Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BFH Urteil vom 29.05.1973 - VII R 113/70

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen
 

Leitsatz (amtlich)

Die für die Umsatzsteuer entwickelten Grundsätze über die Unternehmereinheit können auf den Händlerbegriff des Haushaltssicherungsgesetzes 1965 nicht übertragen werden.

 

Normenkette

HSG vom 20. Dezember 1965 Art. 21 § 2 (BGBl I, 2065)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger – Kläger – waren zu gleichen Anteilen an zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung und an fünf offenen Handelsgesellschaften beteiligt, die sich u. a. mit dem Handel von Branntwein befaßten. Jede der sieben Gesellschaften hatte am 1. Januar 1966 einen Branntweinbestand, der innerhalb der Freigrenze des Art. 21 § 2 des Haushaltssicherungsgesetzes (HSG) vom 20. Dezember 1965 (BGBl I, 2065) lag, während die Summe ihrer Bestände diese Grenze überschritt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt – HZA –) vertrat die Auffassung, diese sieben Firmen seien steuerrechtlich als einheitliches Unternehmen zu behandeln, und erließ einen an die Kläger gerichteten Steuerbescheid, mit dem es gegen diese als Unternehmergruppe eine Branntweinnachsteuer gemäß Art. 21 § 2 HSG festsetzte. Es führte aus, die Gewährung von Freimengen für die einzelnen Betriebe komme wegen ihrer unternehmerischen Verbundenheit nicht in Betracht.

Einspruch und Klage gegen diesen Bescheid blieben erfolglos. In dem finanzgerichtlichen Urteil ist ausgeführt: Zwischen den sieben Gesellschaften bestehe Unternehmereinheit. Dieser von der Rechtsprechung auf dem Gebiet der Umsatzsteuer entwickelte Begriff gelte nicht nur für das Umsatzsteuerrecht, sondern könne auch auf andere Rechtsgebiete angewandt werden. Dem stehe das Haushaltssicherungsgesetz nicht entgegen. Zwar verwende es nicht den Begriff des Unternehmers, sondern den Begriff Händler. Der Begriff des Händlers werde aber von dem des Unternehmers mitumfaßt. Jeder selbständige Händler sei Unternehmer. Das Unternehmen des Händlers umfasse dessen gesamte gewerbliche Tätigkeit. Insoweit unterscheide sich der Begriff des Unternehmers nicht von dem des Händlers. Dadurch sei es gerechtfertigt, die für die Umsatzsteuer entwickelten Grundsätze über die Unternehmereinheit im Rahmen des Haushaltssicherungsgesetzes auch auf dem Gebiet der Branntweinsteuer anzuwenden, zumal es sich bei der Branntweinsteuer wie bei der Umsatzsteuer um eine allgemeine Verbrauchsteuer handele.

Diese Beurteilung entspreche auch der im Steuerrecht herrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise, nach der die bürgerlich-rechtlichen Formen in allen Fällen außer acht zu lassen seien, in denen gleiche wirtschaftliche Vorgänge und Gegebenheiten eine gleiche steuerliche Behandlung erforderten. Ob eine Personengruppe einen Betrieb habe oder ob sie mehrere bürgerlich-rechtlich selbständige Betriebe führe, sei wirtschaftlich belanglos. Es widerspräche der steuerlichen Gerechtigkeit, die Branntweinbestände in dem einen Falle zur Nachsteuer heranzuziehen, in dem anderen Falle aber steuerfrei zu belassen, nur weil in diesem Falle mehrere bürgerlich-rechtlich selbständige Gesellschaften bestünden.

Mit der Revision machen die Kläger geltend, das finanzgerichtliche Urteil verkenne die Grenzen für die Anwendung des Begriffs der Unternehmereinheit.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Zu Unrecht hat das HZA die Branntweinbestände aus dem Besitz der sieben zu der Unternehmergruppe zählenden Handelsgesellschaften zusammengerechnet und die Inhaber als Unternehmergruppe zur Nachversteuerung des Branntweins herangezogen.

