Betriebskostenabrechnung: Einsicht bei weit entferntem Vermieter?
Nachdem die Mieter einer Wohnung in Hamburg gestorben waren, kündigte die Tochter als Erbin den Mietvertrag ihrer Eltern und verklagte den Vermieter auf Rückzahlung der Kaution.
Hiermit war der Vermieter nicht einverstanden und rechnete im Rahmen der Klageerwiderung mit einem angeblich bestehenden Anspruch aus einer Betriebskostenabrechnung auf.
Hiergegen wendete sich die Tochter. Sie forderte den Vermieter dazu auf, dass er ihr Einsicht in die Originalabrechnungsbelege gewährt und machte hinsichtlich der geforderten Nachzahlung der angeblichen Betriebskosten ein Zurückbehaltungsrecht geltend.
Was das Gericht entschieden hat
Das Amtsgericht Hamburg entschied, dass die Tochter einen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution hat (AG Hamburg Urteil v. 11.7.2024, 49 C 410/23).
Zurückbehaltungsrecht wegen Versagung der Einsicht
Das begründete das Gericht damit, dass der Vermieter keinen aufrechenbaren Gegenanspruch aus der Nebenkostenabrechnung hat, weil die Tochter der verstorbenen Mieter ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB wegen der Nichtgewährung der Einsichtnahme in die Belege der Nebenkostenabrechnung zusteht. Hierzu ist der Vermieter nach § 556 BGB, § 259 Abs. 1 BGB verpflichtet.
Belegeinsicht: Fahrt von Hamburg nach Leipzig ist für Mieter unzumutbar
Laut AG Hamburg ist sie nicht verpflichtet, zur Einsichtnahme zum Vermieter nach Leipzig zu fahren. Vielmehr müsse er dafür Sorge tragen, dass sie im Büro des Vermieters in Hamburg Einsicht in die Belege nehmen kann. Das Gericht verwies darauf, dass ein Mieter nicht verpflichtet sei, für die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen eine mehrstündige Fahrt auf sich zu nehmen.
Rechtskraft der Entscheidung
Das Urteil des AG Hamburg ist mittlerweile rechtskräftig.
Einordnung dieser Entscheidung
Diese Entscheidung steht im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung, wonach der Vermieter normalerweise dem Mieter die Einsichtnahme in die Original-Abrechnungsunterlagen nur an seinem Ort ermöglichen muss. Anders ist das dann, soweit dies für auswärtige Mieter ausnahmsweise unzumutbar ist.
LG Freiburg: Über 400 km Fahrt ist für Belegeinsicht unzumutbar
Hiervon ist etwa das Landgericht Freiburg (Breisgau) in einem Fall ausgegangen, in dem ein Mieter von seiner Mietwohnung in Freiburg über 400 km zum Sitz des Vermieters in Bochum hätte fahren müssen. Das Gericht entschied, dass der Vermieter den Anspruch des Vermieters auf Einsicht in die Belege seiner Nebenkostenabrechnung in Freiburg als Ort des Mietobjektes erfüllen muss. Der Vermieter konnte sich nach Ansicht der Richter sich insbesondere deshalb nicht darauf berufen, dass das für ihn unzumutbar sei, weil er die Einsichtnahme in den Räumlichkeiten der Hausverwaltung in Freiburg ermöglichen konnte. Diese Entscheidung ist mittlerweile ebenfalls rechtskräftig.
(LG Freiburg Urteil v. 24.03.2011, 3 S 348/10)
LG Münster: Fahrt von 30 km ist für Mieter zumutbar
Demgegenüber führte das Landgericht Münster im Rahmen eines Hinweisbeschlusses aus, dass eine Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen bei einem auswärtigen Vermieter zulässig ist, wenn die Entfernung 30 km beträgt und der Mieter durch einen Mieterschutzverein vertreten wird.
(LG Münster Beschluss v. 25.11.2010, 3 S 160/10).
AG Dortmund: Kurze Fahrt kann ausnahmsweise zu weit sein
Anders sah dies ´das Amtsgericht Dortmund in einem Fall, in dem die Entfernung zum auswärtigen Sitz des Vermieters in Bochum lediglich 16 km betragen hatte. Das Gericht sah diese Entfernung zur Einsicht in die Abrechnungsunterlage in die benachbarte Stadt aufgrund der Besonderheit als unzumutbar an, weil der Vermieter in der großen Wohnanlage mit über 100 Wohnungen über ein Stadtteilbüro mit einer Mietersprechstunde verfügte.
(AG Dortmund Urteil v. 3.2.2015, 423 C 8722/14).
Fazit:
Das zeigt, dass den Umständen des jeweiligen Einzelfalls bei der Beurteilung eine erhebliche Rolle beikommt. Auswärtige Vermieter sollten ihren Mietern die Zusendung von Belegkopien zwecks Prüfung der Betriebskostenabrechnung anbieten, wenn ihre Wohnung mindestens 50 km weit weg liegt.
(AG Hamburg Urteil v. 11.7.2024, 49 C 410/23)
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