Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
Prozesssituationen, in denen der Rechtsanwalt entscheiden muss, ob er eine eingereichte Klage zurücknimmt oder ob er den Rechtstreit für erledigt erklärt, kommen in der Gerichtspraxis relativ häufig vor. Oft muss der Anwalt dann kurzfristig disponieren, welche der beiden möglichen Prozesshandlungen er wählt. Bei der Entscheidung sollte er die unterschiedlichen Rechtsfolgen, insbesondere auf der Kostenseite, stets präsent haben.
Wann eine Klagerücknahme sinnvoll ist
Eine Klagerücknahme bietet sich insbesondere in den Fällen an, in denen der mit der Klage oder einem Mahnbescheid geltend gemachte Anspruch schon zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bestanden hat. Nachteil für den Anspruchsteller bei der Klagerücknahme ist die Kostenregelung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, d.h. die Kosten des Verfahrens werden regelmäßig allein dem Kläger auferlegt.
Ermessensentscheidung des Gerichts über Kostenfolge
Ausnahmsweise entscheidet das Gericht im Fall der Klagerücknahme nach seinem Ermessen über die Kostentragungspflicht, wenn ein Anlass für die Klageerhebung bestanden hat und dieser Anlass vor Rechtshängigkeit weggefallen ist. In diesem Fall entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten. Wichtig: Erfolgt die Klagerücknahme vor Ende der mündlichen Verhandlung, so reduzieren sich die Gerichtskosten auf eine 1,0 Gebühr, andernfalls bleibt es bei der 3.0 Gebühr. Gegen die Kostenentscheidung ist die sofortige Beschwerde eröffnet, soweit der Streitwert die gemäß § 511 erforderliche Beschwer von 600 Euro übersteigt, § 91a Abs. 2 ZPO.
Klagerücknahme nicht nur zur alleinigen Disposition des Klägers
Die Rücknahme der Klage steht nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung allein zur Disposition des Klägers.Danach bedarf sie gemäß § 269 Abs. 1 ZPO der Zustimmung des Beklagten. Die Erklärung der Klagerücknahme ist eine bedingungsfeindliche Prozesshandlung und kann nicht rückgängig gemacht werden. Die Klagerücknahme beendet den Prozess unmittelbar. Eine teilweise Klagerücknahme wird gemäß § 264 Nr. 2 ZPO als Beschränkung des Klagegegenstandes und damit als Klageänderung behandelt.
Erledigungserklärung
Die Erledigungserklärung bietet sich für den Vertreter eines Klägers im Zivilverfahren an, wenn ein die Klageforderung erledigendes Ereignis eintritt. Dies kann beispielsweise die Zahlung des mit der Klage geltend gemachten Betrages durch den Beklagten nach Erhebung der Klage oder eine außergerichtliche Einigung sein. Auch eine im gerichtlichen Verfahren seitens des Beklagten erklärte Aufrechnung ist ein erledigendes Ereignis. Dies gilt auch dann, wenn die Aufrechnungslage bereits vor Klageerhebung bestanden hat. Schließt der Beklagte sich der Erledigungserklärung an, so ist das Gericht an die beiderseitigen Erledigungserklärungen gebunden und der Rechtsstreit ist beendet. Ist bereits ein Urteil in der Welt, das noch nicht rechtskräftig ist, stellt das Gericht unter analoger Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO durch Beschluss fest, dass der Rechtsstreit erledigt ist.
Hinweis: Ist der Kläger unsicher, ob tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist, so kann er den Rechtsstreit für erledigt erklären und hilfsweise seinen bisherigen Klageantrag aufrechterhalten. Umstritten ist, ob bei einer Erledigungserklärung nach Schluss der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung erforderlich ist. |
Kostenentscheidung nach gerichtlichem Ermessen
Das Gericht muss im Fall der beiderseitigen Erledigungserklärung eine Entscheidung über die Kosten treffen, es sei denn, Beklagter und Kläger haben übereinstimmend beantragt, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Dies kann auch aus Sicht des Beklagten sinnvoll sein, denn nur in diesem Fall reduzieren sich die Gerichtskosten auf eine 1,0 Gebühr. Muss das Gericht über wechselseitige Kostenanträge entscheiden, verbleibt es bei der 3,0 Gebühr. Im Übrigen entscheidet das Gericht gemäß § 91a ZPO über die Kostenverteilung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes:
- War die Klage nach der Bewertung des Gerichts von Anfang an unzulässig oder unbegründet, so wird das Gericht die Kosten dem Kläger auferlegen,
- war die Klage zulässig und begründet, so hat regelmäßig der Beklagte die Kosten zu tragen,
- bei teilweiser Begründetheit wird das Gericht die Kosten entsprechend aufteilen.
Gegen die Kostenentscheidung ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eröffnet.
Einseitige Erledigungserklärung
Schließt der Beklagte sich der Erledigungserklärung des Klägers nicht an, so bedeutet dies prozessual eine Klageänderung. Der Klageantrag ändert sich in einen Antrag auf Feststellung, dass der Rechtsstreit erledigt ist. Das Gericht prüft in diesem Fall, ob die Klage von Anfang an zulässig und begründet war. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse folgt in der Regel aus dem Interesse des Klägers an einer für ihn günstigen Kostenentscheidung. Anhand des Feststellungsinteresses bestimmt das Gericht auch den geänderten Gegenstandswert für den Feststellungsantrag.
Gesetzliche Fiktion der Zustimmung zur einseitigen Erledigungserklärung
Im Fall der einseitigen Erledigungserklärung ist § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO zu beachten. Hiernach wird die Zustimmung des Beklagten zur Erledigung fingiert, wenn ihm die Erledigungserklärung förmlich zugestellt wurde und er sich innerhalb einer Zweiwochenfrist nicht erklärt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Beklagte über die Folgen der Nichterklärung belehrt worden ist.
Teilerledigung
Die Erledigungserklärung ist auch nur hinsichtlich eines Teils der Klage zulässig. Die Folgen sind für den erledigten Teil die gleichen, die auch sonst für eine Erledigungserklärung gelten, jedoch entscheidet das Gericht in diesem Fall über die Kosten im Rahmen des späteren einheitlichen Urteils.
Spezielle Regeln für arbeitsgerichtliche Verfahren
In Arbeitsgerichtsprozessen sind die besonderen Regelungen des § 83a ArbGG zu beachten. Im Fall der einseitigen Erledigungserklärung gilt auch hier eine Fiktion der Zustimmung des Beklagten nach Ablauf einer Zweiwochenfrist, § 83a Abs. 3 Satz 2 ArbGG. Über die einseitige Erledigungserklärung entscheidet das Arbeitsgericht gemäß §§ 84, 87 ArbGG durch mit der Beschwerde anfechtbaren Beschluss und stellt das Verfahren ein, § 83a Abs. 2 Satz 1 ArbGG.
Neue Klage möglich
Sowohl bei beiderseitigen Erledigungserklärungen als auch im Fall der Klagerücknahme steht der Erhebung einer neuen Klage über den gleichen Streitgegenstand nichts im Wege, denn der Rechtsstreit wird rückwirkend als nicht anhängig gewertet, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Ein bereits ergangenes, nicht rechtskräftig gewordenes Urteil wird wirkungslos. Im Fall der einseitigen Erledigungserklärung endet der Rechtsstreit mit der Rechtskraft des Feststellungsurteils.
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