Fristverlängerung kann Dringlichkeit in Eilverfahren widerlegen

Für Unterlassungsansprüche aus der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen folgt die für ein Eilverfahren erforderliche Dringlichkeit aus der Sache selbst. Ein Antrag auf Fristverlängerung kann die Dringlichkeit aber widerlegen.

Der Verfahrensbevollmächtigte einer Verfügungsklägerin musste sich in einem beim OLG Nürnberg anhängigen Berufungsverfahren vorhalten lassen, durch seinen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist die eigentlich vorliegende Dringlichkeit seines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz selbst widerlegt zu haben.

Verfügungsantrag erstinstanzlich abgewiesen

In dem vom OLG zu entscheidenden einstweiligen Verfügungsverfahren machte die Verfügungsklägerin gegen den Verfügungsbeklagten Unterlassungsansprüche wegen einer Verletzung von Geschäftsgeheimnissen gelten. Das erstinstanzlich zuständige LG hatte den Verfügungsantrag durch Endurteil abgewiesen. Hiergegen hatte der Bevollmächtigte der Verfügungsklägerin Berufung beim OLG eingelegt.

Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist

Am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist beantragte der Bevollmächtigte eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat. Zur Begründung verwies er auf eine erhebliche Arbeitsüberlastung. Wiederum am letzten Tag der antragsgemäß verlängerten Frist reichte er die Berufungsbegründung bei Gericht ein.

Hinweisbeschluss: Berufung ohne Aussicht auf Erfolg

Das OLG erließ darauf einen ausführlichen Hinweisbeschluss. Darin führte der Senat aus, dass die Berufung nach derzeitigem Stand keine Aussicht auf Erfolg habe und deshalb voraussichtlich zurückgewiesen werde. Begründung: Der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin habe die für ein einstweiliges Verfügungsverfahren erforderliche Dringlichkeit durch sein Prozessverhalten selbst widerlegt, indem er die Fristen zur Einlegung der Berufung sowie zu deren Begründung bis zum letzten Tag ausgenutzt und zusätzlich von der einmonatigen Verlängerungsmöglichkeit der Berufungsbegründungsfrist Gebrauch gemacht habe.

Eilverfahren auf einstweiligen Rechtsschutz muss zügig betrieben werden

Der Senat vertrat die Auffassung, dass eine Partei, die wegen der Eilbedürftigkeit einer Regelung eine einstweilige Verfügung anstrebe nicht dermaßen viel Zeit - einschließlich Fristverlängerung 3 Monate - bis zur Anfertigung der Berufungsbegründung vergehen lassen darf. Ein solches Verhalten führe zur Selbstwiderlegung der Eilbedürftigkeit und damit zum Wegfall des Verfügungsgrundes. Wer ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung betreibe, müsse dies mit der erforderlichen Zügigkeit auch im Berufungsverfahren tun, andernfalls entfalle der Verfügungsgrund der Dringlichkeit (OLG Nürnberg, Beschluss v. 7.11.2017, 3 U 1206/17).

Dringlichkeit war ursprünglich gegeben

Das OLG versäumte nicht die Feststellung, dass der Senat grundsätzlich die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit bejaht hätte. Ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO sei gegeben, wenn objektiv die begründete Besorgnis bestehe, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werde. Diese Voraussetzung sei bei der Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses und des darauf gegründeten Anspruchs auf Unterlassung gemäß § 6 GeschGehG regelmäßig gegeben.

Regelmäßiger Verfügungsgrund bei Verletzung von Geschäftsgeheimnissen

Ein Geschäftsgeheimnis werde grundsätzlich dadurch geschützt, dass es Dritten nicht zugänglich gemacht wird, weil es sonst den Charakter eines Geheimnisses verliert. Der Schutz des Betroffenen erfordere in solchen Fällen daher regelmäßig ein sofortiges Einschreiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Nur eine zeitnah erlassene Untersagungsverfügung bewirke einen effektiven Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Die Dringlichkeit sei dem Geheimnisschutz insoweit gewissermaßen inhärent.

Berufung ohne Erfolgsaussicht

Die erforderliche Zügigkeit in der Bearbeitung hatte der Bevollmächtigte nach der Auffassung des OLG vermissen lassen. Ein allgemeiner Hinweis auf Arbeitsüberlastung rechtfertige kein dreimonatiges Zuwarten. Die durch den Bevollmächtigten verursachte Verfahrensverzögerung müsse sich der Verfügungskläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Infolge der Ermangelung eines Verfügungsgrundes habe die Berufung daher keine Aussicht auf Erfolg und werde mit hoher Wahrscheinlichkeit zurückgewiesen. Der Verfügungskläger erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.

(OLG Nürnberg, Beschluss v. 6.7.2023, 3 U 889/23)


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