Dr. Dietmar Kurze, Désirée Goertz
A. Einführung
Rz. 1
Nach einem Erbfall stellen sich nicht nur erbrechtliche Fragen, sondern auch solche aus dem Bestattungsrecht. Das Bestattungsrecht gehört sicher nicht zum "Standard-Programm" an den Universitäten und auch in der späteren anwaltlichen Aus- und Fortbildung des Erbrechtlers ist es eher ein Randthema. Dies ändert aber nichts an der Situation des Mandanten – es handelt sich um eine hochemotionale Materie, mit der er seinen Rechtsanwalt entsprechend beschäftigen wird.
Die Probleme sind sehr unterschiedlicher Natur. Wer muss wie viel bezahlen? Wer darf über die Art und Weise oder den Ort der Bestattung bestimmen? Wer sorgt für die Bestattung, wenn es sonst keiner übernimmt? Welche Auswirkungen haben zerrüttete Familienverhältnisse? Warum genehmigt die Friedhofsverwaltung den Grabstein nicht?
Auch vor dem Erbfall, bei der Gestaltung von Testamenten und Erbverträgen, tauchen erfahrungsgemäß bestattungsrechtliche Fragen auf: Welche Bestattungsformen sind zulässig und darf die Urne mit der Asche auch in Deutschland auf dem Kaminsims stehen? Dies sind nur einige Beispiele, mit denen der Mandant und sein Berater konfrontiert werden können.
Da das Bestattungsrecht sowohl zivil- als auch öffentlich-rechtliche Materie ist, erschließt sich die Systematik nicht auf den ersten Blick. Daher beginnt dieses Kapitel mit einer Darstellung der Gesetzesquellen.
B. Gesetzessystematik und Begriffsbestimmung
I. Gesetzessystematik
Rz. 2
Das kodifizierte Bestattungsrecht ist überwiegend Landesrecht. Dies liegt an der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung – die Materie ist nicht ausdrücklich dem Bund zugewiesen. Eine Ausnahme enthält in Art. 74 Abs. 1 Nr. 10 GG (konkurrierende Gesetzgebung). Aufgrund dieser Bestimmung hat der Bund das "Gräbergesetz" und zugehörige Verwaltungsvorschriften erlassen.
Bundesrechtliche Gesetze enthalten außerdem vereinzelt Bestimmungen, so bspw. das Infektionsschutzgesetz, die Strafprozessordnung oder das Personenstandsgesetz. Das BGB enthält nur in § 1968 eine Vorschrift für Beerdigungskosten.
Rz. 3
International kann vor allem auf das Internationale Abkommen über Leichenbeförderung von 1937 ("Berliner Abkommen") zurückgegriffen werden. Dort ist auch der so genannte "Leichenpass" geregelt. Für Europa gibt es speziell das Europäische Übereinkommen über die Leichenbeförderung ("Straßburger Abkommen"), was jedoch von Deutschland nicht ratifiziert wurde.
Rz. 4
Alle Bundesländer haben eigene Regelungen zu den bestattungsrechtlichen Themen erlassen. Friedhöfe regeln ihre Nutzung häufig durch Satzungen; Ermächtigungen hierzu sind in den landesrechtlichen Regelungen enthalten.
II. Begriffsbestimmungen
Rz. 5
Im Bestattungsrecht gibt es diverse Rechtspositionen, die unterschiedlichen Personen Kompetenzen verleihen. Sie können aber auch bei einer Person konzentriert sein. Nachfolgend werden der Nutzungsberechtigte, der Totenfürsorgeberechtigte und der Bestattungspflichtige vorgestellt.
1. Nutzungsrecht, Nutzungsberechtigter
Rz. 6
Der Nutzungsberechtigte ist in der Regel diejenige Person, die den Nutzungsvertrag mit der Friedhofsverwaltung abschließt und damit für die ordnungsgemäße Grabpflege u.Ä. haftet. Das Nutzungsrecht wird einer lebenden Person verliehen – war diese der Erblasser (z.B. für das Grab seiner Eltern), geht dessen Nutzungsrecht auf den Nachfolger über. Regelungen bezüglich der Nachfolge sind zumeist in der örtlichen Friedhofssatzung enthalten.
2. Totenfürsorge
Rz. 7
Unter Totenfürsorge wird gemeinhin das Recht verstanden, über den Leichnam und die Bestattung zu bestimmen sowie die letzte Ruhestätte auszuwählen. Bedauerlicherweise ist dieses Recht nicht gesetzlich geregelt. Nach überwiegend und auch hier vertretener Auffassung handelt es sich um ein privates Recht. Der BGH hat auch eine Pflicht zur Totenfürsorge angenommen. Diese wird hier abgelehnt. Eine zivilrechtliche Pflicht muss gegenüber einer Person bestehen. Der Betroffene ist verstorben, und wer soll nach ihm Berechtigter sein? Mit dem BGH eine GoA zuzulassen, die nur auf einer Pflicht beruht, erscheint zweifelhaft. Es sollte bei der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht bleiben.
Rz. 8
Zu beachten ist der Wille des Verstorbenen. Der Erblasser kann für seine Bestattung Anweisungen treffen und den Totenfürsorgeberechtigten auswählen. Formvorgaben existieren nicht. Zu Beweiszwecken und zur Vermeidung von Streitigkeiten um die Art und Weise der Beisetzung und sogar Umbettungen ist aber zur Schriftform zu raten. Bestimmungen im Testament sind unpraktisch, da dieses häufig erst nach der Bestattung und damit zu spät eröffnet wird. Hat der Verstorbene aber keine direkte, konkludente oder durch Auslegung zu ermittelnde Bestimmung getroffen, sind in der Regel die nächsten Angehörigen die Totenfürsorgeberechtigten. Der Erbe ist nicht als solcher totenfürsorgeberechtigt; häufig wird es sich aber um ein...