ff.) und nach IFRS 15 ergeben.
Zunächst hat für eine zeitraumbezogene Umsatzerfassung nicht zwingend eine kundenspezifische Fertigung wie nach IAS 11 vorzuliegen, vertragliche Restriktionen sind ausreichend, wodurch es in diesem Zusammenhang zu einer Erweiterung der zeitraumbezogenen Umsatzerfassung von Fertigungsaufträgen gegenüber den gegenwärtigen IFRS kommen kann (IFRS 15.BC137).
Hingegen trifft es zwar prinzipiell auf sämtliche Werkverträge (vgl. Tz. 23) zu, dass für diese kein alternativer Nutzen für das bilanzierende Unternehmen besteht. Um den Umsatz aus diesen Geschäften jedoch zeitraumbezogen zu erfassen, muss zusätzlich ein durchsetzbares Recht auf Zahlung der bereits erbrachten Leistung vorliegen. Diese Einschränkung kann dazu führen, dass Umsätze aus Fertigungsaufträgen im Sinne von IAS 11 und aus Dienstleistungsverträgen nach IAS 18, die auf IAS 11 verweisen, künftig nicht mehr zeitraumbezogen, sondern erst bei Übergabe und Abnahme des Werks zu erfassen sind, d. h. die Vorschriften des IFRS 15 führen diesbezüglich zu einer späteren Umsatzerfassung.
Das folgende Beispiel in Anlehnung an IFRS 15.IE77 ff. verdeutlicht die abweichende Behandlung:
BEISPIEL
Ein Unternehmen hat mit einem Kunden einen Vertrag über die Fertigung einer Spezialanlage abgeschlossen, die Spezialanlage kann von dem Unternehmen faktisch nicht anderweitig verwertet werden. Als Zahlungsbedingungen wurden diverse Teilzahlungen vereinbart: Zu Beginn des Vertrags ist eine Anzahlung von 10 % erforderlich, weitere Zahlungen sind während der Fertigung in regelmäßigen Abständen zu zahlen, insgesamt betragen sie 50 % des Vertragspreises, die restlichen 40 % sind bei Übergabe und Abnahme zu zahlen. Bei vorzeitiger Kündigung des Vertrags durch den Kunden hat das Unternehmen nur das Recht auf die bereits geleisteten Zahlungen, aber keine weiteren Zahlungsansprüche. Aufgrund der hohen Abschlusszahlung, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vereinbarten Abschlagszahlungen überwiegend einer angemessenen Vergütung der bereits erbrachten Leistung entsprechen. Folglich sind die Kriterien für eine zeitraumbezogene Umsatzerfassung nicht erfüllt und der Umsatz ist erst zum Zeitpunkt der Übergabe und Abnahme der Spezialanlage durch den Kunden zu erfassen. Ferner sind die erhalten Teilzahlungen als Schuld (contract liability) zu passivieren (IFRS 15.106). Dies entspricht der Vorgehensweise nach HGB. Nach gegenwärtigen IFRS wäre der Umsatz hingegen zeitraumbezogen zu erfassen.
Tz. 91
Sind die Kriterien für eine zeitraumbezogene Umsatzerfassung erfüllt, hat sie nach IFRS 15 nach Maßgabe des Fertigstellungsgrads, d. h. entsprechend der Kontrollübertragung (Teilgewinnrealisierung, percentage-of-completion (poc)-Methode) zu erfolgen (IFRS 15.39). Dies gilt jedoch für sämtliche zeitraumbezogen zu erfassenden Umsatzgeschäfte und ist nicht auf Fertigungsaufträge beschränkt. Entsprechend sind die nachfolgenden Ausführungen auch auf sämtliche zeitraumbezogen zu erfassende Umsatzgeschäfte anzuwenden.
Tz. 92
Der Fertigstellungsgrad kann anhand von Output- und Input-Methoden festgestellt werden, es ist die Methode anzuwenden, die für die Messung des Fertigstellungsgrads am geeignetsten ist (IFRS 15.41, .B14 ff.).
Output-Methoden basieren auf der direkten Wertermittlung der übertragenen Leistungsverpflichtungen an den Kunden im Verhältnis zu der noch zu erbringenden Leistungsverpflichtungen aus dem Vertrag. Hierunter fallen (IFRS 15.B15):
- die Begutachtung und Auswertung der erbrachten Leistung oder erzielten Resultate
- das Erreichen von Milestones
- das Verstreichen von Zeit (z. B. bei Vergütung auf Stundenbasis)
- produzierte oder gelieferte Einheiten
Input-Methoden basieren hingegen auf dem bereits erbrachten Beitrag (Inputfaktoren) des bilanzierenden Unternehmens im Verhältnis zu dem noch zu erbringenden Beitrag. Mögliche Messgrößen sind hierbei (IFRS 15.B18):
- verbrauchte Ressourcen (z. B. Material)
- Personalstunden
- angefallene Kosten (cost-to-cost-Methode)
- verstrichene Zeit
- Maschinenstunden
Sofern die Inputfaktoren gleichmäßig über den Zeitraum der Leistungserbringung eingebracht werden, kann eine lineare Umsatzerfassung angemessen sein (IFRS 15.B18). Die cost-to-cost-Methode ist das verbreitetst...