Abschlussbericht zum Projekt „Digitales Basisdokument“
Die Universität Regensburg hat im Auftrag des Freistaates Bayern und des Landes Niedersachsen ein Forschungsprojekt zur besseren Strukturierung des Parteivortrages in Anwaltsprozessen durchgeführt, das nun seinen vorläufigen Abschluss gefunden hat. An dem Projekt haben im sogenannten „Reallabor“ die Landgerichte in Regensburg, Osnabrück, Landshut und Hannover teilgenommen. Von den 60 teilnehmenden Richtern wurden insgesamt über 100 Verfahren für die Erprobung angemeldet.
Aufbereitung des gesamten Streitstoffes in einem digitalen Basisdokument
Die Initiatoren des Projekts verfolgen das Ziel, durch eine besondere digitale Struktur den gesamten Prozessstoff in einem einzigen digitalen Basisdokument zu bündeln. Hierbei bereiten Richter und Anwälte den Streitstoff in einer Weise auf, dass der Parteivortrag von Kläger- und Beklagtenseite im sogenannten Basisdokument so strukturiert wiedergegeben werden, dass die Beteiligten den Streitstand und die prozessuale Lage des Rechtsstreites schnellstmöglich erfassen können.
Digitales Basisdokument soll Schriftsätze ersetzen
Das digitale Basisdokument bildet den gesamten Parteivortrag von Kläger und Beklagtem in einer Gegenüberstellung ab. Das Basisdokument soll auf diese Weise den herkömmlichen Austausch von Schriftsätzen ersetzen. Nach dem Parteivortrag folgen eine Gegenüberstellung der von den Parteien angegebenen Beweismittel, der jeweils wechselseitig vorgenommenen Beweiswürdigungen sowie der Rechtsausführungen der Parteien.
Steigerung der Verfahrenseffektivität
Die Initiatoren wollen durch das Basisdokument die Präzision und Effektivität des Verfahrens steigern, da jede Partei ihren Sachvortrag jederzeit mit der passenden Stelle des gegnerischen Sachvortrags unmittelbar verknüpfen kann. Dies gilt auch für die Ergebnisse der Beweisaufnahme, an die die Parteien an der jeweils richtigen Stelle ihre Stellungnahme anbringen können.
Beweismittelliste
Mithilfe einer Beweismittelliste soll zudem die Übersicht über die Beweisantritte erleichtert werden. Das versehentliche Übergehen eines Beweisantritts soll damit vermieden werden. Auch als Beweismittel vorgelegte Dokumente können jederzeit im Basisdokument eingesehen werden, ohne dass umständlich in den Anlagen zu einem Schriftsatz geblättert werden muss.
Individualität des Sachvortrags bleibt gewahrt
Die Initiatoren des Projekts legen Wert darauf, dass die Parteien durch das Basisdokument nicht in ein vorgegebenes Korsett gezwungen werden. Jede Partei kann die von ihr bevorzugte Struktur auf dem Basisdokument selbst wählen und ist nicht gezwungen, sich der vom Gegner gewählten Struktur anzupassen.
Die Resonanz der Beteiligten ist überwiegend positiv
Nach der ca. einjährigen Erprobung ist die Resonanz seitens der Beteiligten überwiegend positiv. Die Übersichtlichkeit des Prozessstoffes durch unmittelbare Gegenüberstellung des wechselseitigen Parteivortrags, die sofortige Einsichtsmöglichkeit in die richterlichen Hinweise und der schnelle Zugriff auf die Beweisergebnisse, hat nach Aussage der Beteiligten die Bearbeitung auch komplexer Sachverhalte deutlich erleichtert. Besonders positiv urteilten die beteiligten Richter, die deutliche Vorteile für eine effiziente und zeitsparende Bearbeitung des Prozessstoffes sahen. Einige wünschen sich ergänzend eine Schnittstelle zur E-Akte und sehen noch Erweiterungspotenzial durch zusätzliche KI-Funktionen.
Anwälte können die Anwendung testen
Für Anwälte besteht jederzeit die kostenfreie Möglichkeit, das digitale Basisdokument für sich zu testen. Das Dokument kann im Internet unter „ app.parteivortrag.de“ problemlos heruntergeladen werden. Insgesamt sieht die Anwaltschaft, soweit sie nicht an dem Projekt beteiligt war, die Ergebnisse eher skeptisch. Viele Anwälte fürchten offensichtlich, durch das strukturierte Basisdokument übermäßig in ihrer anwaltlichen Freiheit - z. B. beim Zurückhalten eines Beweismittels aus prozesstaktischen Gründen - beeinträchtigt zu werden.
Projektgruppe empfiehlt Fortführung und Ausdehnung des Projekts
Die Projektgruppe empfiehlt dem Gesetzgeber eine Fortsetzung der Erprobung des Basisdokuments. Für eine vertiefende Erprobung wäre nach den Vorstellungen der Forscher eine verpflichtende, rechtsgebiets- und verfahrensunabhängige Nutzung des Basisdokuments an ausgewählten Pilotgerichten in Anwaltsprozessen wünschenswert. Den Parteien soll nach diesen Vorstellungen die Möglichkeit eines „Opt-Out“ eingeräumt werden, über den das jeweils zuständige Gericht durch unanfechtbaren Beschluss entscheiden soll. Die vom BMJ eingesetzte Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“ will die Ergebnisse bei ihren Beratungen berücksichtigen.
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