Für die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG anzusetzende Nutzungsdauer "kann" für die in Rn. 2 ff. des BMF-Schreibens aufgeführten materiellen Wirtschaftsgüter "Computerhardware" sowie die in Rn. 5 näher bezeichneten immateriellen Wirtschaftsgüter "Betriebs- und Anwendersoftware" eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden.
Das BMF stellt klar, dass die betroffenen Wirtschaftsgüter weiterhin § 7 Abs. 1 EStG (also der AfA) unterliegen. Die "Möglichkeit", eine kürzere betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zugrunde zu legen, stellt keine besondere Form der Abschreibung, keine neue Abschreibungsmethode und keine Sofortabschreibung dar; bei der Anwendung der kürzeren Nutzungsdauer handelt sich zudem nicht um ein Wahlrecht i. S. d. § 5 Abs. 1 EStG.
Auch bei angenommener Nutzungsdauer von einem Jahr beginnt die Abschreibung im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung. Die Wirtschaftsgüter müssen in das nach R 5.4 EStR 2012 zu führende Bestandsverzeichnis aufgenommen werden. Der Steuerpflichtige kann von der "Annahme" der einjährigen Nutzungsdauer abweichen und andere steuerlich zulässige Abschreibungsmethoden anwenden.
Es wird nicht beanstandet, wenn abweichend von § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG (Zeitanteilige AfA) die Abschreibung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe vorgenommen wird.
Bei der einjährigen Nutzungsdauer handelt es sich um eine Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung, bei der von einer typisierten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von einem Jahr bei den im BMF-Schreiben genannten "digitalen Wirtschaftsgütern" ausgegangen wird. Die grundsätzlich anzunehmende betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr ersetzt für die materielle Computerhardware die frühere typisierte Nutzungsdauerfiktion von 3 Jahren sowie für Aufwendungen zur Einführung eines betriebswirtschaftlichen Softwaresystems (ERP-Software) die frühere typisierte Nutzungsdauerfiktion von 5 Jahren, da diese Verwaltungsregelungen mit dem BMF-Schreiben vom 22.2.2022 aufgehoben wurden und nur noch Anwendung finden für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1.1.2021 enden. Insoweit soll es sich bei dem BMF-Schreiben vom 22.2.2022 um eine Aktualisierung bestehender AfA-Tabellen handeln.
Unterjährig angeschaffter PC
Gewerbetreibender A erwarb Anfang April 2025 einen PC für 1.500 EUR. Die Anschaffungskosten müssen nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG in Höhe von 9/12 (1.125 EUR) auf 2025 und 3/12 (375 EUR) auf das Jahr 2026 verteilt werden. Verwaltungsseitig wird nicht beanstandet, wenn die Anschaffungskosten von 1.500 EUR in voller Höhe im Jahr der Anschaffung (2025) im Wege der AfA abgesetzt werden.
Kein kurzlebiges Wirtschaftsgut trotz nur einjähriger Nutzungsdauer
Die Auffassung der Finanzverwaltung, dass bei einer grundsätzlich anzunehmenden Nutzungsdauer von einem Jahr die AfA-Vorschriften anwendbar sind, erstaunt. Denn nach der Rechtsprechung des BFH sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts nur dann nach § 7 EStG zu verteilen, wenn die gesamte Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts einen Jahreszeitraum i. S. eines Zeitraums von mehr als 365 Tagen überschreitet. Derartige kurzlebige Wirtschaftsgüter unterliegen nicht der AfA, sondern stellen in voller Höhe sofort abziehbare Betriebsausgaben. dar. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von kurzlebigen Wirtschaftsgütern sind auch dann in voller Höhe im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung abzuziehen, wenn sie in der 2. Hälfte des Wirtschaftsjahrs angeschafft oder hergestellt werden und ihre Nutzungsdauer über den Bilanzstichtag hinausreicht.
In der Literatur wird aufgrund dieser BFH-Rechtsprechung zum Teil die Auffassung vertreten, es handele sich insoweit um kurzlebige Wirtschaftsgüter, sodass die AfA-Vorschriften nicht anwendbar seien. Das BMF hat jedoch in seinem Schreiben an die Wirtschaftsverbände klargestellt, dass es nicht beabsichtigt war, die Wirtschaftsgüter zu "kurzlebigen Vermögensgegenständen" umzuqualifizieren.