Streitwertgrenze für Amtsgerichte

Die Bundesregierung hat eine Anhe­bung des Zustän­dig­keits­streit­werts für Amts­ge­richte in Zivil­sa­chen auf 8.000 EUR beschlossen. Daneben soll die Spe­zia­li­sie­rung der Justiz in Zivil­sa­chen durch beson­dere Kammern an den Land­ge­richten erwei­tert werden.    

Hin­ter­grund des vom BMJ ausgearbeiteten Refe­ren­ten­ent­wurfs eines Gesetzes „zur Ände­rung des Zustän­dig­keits­streit­werts der Amts­ge­richte, zum Ausbau der Spe­zia­li­sie­rung der Justiz in Zivil­sa­chen sowie zur Ände­rung wei­terer pro­zes­sualer Rege­lungen“ ist der seit Jahren zu ver­zeich­nende Rück­gang zivil­recht­li­cher Strei­tig­keiten bei den Amts­ge­richten. Laut einer Studie des BMJ ist die Ein­gangs­zahl der Klagen bei den Amts­ge­richten in den Jahren 2005–2019 um mehr als 1⁄3 zurück­ge­gangen.

Her­auf­set­zung des Ein­gangs­streit­werts auf 8.000 EUR

Unter anderem durch die Her­auf­set­zung des Ein­gangs­streit­werts sollen die Amts­ge­richte in ihrer Funk­tion als Garant für die Bür­ger­nähe der Justiz gestärkt werden. Hierzu sieht der Entwurf eine Ände­rung des § 23 GVG vor, wonach der Grenz­streit­wert von 5.000 EUR auf 8.000 EUR her­auf­ge­setzt werden soll. Diese Ände­rung ist über­fällig, weil die letzte Streit­wert­an­pas­sung über 30 Jahre zurück­liegt und sich der Preis­index in dem Zeit­raum 1993 bis zum Jahr 2022 um den Faktor 67,9 erhöht hat.

Streit­wer­tu­n­ab­hän­gige Zustän­dig­keit für Nach­bar­rechts­strei­tig­keiten

Daneben sieht der Gesetz­ent­wurf eine umfas­sende Neu­re­ge­lung der streit­wer­tu­n­ab­hän­gigen Zustän­dig­keiten der Gerichte vor. Nach­bar­recht­liche Strei­tig­keiten sollen durch einen neuen § 23 Nr. 2e GVG-E streit­wer­tu­n­ab­hängig allein den Amts­ge­richten zuge­wiesen werden. Eine ähn­liche Rege­lung besteht gemäß § 23 Nr. 2c GVG bereits für Strei­tig­keiten über Ansprüche im Ver­hältnis von Woh­nungs­ei­gen­tü­mern. Die Neu­re­ge­lung erfasst

  • Besei­ti­gungs­an­sprüche,
  • nach­bar­recht­liche Aus­gleichs­an­sprüche,
  • delik­ti­sche Scha­dens­er­satz­an­sprüche aus dem Nach­bar­schafts­ver­hältnis,
  • nach­bar­recht­liche Ansprüche, die auf Ein­wir­kungen eines gewerb­li­chen Betriebs beruhen sowie
  • Ansprüche aus lan­des­recht­li­chen Vor­schriften wie Strei­tig­keiten um Nach­bar­wände, Grenz­wände, Ham­mer­schlag- und Lei­ter­rechte sowie Licht- und Fens­ter­rechte.

Reformziel orts­nahe Gerichte

Die Neu­re­ge­lung der Zustän­dig­keit für Nach­bar­rechts­sa­chen soll dem Umstand Rech­nung tragen, dass bei nach­bar­schaft­li­chen Strei­tig­keiten die Orts­nähe eines Gerichts von großem Vorteil ist, häufig Orts­ter­mine von­seiten des Gerichts not­wendig werden und die Par­teien auf­grund der engen sozialen Nähe häufig ein beson­deres Inter­esse an der per­sön­li­chen Anwe­sen­heit in der Gerichts­ver­hand­lung haben.

Neue Spe­zi­al­kam­mern bei den Land­ge­richten

Daneben sollen für Rechts­ge­biete, die eine hohe Spe­zia­li­sie­rung sowie eine beson­dere Fach­kunde der Gerichte erfor­dern, künftig ver­mehrt spe­zia­li­sierte Kammern bei den Land­ge­richten ein­ge­richtet und diesen eine aus­schlie­ß­liche Zustän­dig­keit zuge­wiesen werden:

  • Gemäß einem neuen § 71 Abs. 2 Nr. 9 GVG-E sollen bei den Land­ge­richten Spe­zi­al­kam­mern für Strei­tig­keiten aus Heil­be­hand­lungen (aus­ge­nommen ist die Vete­ri­när­me­dizin) ein­ge­richtet werden,
  • durch einen neuen § 72a Abs. 1 Nr. 8 GVG-E sollen Spe­zi­al­kam­mern für Ver­ga­be­sa­chen und
  • gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 7 GVG-E spe­zia­li­sierte Kammern für Ver­öf­fent­li­chungs­strei­tig­keiten (z. B. bei Ver­let­zung von Per­sön­lich­keits­rechten und dem Recht am ein­ge­rich­teten und aus­ge­übten Gewer­be­be­trieb durch Ver­öf­fent­li­chungen im Internet und anderen Medien).

Erweiterte Kor­rektur von Kos­ten­ent­schei­dungen

Durch die Ein­füh­rung eines neuen § 102 ZPO-E soll den Gerichten die Mög­lich­keit eröffnet werden, eine durch eine Neu­fest­set­zung des Streit­wertes nach Erlass eines Urteils oder Beschlusses unrichtig gewor­dene Kos­ten­ent­schei­dungen hin­sicht­lich der Quo­te­lung nach­träg­lich zu ändern, wenn die Kos­ten­ent­schei­dung infolge der nach­träg­li­chen Neu­fest­set­zung des Streit­wertes nicht mehr dem Ver­hältnis des Obsie­gens und Unter­lie­gens ent­spricht. Ent­spre­chende Normen sollen auch für fami­li­en­recht­liche Strei­tig­keiten, für ver­wal­tungs­recht­liche Strei­tig­keiten und für finanz­recht­liche Strei­tig­keiten geschaffen werden.

Kritik seitens BRAK und DAV

Die Bun­des­rechts­an­walts­kammer und der Deut­sche Anwalts­verein üben ver­hal­tene Kritik an der nun auf den Weg gebrachten Reform. Es wird befürchtet, die Ände­rung der Streit­wert­grenze könnte zur Über­las­tung einiger Amts­ge­richte führen. Auch sei durch die erwei­terte Zustän­dig­keit der Amts­ge­richte bei Anwälten ein Rück­gang der Mandate zu erwarten, da Rechts­su­chende bei den Amts­ge­richten keine anwalt­liche Ver­tre­tung benö­tigen.

Inkraft­treten

Das BMJ geht davon aus, dass sowohl die Amts­ge­richte als auch die Land­ge­richte eine ange­mes­sene Zeit benö­tigen, um sich auf die geplanten Neu­re­ge­lungen orga­ni­sa­to­risch und per­so­nell ein­zu­stellen. Das Gesetz soll daher erst zum 1.1.2026 in Kraft treten.

Schlagworte zum Thema:  Gerichtsverfahren, Reform