Kein Hausabriss - BGH zu Verwendungsbegriff

Die gutgläubigen Besitzer eines Grundstücks müssen das darauf neugebaute Haus nicht abreißen, so der Bundesgerichtshof (BGH). Der rechtmäßige Eigentümer kann aber die Räumung verlangen – wenn er die Baukosten zahlt. Über die Höhe der Erstattung soll jetzt die Vorinstanz entscheiden.

Der Rechtsstreit um Haus und Grundstück muss noch einmal vor dem Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg verhandelt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob ein früheres Urteil auf und verwies die Sache insgesamt zurück zur neuen Verhandlung und Entscheidung – unter anderem habe das OLG die beklagte Familie zu Unrecht zum Abriss des Einfamilienhauses verurteilt, so der BGH.

Der Kläger habe zwar als rechtmäßiger Eigentümer – wie vom OLG angenommen – Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs und auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks, entschied der Karlsruher Senat. Das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten für den Hausbau habe die Vorinstanz aber zu Unrecht verneint. Die Eheleute müssten das Grundstück nur räumen, wenn der klagende Eigentümer ihnen für das Haus sogenannten Verwendungsersatz zahlt.

Aufhebung Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren

Die betroffenen Eheleute W. hatten das Grundstück im brandenburgischen Rangsdorf südlich von Berlin bei einer Zwangsversteigerung erworben. Nachdem sie darauf ein Haus gebaut und mit zwei Kindern eingezogen waren, meldete sich der ursprüngliche Eigentümer des Grundstücks – er hatte erst nach dem Zuschlag von der Zwangsversteigerung erfahren – und forderte das Grundstück zurück.

Der Kläger war seit 1993 als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Ab 2008 wurde die Zwangsversteigerung betrieben. Im Jahr 2010 erhielt die Beklagte zu 1) den Zuschlag für das Grundstück und wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Mit dem Beklagten zu 2), dem Ehemann, ließ sie ein Wochenendhaus auf dem Grundstück abreißen und ein neues Wohnhaus bauen, das die Beklagten seit 2012 bewohnen. Zur Sicherung der für den Hausbau aufgenommenen Kredite wurde das Grundstück mit einer Grundschuld über 280.000 Euro neben Zinsen belastet.

OLG Brandenburg: Familie zu Hausabriss verurteilt

Der Eigentümer zog gegen die Familie vor Gericht. Die Versteigerung sei nicht rechtens gewesen, entschied im Jahr 2014 das Landgericht (LG) Potsdam: Das Amtsgericht (AG) Luckenwalde habe vorher nicht ausreichend nach dem ursprünglichen Eigentümer gesucht. Der Zuschlagsbeschluss wurde wieder aufgehoben. Das OLG Brandenburg verurteilte die Beklagten daraufhin im Juni 2023 dazu, innerhalb eines Jahres ihr Haus abzureißen und das Grundstück zu räumen. Zudem sollte sie die Grundschuld für die Baukosten löschen und dem Eigentümer rund 6.000 Euro für die Nutzung des Grundstücks zahlen. Die Eheleute legten Revision beim BGH ein – mit einem Teilerfolg.

BGH: Zurückbehaltungsrecht der Beklagten

Der Bundesgerichtshof hat der Revision der Beklagten stattgegeben und die Sache insgesamt zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die Begründung:

Im Ausgangspunkt trifft laut BGH die Annahme des OLG zu, dass dem Kläger ein Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs (§ 894 BGB) sowie auf Räumung (§ 1004 Abs. 1 BGB) und Herausgabe des Grundstücks (§ 985 BGB) zusteht. Er hat sein Eigentum durch den im Zwangsversteigerungsverfahren erteilten Zuschlag nicht verloren.

Zwar führt der Zuschlag gemäß § 90 Abs. 1 ZVG zu einem originären Eigentumserwerb des Erstehers, hier der Beklagten zu 1). Wird der Zuschlagsbeschluss aber im Beschwerdewege rechtskräftig aufgehoben, verliert der Ersteher das Eigentum rückwirkend zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Zuschlagsbeschlusses wieder an den Schuldner, hier den Kläger; dessen Eigentum lebt wieder auf.

Da ein Beschluss, mit dem ein Zuschlag aufgehoben wird, ebenso wie ein Urteil der materiellen Rechtskraft fähig ist, kommt es auf dessen Rechtmäßigkeit nicht an. Entsprechende Einwendungen können nur im Zusammenhang mit insoweit eröffneten Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen gegen den Aufhebungsbeschluss geltend gemacht werden, nicht aber in einem späteren Verfahren, in dem – wie hier – die rechtskräftige Entscheidung Vorfrage ist.

Abwendung des BGH von engem Verwendungsbegriff

Beanstandet hat der BGH aber, dass ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen der behaupteten Verwendungen für den Hausbau verneint worden ist. Durch die Zubilligung des Zurückbehaltungsrechts aufgrund der Verwendungen, gibt der BGH seinen bisher vertretenen engen Verwendungsbegriff auf und schließt sich dem in großen Teilen der Literatur gefolgten weiten Verwendungsbegriff an. 

Demnach sind für den Hausbau getätigte Aufwendungen auch dann ersatzfähige Verwendungen im Sinne von § 996 BGB, wenn sie die Sache grundlegend verändern. Nach Auffassung des BGH, werden so widerstreitende Interessen von Eigentümer und gutgläubigem Besitzer in Ausgleich gebracht. 

Räumung nur Zug um Zug gegen Verwendungsersatz

Das Zurückbehaltungsrecht hat zur Folge, dass die Grundbuchberichtigung sowie die Räumung und Herausgabe des Grundstücks nur Zug um Zug gegen Zahlung von Verwendungsersatz erfolgen müssen. Als rechtsfehlerhaft wurde auch die Verurteilung der Beklagten zum Abriss des Hauses und zur Löschung der Grundschuld angesehen.


(BGH, Urteil v. 14.3.2025 – V ZR 153/23)

Vorinstanzen

(LG Potsdam, Urteil v. 5.6.2020 – 1 O 330/14)
(OLG Brandenburg, Urteil v. 29.6.2023 – 5 U 81/20)