Probleme des Zugangsnachweises von rechtlichen Erklärungen
Das LAG Baden-Württemberg hat sich im Fall einer arbeitsrechtlichen Kündigung ausführlich mit den Voraussetzungen eines gerichtsfesten Zugangsnachweises durch das in diesen Fällen häufig verwendete Einwurf-Einschreiben befasst. Quintessenz des Urteils: Ohne Vorlage eines Auslieferungsbelegs hat ein Einwurf-Einschreiben praktisch keine Beweiskraft.
Arbeitnehmerin bestritt Zugang der Kündigung
In dem entschiedenen Fall hatte eine Praxisgemeinschaft von Augenärzten einer Mitarbeiterin mehrfach durch per Einwurf-Einschreiben übermittelte Kündigungen das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt. Die Mitarbeiterin erhob gegen die Kündigungen Kündigungsschutzklage und wendete u. a. ein, die erste fristlose sowie die hilfsweise erklärte fristgerechte Kündigung nicht erhalten zu haben. Durch ihre Einwendungen verschob sich der schließlich maßgebliche Kündigungszeitpunkt um nahezu ein Jahr.
Zugangsnachweis nur mit Auslieferungsbeleg
Die beklagten Augenärzte legten zum Beweis des Zugangs des Kündigungsschreibens lediglich den Einlieferungsbeleg für das zur Post gegebene Einwurf-Einschreiben vor. Dies genügte dem LAG als Zugangsnachweis nicht. Erst wenn neben dem Einlieferungsbeleg ein Auslieferungsbeleg vorgelegt werde, stehe erkennbar die konkret identifizierbare Person des Postzustellers als „Gewährsperson“ hinter der Behauptung eines ordnungsgemäßen Zugangs. Nach gefestigter Rechtsprechung spreche ein Anscheinsbeweis für den tatsächlichen Eingang eines Schreibens beim Empfänger, wenn der Einwurf in den Briefkasten des Empfängers durch einen Auslieferungsbeleg der Deutschen Post AG dokumentiert werde (BGH, Beschluss v. 11.5.2023, V ZR 203/22; LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.9.2020).
Sendestatus ist als Zugangsbeweis ungeeignet
Der von den Beklagten zusätzlich zum Einlieferungsbeleg vorgelegte Sendestatus änderte nach Auffassung des LAG an diesem Ergebnis nichts. Die Erstellung des Sendestatus erfolge in einem maschinellen Verfahren ohne menschliches Zutun. Der Sendestatus weise weder den Namen des Zustellers noch dessen Unterschrift aus. Die Vorlage eines Einlieferungsbelegs mit Sendestatus genüge daher auch nicht den Anforderungen an einen Anscheinsbeweis.
Auslieferungsbeleg kann nachträglich beantragt werden
Das Gericht beanstandete, dass die Beklagten nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, innerhalb von 15 Monaten nach Aufgabe des Einwurfeinschreibens unter Angabe der Sendungsnummer bei der Post einen Auslieferungsbeleg zu beantragen. Beim Einwurf-Einschreiben dokumentiere der hiermit betraute Mitarbeiter der Deutschen Post den Einwurf der eingeschriebenen Sendung in den Empfängerbriefkasten mit einer genauen Datums- und Uhrzeitangabe. Mithilfe des Auslieferungsbelegs seien die zustellende Person sowie das Datum und der Zeitpunkt des Einwurfs in den Briefkasten identifizierbar. Daher sei der Auslieferungsbeleg beweiserheblich.
Zustellung per Boten ist sicherer
Das LAG Baden-Württemberg weist in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass der Einwurf in den Hausbriefkasten des Empfängers durch einen persönlich bekannten Boten eine wesentlich sicherere Form für den Nachweis des Zugangs als das Einwurf-Einschreiben ist. Der Bote könne problemlos als Zeuge für die Zustellung – am besten auch für den Inhalt des Schreibens – benannt werden. Die Zustellung über Boten wird in der Praxis bei wichtigen Schreiben insbesondere von Unternehmen deshalb immer häufiger genutzt. Dazu trägt wohl auch der Umstand bei, dass inzwischen einige gewerbsmäßige Anbieter die Übermittlung von Schriftstücken über persönliche Boten unter Erstellung eines Zustellungsprotokolls anbieten.
(LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 12.12.2023, 15 Sa 20/23)
Hintergrund:
Nach der Rechtsprechung erbringt auch das Einwurf-Einschreiben unter Vorlage des Einlieferungs- und des Auslieferungsbelegs lediglich den Beweis des ersten Anscheins für den Zugang, d. h. der Empfänger hat die Möglichkeit, den Zugang durch Darlegung besonderer Umstände zu widerlegen (BGH, Urteil v. 7 20.9.2016, II ZR 299/15). Eine sicherere Art der Zustellung ist deshalb das Einschreiben mit Rückschein, bei dem der Empfänger den Erhalt des Schriftstücks mit seiner Unterschrift quittiert. Problem hierbei: Wird der Empfänger nicht angetroffen, gelangt lediglich ein Abholungsschein den Briefkasten. Zugegangen ist das Schriftstück dann erst mit Abholung durch den Empfänger bei der Post. Holt der Empfänger das Schreiben nicht ab, ist es auch nicht zugegangen.
Wenig genutzt und besonders sicher: Zustellung über Gerichtsvollzieher
Eine in der Praxis wenig genutzte, aber besonders sichere Möglichkeit der Zustellung ist die Zustellung von Schriftstücken wie einer Kündigungserklärung über den Gerichtsvollzieher. Hierzu bedarf es der Übergabe der Originalerklärung an den Gerichtsvollzieher mit dem Auftrag, dem Empfänger das Schriftstück zuzustellen, §§ 132 BGB, 192 ff ZPO. Der Gerichtsvollzieher fertigt eine Zustellungsurkunde, in der Datum und Uhrzeit der Zustellung sowie die Art der Zustellung (Übergabe an Empfänger oder Einwurf in den Briefkasten) vermerkt sind. Damit hat der Absender eine beweiskräftige öffentliche Urkunde zum Nachweis der Zustellung in der Hand. Nachteil: Das Verfahren kann ein bis 2 Wochen in Anspruch nehmen.
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