Streit über die Grillhäufigkeit
Unterlassungsklage eines Wohnungseigentümers
Ein Wohnungseigentümer störte sich besonders daran, dass sein schräg unter ihm befindlicher Nachbar häufiger seinen Elektrogrill auf der Terrasse seiner Erdgeschoßwohnung und im Garten benutzt hatte. Er sah dies als unzumutbare Belästigung an, weil dadurch störende Essensgerüche in seine Wohnung ziehen würden. Deshalb verklagte ihn der Wohnungseigentümer auf Unterlassung. Dabei verlangte er, dass sein Nachbar höchstens 5-mal im Jahr auf der Terrasse oder in dem von ihm genutzten Teil des Gartens grillt. Hilfsweise begehrte er, dass er dort maximal zweimal im Monat seinen Grill benutzt. Das Amtsgericht (AG) Wolfratshausen hat die Klage insoweit abgewiesen (AG Wolfratshausen, Urteil v. 03.06.2022, 1 C 734/20 WEG).
Was das Gericht zur Grillhäufigkeit entschieden hat
Das LG München I als Berufungsinstanz hob die Entscheidung auf und gab der Klage teilweise statt (LG München I, Urteil v. 01.03.2023, 1 S 7620/22 WEG). Es entschied, dass der Nachbar im Erdgeschoss höchstens viermal im Monat auf seiner Terrasse grillen darf. Darüber hinaus untersagte das Gericht das Grillen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen am Wochenende (Samstag/Sonntag) oder an Sonn- und Feiertagen.
Erheblicher Beeinträchtigung des Sondereigentums ist unzulässig
Die Richter begründeten das damit, dass durch ein häufigeres Grillen auf der Terrasse das Sondereigentum des klagenden Grundstückseigentümers erheblich beeinträchtigt wird im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB bzw. § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG. Insoweit steht ihm gegenüber seinem Nachbarn einen Anspruch auf Unterlassung zu.
Von welchem Umständen die Beeinträchtigung abhängt
Wann durch Grillen das zulässige Maß der Beeinträchtigung überschritten wird, hängt laut LG München I vor allem von dem Standort des Grills, der Häufigkeit des Grillens sowie dem verwendeten Grillgerät ab. Im Rahmen einer durchgeführten Beweisaufnahme stellte es fest, dass beim Grillen auf der Terrasse Rauch und Gerüche entstanden, die jedenfalls bei geöffnetem Fenster in die darüber befindliche Wohnung des Nachbarn eindrangen. Ein häufigeres Grillen sei daher nicht zumutbar. Nach der Aussage von mehreren Zeugen soll er mindestens einmal die Woche gegrillt haben.
Die Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig.
Einordnung der Entscheidung:
An dieser Gerichtsentscheidung wird deutlich, dass es keine genauen Vorgaben darüber gibt, inwieweit ein Grundstückseigentümer einen Anspruch auf Unterlassung hat. Normalerweise gehört Grillen auf dem Balkon zum sozialtypischen Gebrauch des Sondereigentums - beziehungsweise einer Mietsache - und ist erlaubt. Anders ist jedoch die Situation, wenn die damit verbundene Beeinträchtigung der Wohnungsnachbarn zu groß und somit unzumutbar ist.
Dass die Beurteilung von den jeweiligen Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt, ergibt sich auch aus weiteren Gerichtsentscheidungen, die in ähnlichen Fällen ergangen sind.
AG Halle: Maximal 5-mal Grillen im Kalenderjahr
So hat das AG Halle entschieden, dass ein Grundstückseigentümer höchstens fünfmal im Kalenderjahr mit seinem Holzkohlegrill auf seiner Terrasse oder der zum Sondernutzungsrecht gehörenden Rasenfläche grillen darf. Der Nachbar muss 24 Stunden vorher benachrichtigt werden (AG Halle, Urteil v. 11.12.2012, 10 C 1126/12).
AG Westerstede: Höchstens 2-mal Grillen pro Monat
Das AG Westerstede hat entschieden, dass ein Grundstückseigentümer seinen Grillkamin an der Grundstücksgrenze zum Nachbarn nur höchstens 2-mal im Monat benutzen darf. Darüber hinaus beschränkte es die Nutzung auf maximal 10 Mal im Kalenderjahr. Das begründete das Gericht damit, dass der Nachbar erheblich durch den starken Qualm mit Grillgeruch belästigt wird. Dies kam dadurch, weil dessen Schlafzimmerfenster nur 9 Meter vom Grillkamin entfernt war (AG Westerstede, Beschluss v. 30.06.2009, 22 C 614/09).
BayObLG: Maximal 5-mal Grillen im Jahr
Das Bayerische Oberste Landesgericht befand, dass eine Wohnungseigentümerin nicht mehr als 5-mal im Jahr im Garten als ihrer Sondernutzungsfläche mit ihrem Holzkohlegrill im Abstand von etwa 25 Meter vom Nachbarn grillen durfte. Begründet wurde das Urteil damit, dass beim Grillen mit Holzkohle Rauch und beißende Gerüche entstehen. Beides könne zu Beeinträchtigungen anderer Wohnungseigentümer führen, die das unvermeidbare Maß übersteigen. Das Gericht ließ ausdrücklich mangels Relevanz ausdrücklich dahingestellt, wie die Situation bei einem Elektrogrill aussehen würde (BayObLG, Beschluss vom 18.03.1999, 2Z BR 6/99).
Holzkohlegrill ist bedenklicher als Elektrogrill
Dass die Gerichte in den genannten Beispielen strenger waren, dürfte damit zusammenhängen, dass es sich im Gegensatz zum besprochenen Urteil des LG München I v. 01.03.2023, 1 S 7620/22 WEG um Holzkohlegrills handelte, die für die betroffenen Nachbarn eine größere Belastung darstellen als ein Elektrogrill.
Was unter Mietern gilt
Es ist davon auszugehen, dass bei einem Streit unter Mietern vergleichsbare Maßstäbe gelten, wann ein Anspruch auf Unterlassung nach § 1004 Abs. 1 BGB, § 906 BGB besteht (vgl. Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl. 2021, § 541 BGB Rd. 142, der auf einschlägige Entscheidungen im WEG-Recht verweist).
Praxistipps:
Praxistipp 1: WEG Beschluss zur Häufigkeit des GrillensUm Streitigkeiten zu vermeiden, sollte die Eigentümerversammlung einen Beschluss fassen, wann das Grillen erlaubt ist. Für diese Möglichkeit spricht sich auch das LG München I aus (vgl. LG München I, Urteil v. 01.03.2023, 1 S 7620/22 WEG Rd. 1.2.2.1). Allerdings sollte das Grillen dort nicht uneingeschränkt erlaubt sein. Dass ein solcher Freibrief rechtlich bedenklich wäre, ergibt sich aus einem Beschluss des LG Düsseldorf vom 09.11.1990, 25 T 435/90). Hier kommt ein Verstoß gegen § 13 WEG, § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG (aktuelle Fassung) in Betracht. |
Praxistipp 2: Grillen auf offener Flamme untersagenDarüber hinaus ist aufgrund der damit empfundenen Geruchsbelästigung und des Brandschutzes erwägenswert, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft durch mehrheitlichen Beschluss das Grillen auf offener Flamme in der Anlage verbietet. Das LG München hat entschieden, dass ein solches Verbot rechtmäßig ist (LG München I, Urteil v. 10.01.2013, 36 S 8058/12 WEG). Bei Mietern empfehlen sich entsprechende Regelungen durch den Vermieter in der Hausordnung. |
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