Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung. keine gemeinsame Prüfzuständigkeit von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen für die Verordnung von Impfstoffen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verordnung von Impfstoffen erfolgt außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung und unterliegt damit nicht der gemeinsamen Prüfzuständigkeit von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen.
2. Eine diesbezügliche Kompetenzzuweisung ergibt sich weder aus bundesrechtlichen noch aus landesrechtlichen Regelungen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 01.09.2014 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Regress aus der Prüfung wegen unzulässig verordneter Arzneimittel durch den Beigeladenen zu 2) für die Quartale 3/2010 und 4/2010.
Der Beigeladene zu 2) ist in A-Stadt niedergelassen und nimmt als Allgemeinarzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Die Beigeladene zu 1) hat mit Schreiben vom 29.06.2011 Antrag auf Prüfung der Verordnungsweise des Beigeladenen zu 2) und Feststellung eines sonstigen Schadens für die Quartale 3/2010 und 4/2010 in Höhe von insgesamt 329,76 EUR gestellt. Der Bezug der verordneten Impfstoffe NeisVac C, Engerix-B Kinder und Engerix-B Erwachsene hätte nach den Regelungen in Bayern über Sprechstundenbedarf erfolgen müssen. Mit Schreiben vom 22.08.2011 hat die Beigeladene zu 1) ihren Antrag bezüglich der Verordnung von Engerix-B Erwachsene zurückgenommen. In der Stellungnahme des Klägers vom 19.06.2012 wurde ausgeführt: Die entsprechenden Rezepte seien für die Patienten der oben genannten Krankenkasse ordnungsgemäß ausgestellt und als Impfstoffe gekennzeichnet worden. Da der streitige Impfstoff nur selten von ihm eingesetzt werde, werde er auch in Zukunft keine größeren Bestände auf Sprechstundenbedarf bestellen, um zu verhindern, dass eventuell größere Mengen Impfstoff nach Ablauf der Haltbarkeit weggeworfen werden müssten. Der Meningokokken-Impfstoff NeisVac C werde nur bei Bedarf für den entsprechenden Patienten verordnet. Damit entspreche er dem Wirtschaftlichkeitsgebot gegenüber allen Krankenkassen weit mehr als mit dem von der Deutschen BKK verlangten Verhalten.
Die Prüfungsstelle Ärzte Bayern hat mit Bescheid vom 03.12.2012 dem Antrag der Beigeladenen zu 1) stattgegeben und einen Regress in Höhe von 214,36 EUR festgesetzt. Die Prüfungsstelle hat den Antrag der Beigeladenen zu 1) auf Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 48 Abs. 1 BMV-Ä in einen Antrag nach § 18 der Prüfungsvereinbarung umgedeutet, weil es um ein Regressbegehren wegen unzulässig verordneter
Arznei-, Heil- und Hilfsmittel gehe. Engerix-B Kinder ohne Kanüle Fertigspritze sei ein verschreibungspflichtiger Impfstoff. Er sei indiziert zur aktiven Immunisierung gegen Hepatitis B, verursacht durch Viren aller bekannten Subtypen bei nicht-immunen Personen aller Altersgruppen. Die zu impfenden Personengruppen seien den offiziellen Impfempfehlungen zu entnehmen (STIKO). Laut der Bayerischen PC-Vereinbarung III, Ziffer 4a würden Arznei- und Verbandmittel, die nur für einen Patienten bestimmt seien, keinen Sprechstundenbedarf darstellen und seien daher mit Angabe der zuständigen Kasse auf den Namen des Versicherten zu verordnen. Nach III Ziffer 5 PC-Vereinbarung sei jedoch - abweichend von Ziffer 4 - u. a. Hepatitis-B-Impfstoff (nur Kinderimpfstoff, gilt nicht für Erwachsenenimpfstoff) als Sprechstundenbedarf zu verordnen und zu verwenden. Zusätzlich seien in der Anlage zu III.1g der Bayerischen Sprechstundenbedarfsvereinbarung alle Impfstoffe aufgeführt, die über den Sprechstundenbedarf der Praxis zu beziehen seien. In dieser Anlage werde als verordnungsfähig u. a. der Hepatitis-B-Impfstoff (nur Kinderimpfstoff, gilt nicht für Erwachsenenimpfstoff) genannt. NeisVac C-Injektionssuspension sei ein verschreibungspflichtiger Impfstoff mit der Indikation der aktiven Immunisierung von Kindern ab dem vollendeten 2. Lebensmonat, Jugendlichen und Erwachsenen zur Prävention invasiver Erkrankungen, die durch Neiseria meningititis der Serogruppe C verursacht würden. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns habe mit "Information über die neuen Impfvereinbarungen vom 11.10.2006" ihren Mitgliedern u. a. Folgendes mitgeteilt: "Die von der STIKO empfohlene Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe C für alle Kinder im 2. Lebensjahr werde künftig zur Standardimpfung. Den Impfstoff können Sie über PC-Bedarf beziehen. Im Dezember 2007 habe die Kassenärztliche Vereinigung die Ärzte u. a. über folgendes informiert: Nun können Nachholimpfungen zur Komplettierung des individuellen Impfschutzes in Bayern auch für die Meningokokken-C-Impfung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres erfolgen. Mit den Kassen sei vereinbart worden, dass diese Regelung ab dem ...