Heizungsausfall – Mieter durfte eigenmächtig Handwerker beauftragen

Nachdem in einer Mietwohnung im März eine Gastherme ausgefallen war, informierte der Mieter seinen Vermieter hierüber am 18.03.2019 telefonisch. Nachdem er nichts von ihm gehört hatte, forderte er ihn am 20.03.2019 schriftlich zur Instandsetzung der Gastherme bis 22.03.2019 auf und beauftragte eine Firma mit der Reparatur.
Nachdem der Austausch mehrerer Teile am 20.03.2019 und am 25.03.2019 nicht weitergeholfen sowie ein dritter Reparaturversuch durch den Werkkundendienst am 26.03.2019 vergeblich war, forderte der Mieter seinen Vermieter am 04.04.2019 zur Wiederherstellung der Heizungs- und Warmwasserversorgung auf. Dafür setzte er ihm eine Frist bis zum 18.04.2019. Darüber hinaus teilte er ihm mit, dass er nach dem Ablauf dieser Frist selbst Handwerker mit der Erneuerung der Therme beauftragt.
Als diese Frist ebenfalls verstrichen war, beauftragte der Mieter eine Firma mit dem Ausbau der Gastherme sowie dem Einbau einer Gas-Brennwert-Therme. Das geschah vor dem Hintergrund, dass beide Firmen ihm den Austausch der Gastherme empfohlen und dies auf den Rechnungen vermerkt hatten.
Im Anschluss daran wollte der Mieter die von ihm bezahlten Kosten für die ersten beiden Reparaturversuche durch die Fachfirma in Höhe von 677,84 EUR, für die vergebliche Reparatur durch den Werkskundendienst in Höhe von rund 493 Euro und den Austausch der Gastherme in Höhe von rund 4.700 EUR vom Vermieter ersetzt haben. Doch dieser weigerte sich. Er argumentierte vor allem damit, dass der Mieter sich zuvor gegen eine Sanierung gewendet hatte.
Wie das Gericht entschieden hat
Das Amtsgericht Stuttgart entschied, dass der Vermieter für die Kosten in Höhe von insgesamt 5.934,89 Euro aufkommen muss (Urteil v. 07.03.2023 - 31 C 2886/21).
Vermieter muss für Austausch der Gastherme aufkommen
Dies begründete das Gericht hinsichtlich der Kosten des Austausches der Gastherme damit, dass die Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB vorgelegen haben. Der Ausfall der Gastherme (Heizung und Warmwasser) durch einen technischen Defekt stelle einen Mangel der Mietsache dar. Ferner habe sich der Vermieter in Verzug befunden.
Austausch der Therme war erforderlich
Des Weiteren durfte der Mieter nach Ansicht des AG Stuttgart davon ausgehen, dass der Austausch der Therme eine erforderliche Aufwendung im Sinne des § 536 Abs. 2 Nr. 1 BGB war. Er habe sich auf die eingeholten Auskünfte der Fachfirma und des Werkskundendienstes verlassen dürfen, wonach eine Reparatur der alten Gastherme wenig erfolgversprechend und unwirtschaftlich gewesen wären.
Kein Verstoß des Mieters gegen Treu und Glauben
Der Vermieter habe sich nicht auf einen Verstoß des Mieters gegen Treu und Glaube gem. § 242 BGB berufen können, weil dieser sich gegen die Modernisierung des Bades wandte. Dieses Verhalten sei nicht widersprüchlich, weil er sich gegen alle geplanten Modernisierungsmaßnahmen als Luxussanierungen ausgesprochen habe.
Vermieter muss auch für Reparaturversuche an Heizung aufkommen
Darüber hinaus entschied das Gericht, dass der Vermieter ihm auch die Kosten für die vergeblichen Reparaturversuche durch die Fachfirma und den Werkskundendienst ersetzen muss.
Kein Verzug erforderlich wegen Notfall
Dem steht laut AG Stuttgart nicht entgegen, dass sich der Vermieter zum Zeitpunkt des ersten Reparaturversuches am 20.03.2019 noch gar nicht in Verzug befunden hat. Hier ergebe sich der Anspruch auf Erstattung der Kosten aus § 536 Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil der Mangel umgehend beseitigt werden musste, um den Bestand der Mietsache wiederherzustellen.
Einordnung dieser Entscheidung
Wenn Mieter bei einem Ausfall der Heizung im Wege der Ersatzvornahme vorgehen und eigenmächtig einen Handwerksbetrieb beauftragen, braucht der Vermieter normalerweise nicht für die Kosten der Reparatur aufzukommen. Anders ist das, wenn der Vermieter gem. § 536a Abs. 2 Nr.1 BGB mit der Beseitigung im Verzug ist oder nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig ist.
Dass eine Ersatzvornahme des Mieters außerhalb des Verzuges nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB nur unter engen Voraussetzungen in Betracht kommt, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 16.01.2008 - VIII ZR 222/06 klargestellt. Hiernach muss es sich um eine Notfallmaßnahme des Mieters handeln, die keinen Aufschub duldet.
AG Münster: Heizungsausfall bei klirrender Kälte als Notfall
Hiervon ist beispielsweise das Amtsgericht Münster in einem Fall ausgegangen, in dem die Heizung bei winterlichen Temperaturen von nachts unter 0 Grad an einem Samstag ausgefallen war. Es entschied, dass der Vermieter für die Kosten in Höhe von 513,64 EUR für Arbeiten muss, die eine Fachfirma zur provisorischen Instandsetzung einer Heizung durchgeführt hatte (Urteil vom 30.09.2009 - 4 C 2725/09).
AG Brandenburg: Keine Notsituation bei tropfendem Wärmeaustauscher
Anders sah dies das Amtsgericht Brandenburg in einem Sachverhalt, in dem die Heizung ebenfalls bei winterlichen Temperaturen ausgefallen war, weil der Wärmeaustauscher tropfte und dadurch Wasser verloren hatte. Das Gericht verneinte einen Anspruch des Mieters auf Kostenersatz nach § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil keine Notfallsituation vorgelegen habe. Dies begründete es damit, dass die Heizung nur dann länger als ein paar Stunden ausgefallen wäre, wenn keiner Wasser nachgefüllt gefüllt hätte. Dies sei jedoch vor Ort geschehen (Urteil vom 25.04.2012 – 34 C 45/11).
Praxishinweis:
Bei einem Heizungsausfall sollten sich Mieter sofort an ihren Vermieter wenden. Ehe sie eigenmächtig Handwerker beauftragen, sollten sie ihn normalerweise schriftlich unter Fristsetzung zur Wiederherstellung der Heizungs- und ggf. Warmwasserversorgung -auffordern. Vermieter sollten auch am Wochenende erreichbar sein oder ihren Mietern schriftlich mitteilen, an welche Firmen sie sich in Notsituationen wenden dürfen. Diese sollten über einen Notdienst verfügen.
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