Gemeinschaftseigentum: Dachsanierung trotz Sondereigentum

Das Dach eines nachträglichen Anbaus an ein WEG-Gebäude gehört auch dann zum Gemeinschaftseigentum, wenn alle darunter liegenden Räume zu derselben Sondereigentumseinheit gehören.

Diese Rechtsauffassung hat das Landgericht (LG) Karlsruhe in einem Hinweisbeschluss im Rahmen eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit eines WEG-Beschlusses zur Sanierung eines Außendaches über einer Sondereigentumseinheit vertreten.

Dachsanierung in WEG-Beschluss abgelehnt

Gegenstand des vor dem LG Karlsruhe anhängigen Rechtsstreits war u.a. die Wirksamkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung über die Instandsetzung eines Daches über einer im Objekt befindlichen Gaststättenküche. Die Instandsetzung des nach übereinstimmender Meinung der Eigentümer sanierungsbedürftigen Flachdaches wurde von der Mehrheit der Eigentümer abgelehnt mit dem Argument, das Dach befinde sich ausschließlich über einem von einem der Eigentümer nachträglich angefügten Anbau. In dem Anbau befinde sich ausschließlich eine Restaurantküche, die zum Sondereigentum des Klägers gehöre. Das darüber befindliche Flachdach diene ausschließlich diesem Sondereigentum, so dass die Kosten einer Sanierung nicht von der Gemeinschaft zu tragen seien.

Nichtigkeitsklage gegen den ablehnenden Sanierungsbeschluss

Das AG hatte der Klage des betroffenen Sondereigentümers auf Ungültigerklärung des Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft, mit dem die Sanierung des Daches abgelehnt wurde, in erster Instanz in vollem Umfang stattgegeben. In zweiter Instanz hat das LG in einem ausführlichen Beschluss ausgeführt, dass es die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückweisen werde.

WEG-Beschlüsse müssen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen

Der in der Eigentümerversammlung gefasste Beschluss zur Ablehnung der Dachsanierung widerspricht nach Auffassung der Kammer des Berufungsgerichts einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Ein WEG-Beschluss widerspreche nach ständiger Rechtsprechung immer dann den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn

  • der von einem Wohnungseigentümer geltend gemachte Anspruch auf Einleitung einer bestimmten Maßnahme ohne jeden vernünftigen Zweifel gegeben ist,
  • sich das Entscheidungsermessen der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Null reduziert hat und
  • jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre (BGH, Urteil v. 2.10.2015, V ZR 5/15).

Dachsanierung im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung dringend erforderlich

Im konkreten Fall ging das LG von einer solchen Ermessensreduzierung aus. Die abgelehnte Sanierung des Daches über dem Anbau sei nach einhelliger Meinung auch der übrigen Wohnungseigentümer dringend erforderlich und stelle daher eine notwendige Instandsetzungsmaßnahme dar. Die Ablehnung einer notwendigen Instandsetzung des Daches beinhalte die Gefahr nicht unerheblicher Folgeschäden einschließlich der Einschränkung der Nutzung der unter dem Dach gelegenen Räumlichkeiten. Damit stehe die Unterlassung der notwendigen Instandsetzung in Widerspruch zu den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung gemäß § 18 Abs. 2 WEG.

Dach über nachträglichem Anbau ist nicht sondereigentumsfähig

Das LG ließ keinen Zweifel daran, dass das Dach über dem nachträglich angebrachten Anbau Teil des Gemeinschaftseigentums ist. Die konstruktiven Bestandteile eines Gebäudes wie tragende Mauern, Fundament, Fassade und das Dach seien nicht sondereigentumsfähig. Dies gelte unabhängig davon, ob die unter dem Dach liegenden Räume ausschließlich dem Sondereigentum eines Eigentümers unterliegen. Unerheblich sei auch, ob die betreffenden Räumlichkeiten bei der ursprünglichen Errichtung des Objekts bereits vorhanden gewesen seien oder ob sie nachträglich angebaut wurden.

Sondereigentumsfähigkeit auch nicht durch Teilungserklärung

Nach Auffassung des LG kann auch dahinstehen, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, das Dach sei in der Teilungserklärung als Sondereigentum ausgewiesen. Auch eine Teilungserklärung könne nicht sondereigentumsfähige Gebäudeteile nicht zum Sondereigentum erklären. Eine solche Sondereigentumsregelung sei auch in einer Teilungserklärung nichtig. Das LG ließ die bisher rechtlich nicht geklärte Frage ausdrücklich offen, ob ein Gebäudebestandteil ausnahmsweise sondereigentumsfähig sein kann, wenn die mit dem Gegenstand des Sondereigentums verbundene Grundstücksfläche ebenfalls im Sondereigentum steht. Zu einer solchen Annahme bot der Sachverhalt keine Anhaltspunkte.

Gericht darf nichtigen WEG-Beschluss ersetzen

Schließlich hatte die Vorinstanz nach Auffassung des LG den nichtigen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG auch zu Recht durch einen sogenannten Grundlagenbeschluss ersetzt. Das AG hatte angeordnet, dass eine Instandsetzung des Daches zu erfolgen hat, ohne detailliert die Art und Weise der Instandsetzung vorzugeben (LG Berlin, Urteil v. 20.8.2019, 55 S 99/18; LG München, Urteil v. 8.12.2022, 36 S 3944/22 WEG). Im Falle einer Beschlussersetzung dürfe das Gericht die Konkretisierung wie die Auswahl eines Fachunternehmens oder die Finanzierung der Maßnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft überlassen

(LG Karlsruhe, Beschluss v. 18.3.2024, 11 S 53/22)