Rz. 972
Nimmt ein Anspruchsteller oder Anspruchsgegner mit der anderen Partei unmittelbar Kontakt auf, obwohl sich für diese ein Anwalt bestellt hat, der namens seiner Partei um ausschließliche Korrespondenz mit ihm bittet, ist diese unmittelbare Kontaktaufnahme "von Partei zu Partei" in aller Regel rechtmäßig. Die anwaltlich vertretene Partei ist durch den Empfang der außergerichtlichen Korrespondenz vergleichsweise geringfügig beeinträchtigt; es ist ihr zumutbar, nicht gewünschte Schreiben an ihren Rechtsanwalt weiterzuleiten.
Rz. 973
Eine ganz andere – allerdings nicht rechtlich zu beurteilende – Frage ist, ob eine unmittelbare Auseinandersetzung sinnvoll erscheint.
Rz. 974
Weder aus § 172 ZPO noch aus § 12 BORA lässt sich eine Verpflichtung des in Anspruch genommenen Ersatzpflichtigen herleiten, eine unmittelbare Kontaktaufnahme zum anwaltlich vertretenen Anspruchsteller zu unterlassen. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut und Sinn ist § 172 Abs. 1 ZPO nur auf ein bereits anhängiges gerichtliches Verfahren bezogen und sagt nichts über die Frage des richtigen Zustellungsadressaten bei außergerichtlichen Streitigkeiten aus. § 12 BORA verbietet es zwar einem Rechtsanwalt grundsätzlich, ohne Einwilligung des gegnerischen Rechtsanwalts mit dessen Mandanten unmittelbar Verbindung aufzunehmen oder zu verhandeln. Diese berufsrechtliche Vorschrift verpflichtet nur die beteiligten Rechtsanwälte, nicht jedoch die von ihnen vertretenen Mandanten. Auch §§ 1004 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG geben dem Anwalt unter dem Aspekt des Persönlichkeitsschutzes keinen Anspruch auf Unterlassen der unmittelbaren Kontaktaufnahme.