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BFH Beschluss vom 17.02.1970 - II B 48/69

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Leitsatz (amtlich)

1. Kommt einer Rechtsfrage, die höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist, grundsätzliche Bedeutung zu, so fordert § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht, daß dies ausdrücklich in der Beschwerdeschrift gesagt wird; Darlegungen, aus denen auf die grundsätzliche Bedeutung geschlossen werden muß, genügen.

2. Wenn der Kauf einer Eigentumswohnung dem Kauf der von der Wohnungsbaugesellschaft erstellten Garage nachfolgt, so stellt sich die Rechtsfrage, ob nicht je nach der Auslegung, die dem ersten Vertrag zu geben ist (§ 157 BGB), beide Verträge vom Abschluß des zweiten Vertrages an und nach dessen Maßgabe als ein einheitliches Vertragswerk anzusehen sind (§§ 139 und 154 BGB).

 

Normenkette

Nordrhein-westfälisches Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau i.d.F. vom 19. Juni 1968 (GVBl 282) § 1 Nr. 5; FGO § 115 Abs. 3 S. 3; BGB §§ 139, 154, 157

 

Tatbestand

Mit Urteil vom 29. Mai 1969, das am 26. Juni 1969 mit Postzustellungsurkunde (PZU) zugestellt wurde, hat das FG Düsseldorf die Klage der Beschwerdeführer und Kläger abgewiesen, mit der Steuerbefreiung gemäß § 1 Nr. 5 des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (GrEStWG) i. d. F. vom 19. Juni 1958 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1958 S. 282 - GVBl 1958, 282 -, BStBl II, 105) auf Grund des Art. 5 des Gesetzes vom 3. Juni 1958 zur Änderung und Ergänzung des GrEStWG vom 4. März 1952 (GVBl 221, BStBl II, 103, in Kraft ab 7. Juni 1958) wegen des Erwerbs einer Garagenparzelle begehrt worden war.

Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zugelassen.

Gegen das Urteil haben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 9. Juli 1969 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und wie folgt begründet:

Das FG gehe in seiner Urteilsbegründung davon aus, daß der Kaufvertrag über das Garagengrundstück am 14. April 1966 wirksam abgeschlossen worden sei, ohne daß ein Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung vorgelegen habe, welch letzterer mit der Baugesellschaft erst am 14. September 1967 abgeschlossen worden sei. Hierzu sei im einzelnen dargelegt worden, weshalb es nicht zum Abschluß eines Kaufvertrags gleichzeitig über Eigentumswohnung und Garagengrundstück gekommen sei; mit einem Zeitraum von 17 Monaten zwischen beiden Vertragsabschlüssen sei der sachliche und zeitliche Zusammenhang gewahrt.

Der Beschwerdegegner und Beklagte widerspricht der Zulassung, da die Beschwerdeführer weder gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargelegt hätten, daß der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukomme, noch daß das Urteil des FG von einer Entscheidung des BFH abweiche und auf dieser Abweichung beruhe, noch daß die angefochtene Entscheidung bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel auf diesem beruhe. Es handele sich um einen Einzelfall, nämlich den ersten bekanntgewordenen Kauf, bei dem die Garage zeitlich vor der Eigentumswohnung erworben sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet.

Die Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdeführer haben zwar eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht ausdrücklich behauptet, wohl aber im Sinne des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt. Denn wenn die Frage, ob der Vorerwerb einer Garage eineinhalb Jahre vor dem steuerbefreiten Erwerb einer Eigentumswohnung (§ 1 Nr. 5 GrEStWG vom 19. Juni 1958), zu der sie gehört, von der Steuerbefreiung der Eigentumswohung ergriffen wird, zweifelhaft ist, so ist sie, da darüber bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist, offenbar von grundsätzlicher Bedeutung, auch wenn dies der erste dem Beklagten bekanntgewordene Fall einer ein Jahr übersteigenden Zeitdifferenz ist. Daß diese Selbstverständlichkeit in der Beschwerde ausdrücklich gesagt werde, fordert § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht; die Momente der Grundsätzlichkeit sind innerhalb der Beschwerdefrist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) dargelegt.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch begründet. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist anzunehmen oder zumindest nicht auszuschließen, daß die Garage mit der später erworbenen Eigentumswohnung eine wirtschaftliche Einheit bildet, und daß die Garage nur im Hinblick auf den bereits vorgesehenen Erwerb der Eigentumswohung erworben worden ist. In diesem Falle ist allerdings die Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) zunächst entstanden, da der Garagenkauf nicht aufschiebend bedingt war (§ 3 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 5 Buchst. a GrEStG) und der Tatbestand einer Befreiungsvorschrift noch nicht erfüllt war. Das schließt aber nicht aus, daß im Zeitpunkt der Entscheidung des FG, als die Eigentumswohnung bereits gekauft war, eine andere Beurteilung Platz greifen muß.