Die Steuerschuld nach Art. 21 § 2 HSG trifft nicht die Unternehmergruppe, sondern die zu der Unternehmergruppe zählenden Handelsgesellschaften selbst. Das ergibt sich daraus, daß die Steuerschuld an den Besitz der nachzuversteuernden Branntweinbestände gebunden war. Steuerschuldner war gemäß Art. 21 § 2 HSG der Hersteller oder Händler, der die nachsteuerpflichtige Ware in unmittelbarem oder mittelbarem Besitz hatte. Wer Steuerschuldner geworden ist, ist demnach abhängig von den bürgerlich-rechtlichen Besitzverhältnissen an dem nachzuversteuernden Branntwein.

Bei der Beurteilung der besitzrechtlichen Lage ist zu unterscheiden zwischen den Gesellschaften mit beschränkter Haftung und den offenen Handelsgesellschaften.

Was die zu den juristischen Personen gehörenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung anlangt, so ist ihre Besitzfähigkeit in Literatur und Rechtsprechung uneingeschränkt anerkannt (vgl. Staudinger-Seuffert, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 854, Anm. 26). Die juristische Person übt ihren Besitz unmittelbar durch ihre satzungsgemäßen Organe aus. Rechtshandlungen der Organe werden der Gesellschaft als eigene Handlung zugerechnet. Besitzer sind nicht die Organe, also die geschäftsführenden Gesellschafter, sondern die Gesellschaft selbst. Die Gesellschafter haben dagegen weder unmittelbaren noch mittelbaren Besitz an den Gegenständen des Gesellschaftsvermögens. Die Branntweinnachsteuer, die an den Besitz der nachzuversteuernden Branntweinbestände geknüpft ist, kann deshalb nicht die Gesellschafter, sondern nur die Gesellschaft als solche treffen.

Was die handelsrechtlichen Personengesellschaften angeht, so ist ihre besitzrechtliche Lage umstritten. Während der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH im Urteil vom 26. Mai 1967 V ZR 73/66 (Juristenzeitung 1968 S. 69 – JZ 1968, 69 –) ohne weiteres davon ausgegangen ist, daß die offene Handelsgesellschaft selbst Besitzerin der Gesellschaftsgegenstände ist, hat der VIII. Zivilsenat in seinem Urteil vom 27. Oktober 1971 VIII ZR 48/70 (BGHE 57, 166) diese Frage offengelassen. In der Literatur wird weitgehend die Ansicht vertreten, daß nicht die Gesellschaft, sondern die Gesellschafter Besitzer der zu dem Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstände werden. Da der Besitz die tatsächliche Sachherrschaft darstellt, neigt der Senat dazu, auch den handelsrechtlichen Personalgesellschaften eine selbständige Besitzfähigkeit zuzusprechen, zumal die handelsrechtlichen Personalgesellschaften sich in ihrer tatsächlichen Struktur und in ihrem Auftreten nach außen (§ 124 HGB) von den Kapitalgesellschaften nicht unterscheiden. Diese zivilrechtliche Streitfrage ist aber für die Entscheidung des vorliegenden Steuerrechtsstreits letztlich nicht erheblich, da in dem angefochtenen Steuerbescheid weder die Gesellschaften noch die Gesellschafter als solche, sondern die Gesellschafter in ihrer unternehmerischen Verbundenheit als Unternehmergemeinschaft zur Branntweinnachsteuer herangezogen worden sind. Eine selbständige Besitzfähigkeit kommt einer Unternehmergemeinschaft, wenn sie nicht als solche in die Form einer Kapital- oder Personalgesellschaft gekleidet ist, nicht zu. Eine Unternehmergemeinschaft besitzt keine Rechtspersönlichkeit und kann deshalb auch keinen selbständigen Besitz an Gegenständen des Unternehmens innehaben. Damit ist eine Heranziehung der Unternehmergemeinschaft zur Branntweinnachsteuer, die den Besitz an den zu versteuernden Branntweinbeständen voraussetzt, ausgeschlossen.

