Gesetzestext

 

(1) Öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, begründen vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen.

(2) Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Beweis ausschließen oder beschränken.

(3) Beruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

A. Beweismittel ›Öffentliche Zeugnisurkunde‹.

 

Rn 1

§ 418 regelt die Beweiskraft der öffentlichen Zeugnisurkunden. Voraussetzung der Beweiswirkung sind Echtheit (§ 437) und Unversehrtheit (§ 419) der Urkunde. Urkunden, in denen Tatsachen bezeugt werden, müssen unterschieden werden von Urkunden über Erklärungen, die vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegeben wurden (§ 415), und wirkenden Urkunden, die eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung umsetzen (§ 417). Die Zeugnisurkunde enthält idR den Bericht der Behörde oder der Urkundsperson über von ihr selbst vorgenommene oder von ihr selbst wahrgenommene Tatsachen (zu den von einem Dritten wahrgenommenen Tatsachen s Rn 5).

 

Rn 2

Keine den Beweisregeln der ZPO unterliegenden Urkunden sind die sog amtlichen Bescheinigungen und Bestätigungen (zB Notarbescheinigung gem § 21 BNotO), weil ihnen keine Zeugnisqualität zukommt (Assenmacher Rpfleger 90, 195, 196; Dieterle BWNotZ 90, 33, 34; Reithmann MittBayNot 90, 82, 83; vgl auch St/J/Berger § 418 Rz 3; zur Notarbestätigung im Grundbuchverfahren OLG Frankfurt NJW-RR 96, 529, 530 [OLG Frankfurt am Main 29.08.1995 - 20 W 351/95]) Bei einer Bescheinigung kommt es nicht auf die Wahrheit, sondern auf die Richtigkeit der Aussage an (Assenmacher Rpfleger 90, 195, 196; Arndt/Lerch/Sandkühler § 21 BNotO Rz 4). Die Richtigkeit einer zuständigkeitsgemäß und in amtlicher Eigenschaft abgegebenen Bescheinigung kann vermutet werden (geregelt zB in § 50 II BNotO).

B. Öffentliche Urkunden über Tatsachen.

I. Öffentliche Urkunde.

 

Rn 3

§ 418 greift auf den in § 415 I legal definierten Begriff der öffentlichen Urkunde zurück. Erfasst werden nicht nur behördliche, sondern auch die von einem Notar erstellten Zeugnisurkunden (zum Behördenbegriff s § 415 Rn 12, zur Urkundsperson s § 415 Rn 13). Öffentliche Zeugnisurkunden sind allerdings nur solche Urkunden, die nicht rein innerbetrieblich verwendet werden, sondern die auf Außenwirkung gerichtet sind (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 418 Rz 4; vgl bereits RGZ 105, 255, 258). Die Erstellung der Zeugnisurkunden muss in den Zuständigkeitsbereich der Behörde oder Urkundsperson fallen (s § 415 Rn 15). Soweit Verfahrensvorschriften für die Erstellung einer Zeugnisurkunde bestehen, müssen diese eingehalten werden. So enthält das BeurkG bspw unterschiedliche Regeln für die Beurkundung von Willenserklärungen (§§ 8 ff BeurkG) und für sonstige Niederschriften (§ 37 BeurkG), zu denen das Tatsachenzeugnis gehört.

II. Inhalt der Urkunde.

1. Inhalt des Tatsachenzeugnisses.

 

Rn 4

Gegenstand eines Tatsachenzeugnisses ist die Wahrnehmung des bezeugten Vorgangs, wobei es keine Rolle spielt, ob über eine eigene Handlung der Behörde oder der Urkundsperson berichtet wird oder über fremde Handlungen (MüKoZPO/Schreiber § 418 Rz 4). Schlussfolgerungen sind keine Bezeugung selbst wahrgenommener Tatsachen (vgl St/J/Berger § 418 Rz 6 gegen LAG Köln MDR 03, 462 [LAG Köln 02.08.2002 - 11 Sa 1097/01] – Gutachten des medizinischen Dienstes; zu amtlichen Bescheinigungen s Rn 2). Schlussfolgerungen und rechtliche Beurteilungen, die in der Urkunde niedergelegt sind, erbringen somit keinen vollen Beweis iSv § 418 I (St/J/Berger § 418 Rz 6; MüKoZPO/Schreiber § 418 Rz 7; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 418 Rz 19).

 

Rn 5

Die Beweisregel des § 418 I erfasst im Grundsatz nur die Tatsachenzeugnisse, die auf einer eigenen Wahrnehmung des Bezeugten durch die Behörde oder Urkundsperson beruhen (vgl BGH IHR 19, 28, 29; NJW 14, 292, 293 [BGH 06.11.2013 - VIII ZR 346/12]; NJW 04, 2386, 2387 [BGH 06.05.2004 - IX ZB 43/03]; NJW 18, 2386; BVerwG 30.4.09 – 8 B 78/08 [zu den Grenzen der Beweiskraft einer Apostille]; s.a. BGH FamRZ 18, 1253, 1254 [zum Beweiswert einer Vollstreckbarerklärung]; zu Problemen der Anwendung des § 418 im europäischen Prozessrecht vgl. H. Roth IPrax 20, 21, 23). Bei einer behördlichen Zeugnisurkunde reicht es hierfür aus, dass die Wahrnehmung von einem Amtsträger innerhalb der Behörde gemacht wurde (AG Bergisch Gladbach Rpfleger 89, 336). Zeugnisurkunden über Tatsachen, die nicht von der Behörde oder der Urkundsperson selbst wahrgenommen wurden, entfalten nur dann die formelle Beweiskraft des § 418 I, wenn in anderen Gesetzen geregelt ist, dass die Beweiskraft des Zeugnisses nicht von der eigenen Wahrnehmung abhängig ist (§ 418 III). Das gilt etwa für Zustellungszeugnisse der ersuchten Behörde nach § 183 IV 2 (BGH NJW 13, 387, 388 [BGH 12.12.2012 - VIII ZR 307/11]; NJW-RR 13, 435, 436 [BGH 15.01.2013 - VI ZR 241/12]). Weitere Anwendungsfälle sind die Personenstandsurkunden, die Geburten oder Todesfälle bezeugen, obwohl es sich ...

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