Fristverlängerungsanträge im einstweiligen Rechtsschutz

Antragstellervertreter sollten in einstweiligen Rechtsschutzsachen mit Fristverlängerungsanträgen äußerst vorsichtig sein. Sie widerlegen regelmäßig die für eine einstweilige Verfügung erforderliche Dringlichkeit.

Das OLG München hat in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren den Grundsatz aufgestellt, dass vom Antragsteller gestellte Terminverlegungs- und Fristverlängerungsanträge die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit praktisch immer widerlegen.

Wettbewerbsrechtlicher Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz

Im konkreten Fall stritten die Parteien um lauterkeitsrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit den Vorgaben der europäischen Kosmetikverordnung für Nagellack. Die Antragstellerin erstrebte den Erlass einer einstweiligen Verfügung dahingehend, der Antragsgegnerin eine bestimmte Werbeaussage betreffend die von ihr vertriebenen Nagellackprodukte zu untersagen.

Verlängerung einer Schriftsatzfrist um einen Tag beantragt

Nachdem das zuständige LG einen Termin für den 26.6.2023 in Aussicht gestellt hatte, beantragte der Antragstellervertreter die Verlängerung einer zum 9. 6.2023 – einem Brückenfreitag – gesetzten Schriftsatzfrist um einen Tag, also praktisch bis zum darauffolgenden Montag. Die beantragte Fristverlängerung wurde vom LG gewährt.

Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom OLG zurückgewiesen

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte teilweise Erfolg. Gegen die Entscheidung des LG legte die Antragsgegnerin Berufung beim OLG ein. Das OLG gab der Berufung statt und wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.

Dringlichkeitsvermutung durch Fristverlängerungsantrag widerlegt

Zur Begründung führte der OLG-Senat aus, es fehle an dem für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund. Durch den gestellten Fristverlängerungsantrag habe die Antragstellerin zu erkennen gegeben, dass sie nicht dermaßen dringend auf die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz angewiesen sei, dass es ihr nicht zuzumuten wäre, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Mit ihrem Fristverlängerungsantrag – auch wenn es nur um einen Wochentag gegangen sei – habe sie die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG entkräftet.

Auf weitere Erwägungen kommt es nicht an

Nach Auffassung des OLG ist es für die Widerlegung der Dringlichkeit unerheblich, dass im konkreten Fall eine mündliche Verhandlung erst Wochen später stattfinden sollte.

  • Es komme für die Widerlegung der Dringlichkeit auch nicht darauf an, ob die beantragte Fristverlängerung tatsächlich zu einer Verzögerung des Verfahrens führt und
  • auch nicht darauf, ob die beantragte Fristverlängerung tatsächlich gewährt werde.

Allein durch seinen Antrag auf Fristverlängerung zeige der den einstweiligen Rechtsschutz begehrende Antragsteller, dass die Entscheidung für ihn nicht so dringlich ist, dass er nicht auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren verwiesen werden könnte.

Einstweilige Rechtsschutzverfahren müssen berechenbar sein

Diese strenge und abstrakte Beurteilung ist nach der Entscheidung des OLG deshalb notwendig, weil nur auf diese Weise Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit in einstweiligen Rechtsschutzsachen hergestellt werden könne. Nur durch eine starre Regelung der Fälle der Dringlichkeitswiderlegung bleibe das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Interesse der Beteiligten berechenbar und prognostizierbar. Dieser Grundsatz dürfte nach der Entscheidung des OLG grundsätzlich für alle einstweiligen Rechtsschutzsachen gelten und nicht nur auf die gesetzliche Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG anwendbar sein.

Typischer Fall der Selbstwiderlegung der Dringlichkeit

Mit diesen Erwägungen bewertete das OLG im konkreten Fall den gestellten Antrag auf Fristverlängerung als dringlichkeitsschädlich. Es handle sich um den typischen Fall der Selbstwiderlegung der Dringlichkeit durch den Antragsteller. Hinzu komme, dass der vom Gericht ursprünglich für den 26. Juni avisierte Gerichtstermin zum Zeitpunkt des Fristverlängerungsantrags noch nicht endgültig festgesetzt war und dieser dann tatsächlich erst eine Woche später stattgefunden habe. Ein Zusammenhang dieses späteren Termins mit der verlängerten Schriftsatzfrist sei keineswegs ausgeschlossen.

Wiedereinsetzung abgelehnt

Im Ergebnis war die Berufung der Antragsgegnerin damit erfolgreich und führte zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils sowie zur Abweisung des Rechtsschutzantrags.

(OLG München, Beschluss v. 25.7.2024, 29U 3362/23)