Wäre der Kauf der Eigentumswohnung nicht zustande gekommen, so wäre es - wie für diese Instanz zu unterstellen ist - auch nicht beim Kauf der Garage geblieben. Hier sind allerdings zwei verschiedene bürgerlich-rechtliche Würdigungen mit unterschiedlichen grunderwerbsteuerrechtlichen Konsequenzen möglich. Der Garagenkauf kann nach Treu und Glauben (§ 157 BGB) dahin ausgelegt werden, daß er für den Fall auflösend bedingt sei, daß der Kauf der Eigentumswohnung endgültig scheitere. Dann gälte § 4 Abs. 2 StAnpG und eine etwa zuvor eingetretene auflösende Bedingung wäre im Festsetzungsverfahren selbst zu berücksichtigen (arg. § 4 Abs. 2 Satz 1 StAnpG: "bei denen der Eintritt der Bedingung nicht berücksichtigt ist"), während der spätere Eintritt der Bedingung zur Zurücknahme und gegebenenfalls Erstattung führt (§ 4 Abs. 2 Satz 2 StAnpG). Bei anderer bürgerlich-rechtlicher Würdigung ist das spätere Zustandekommen des Kaufs der Eigentumswohnung Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) des Garagenkaufs, und dieser ist, falls der Kauf der Eigentumswohnung scheitert, deshalb aufzulösen, weil der mit der Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eingetreten ist (§ 812 Abs. 1 Satz 2 BGB). In diesem Fall würde § 17 GrEStG eingreifen. Dieser gehört zwar nicht zum Festsetzungsverfahren; trotzdem würde eine noch nicht geschehene Steuerfestsetzung unterbleiben, wenn zuvor die Voraussetzungen des § 17 GrEStG eingetreten wären.

Aus diesen hypothetischen Erwägungen ergibt sich die grundsätzliche Frage, ob dann, wenn - wie hier - der Kauf der Eigentumswohnung dem Kauf der Garage nachfolgt, nicht je nach der Auslegung, welche dem ersten Vertrag zu geben ist (§ 157 BGB), beide Verträge vom Abschluß des zweiten Vertrags an und nach dessen Maßgabe als ein einheitliches Vertragswerk anzusehen sind, für das § 139 BGB gleichermaßen gilt, wie wenn sie im Sinne des § 154 BGB einheitlich zustande gekommen wären. Dies vorausgesetzt wäre die grundsätzliche grunderwerbsteuerrechtliche Frage aufgeworfen, ob in einem solchen Falle die Befreiung des Erwerbs der Eigentumswohnung nicht rückwirkend auf den Erwerb der zu ihr gehörenden Garage erstreckt werden kann. Es ist nicht ohne weiteres zu ersehen, aus welchem Rechtsgrund eine solche Befreiung zwar an sich zulässig sein, aber nur dann Platz greifen sollte, wenn zwischen dem Kauf der Garage und dem förmlichen (§ 313 Satz 1 BGB) Kauf der Eigentumswohnung nicht mehr als ein Jahr liegt; eine andere Frage wäre, ob die für die Nachversteuerung geltenden Fristen (die hier nicht abgelaufen wären) sinngemäß einzusetzen wären.

Der Kauf der Eigentumswohnung ist am 14. September 1967 beurkundet worden, liegt also vor der Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 1967. Die Frage ist demnach, ob nicht bereits in der Einspruchsentscheidung je nach Beantwortung der grunderwerbsteuerlichen Rechtsfrage und ihrer bürgerlich-rechtlichen Vorfragen der Steuerbescheid aufzuheben gewesen wäre.

Die Revision war demnach zuzulassen.

Mit der Zustellung des Beschwerdebescheides beginnt der Lauf der Revisions- und der Begründungsfrist (§§ 115 Abs. 5 letzter Satz, 120 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 68748

BStBl II 1970, 332

BFHE 1970, 372

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