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Darüber hinaus kann der Räumungsschuldner nach Maßgabe des § 765a ZPO die Aufhebung, Untersagung oder einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung verlangen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeuten würde, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Erforderlich ist immer eine Interessenabwägung zwischen den Belangen des Gläubigers und den schutzwürdigen Belangen des Schuldners. Räumungsschutz kommt namentlich dann in Betracht, wenn lediglich ein kurzfristiger Aufschub benötigt wird: bis zum Bezug einer anderen Wohnung oder aus gesundheitlichen Gründen, bei Schwangerschaft, bevorstehender Entbindung o.Ä. § 765a ZPO gilt zwar grundsätzlich neben den übrigen vollstreckungsrechtlichen Schutzvorschriften, aber die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach dieser Vorschrift kommt nur dann in Betracht, wenn andere Schutzvorschriften nicht zur Anwendung kommen oder erschöpft sind. Dieser Vorrang gilt auch dann, wenn die Vollstreckung das Leben des Schuldners gefährden würde. Regelmäßig kommt im Rahmen des § 765a ZPO nur eine vorübergehende Einstellung der Räumungsvollstreckung in Betracht, da andernfalls das Recht des Gläubigers, der ja einen titulierten Räumungsanspruch hat, faktisch ausgehöhlt würde und eine so weit gehende Einschränkung der Gläubigerrechte auch unter Schuldnerschutzgesichtspunkten nicht gerechtfertigt ist. Lediglich in eng begrenzten Einzelfällen – insbesondere bei hochbetagten Personen – kommt eine dauernde Einstellung der Zwangsvollstreckung in Betracht. In mehreren Entscheidungen des BVerfG und des BGH wurde thematisiert, unter welchen Umständen im Einzelfall das Gläubigerinteresse hinter der Rücksichtnahme auf Leben und Gesundheit des Räumungsschuldners zurücktreten muss. Es geht hier also um einen Konflikt zwischen dem Art. 14 GG und Art. 19 Abs. 4 GG zuzuordnenden Interesse des Gläubigers, seinen Anspruch möglichst schnell durchzusetzen und dem durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Recht des Räumungsschuldners auf körperliche Unversehrtheit. Ist der Schuldner und Suizidgefährdete in der Lage, die Selbsttötungsgefahr durch die Inanspruchnahme fachlicher Hilfe, ggf. auch durch einen stationären Aufenthalt in einer Klinik, auszuschließen oder zu verringern, so muss dies auch von ihm erwartet werden. Dem Schuldner ist es zuzumuten, auf die Verbesserung seines Gesundheitszustandes hinzuwirken und den Stand seiner Behandlung nachzuweisen. Kann der Suizidgefahr des Schuldners auf diese Weise entgegengewirkt werden, scheidet die Einstellung aus. Steht es jedoch fest oder ist voraussichtlich davon auszugehen, dass die Anordnung der Unterbringung des Schuldners zu einer bloßen Verwahrung auf Dauer führt, ist eine Freiheitsentziehung zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung unverhältnismäßig und das Verfahren einzustellen. Das Grundrecht des Schuldners auf Freiheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG überwiegt. Das Vollstreckungsgericht muss durch ggf. entsprechende Auflagen auf den Schuldner konkret einwirken. Hierzu muss das Vollstreckungsgericht in geeigneten Fällen durch die dazu berufenen Behörden und bei dem zuständigen Betreuungsgericht Betreuungs- und Schutzmaßnahmen zugunsten des Suizidgefährdeten anregen bzw. veranlassen. Dies folge aus der Pflicht des Gerichtes auch dem Gläubiger zu seinem Recht zu verhelfen. Problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass selbst ein Sachverständiger vielfach nicht sicher feststellen kann, ob der jeweilige Betroffene wirklich suizidgefährdet ist oder die Suizidgefahr nur manipulativ vorgetäuscht wird. Man sollte aufgrund dieser Gefahren stets auch das berechtigte Interesse des Gläubigers im Blick haben. Das Vollstreckungsgericht hat selbst zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer ... |