Dem steht nicht entgegen, daß eine Unternehmergruppe im Umsatzsteuerrecht von der Rechtsprechung als selbständiger Zusammenschluß anerkannt ist. Die Anerkennung einer selbständigen Rechtsfähigkeit für die Unternehmergruppe als Unternehmereinheit ist von der Rechtsprechung für spezifisch umsatzsteuerrechtliche Fragen entwickelt worden. Es handelt sich um ein ausschließlich umsatzsteuerrechtliches Institut, das auf andere Gebiete des Steuerrechts nur dann übertragen werden kann, wenn die gesetzliche Regelung Anhaltspunkte dafür bietet. Solche Anhaltspunkte sind aber in dem Haushaltssicherungsgesetz nicht gegeben. Der in Art. 21 § 2 verwendete Begriff Händler ist mit dem umsatzsteuerrechtlichen Unternehmerbegriff nicht gleichzusetzen, da der Begriff Händler kein gewerbliches Unternehmen voraussetzt (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 11. Januar 1972 VII R 62/69, BFHE 104, 399). Somit können die für die Umsatzsteuer entwickelten Grundsätze über die Unternehmereinheit, die eine Zusammenfassung der gesamten gewerblichen Tätigkeit einer Unternehmergruppe bezwecken, auf den Händlerbegriff des Haushaltssicherungsgesetzes nicht übertragen werden. Das ist auch deshalb nicht möglich, weil das Institut der Unternehmereinheit dem Branntweinsteuerrecht unbekannt ist. Die von der Klägerin betriebenen Handelsgesellschaften werden, wie die Kläger zu Recht hervorheben, verbrauchsteuerrechtlich getrennt geführt und als selbständige Gesellschaften behandelt. Sie können nicht ausschließlich für die Branntweinnachversteuerung zu einem einheitlichen Unternehmen zusammengefaßt werden.

Auch der Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie der wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann eine Zusammenfassung der Branntweinbestände der von den Klägern betriebenen Handelsgesellschaften nicht rechtfertigen. Das Haushaltssicherungsgesetz hatte jedem Händler eine Freigrenze von 1 000 Flaschen Branntwein eingeräumt. Diese Freigrenze galt auch dann, wenn mehrere rechtlich selbständige Handelsfirmen wirtschaftlich miteinander verbunden waren. Die wirtschaftliche Verbindung rechtfertigt nicht, die gesetzlich für jeden Händler vorgesehene Freigrenze zu versagen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514687

BFHE 1974, 76

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Produktempfehlung
haufe-product

    Meistgelesene Beiträge
    • Checkliste Jahresabschluss 2025 / 12.1.1 Prüfungsauftrag
      2
    • AO-Handbuch, Anhang zur amtlichen Handausgabe 2024
      1
    • Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, HGB ... / 2.2 Angaben zu den Posten des Konzernabschlusses
      1
    • Eigenbelege: Der richtige Umgang mit Eigenbelegen und Er ... / 5 Ersatzbeleg/Notbeleg für nicht mehr vorhandene Belege
      1
    • Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen
      1
    • Frotscher/Geurts, EStG § 4h Betriebsausgabenabzug für Zi ... / 3.6.3 Fehlende Konzernzugehörigkeit bzw. Fehlen nahestehender Personen (Abs. 2 S. 1 Buchst. b)
      1
    • Geschenke / 5 Wertbestimmung
      1
    • Mietvertrag bei Angehörigen nach Grundstücksverkauf
      1
    • Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 6a Innergemeinschaftlic ... / 4.8 Versagung der Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung
      1
    • Steuer Check-up 2025 / 2.12.3 Grunderwerbsteuer auch bei Treuhandverhältnissen
      1
    Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Haufe Finance Office Premium
    Top-Themen
    Downloads
    Zum Haufe Shop
    Produktempfehlung


    Zum Thema Finance
    Die neuen Regelungen im Insolvenzrecht: Handbuch Insolvenz
    Handbuch Insolvenz
    Bild: Haufe Shop

    Das Buch stellt die Verfahrensabläufe bei Eintritt einer Insolvenz verständlich dar und gibt Antworten auf alle praxisrelevanten Fragen. Zahlreiche Beispiele, Mustertexte und besonders gekennzeichnete Tipps helfen Ihnen, Fehler zu vermeiden und Haftungsrisiken zu minimieren.


    BFH VII R 62/69
    BFH VII R 62/69

      Leitsatz (amtlich) Zur Auslegung des Begriffs „Händler” im Sinne des Art. 21 § 2 Abs. 1 Satz 3 HSG vom 20. Dezember 1965 (BGBl I, 2065, GVBl Berlin. 2056).  Normenkette HSG Art. 21 § 2 Abs. 1, 4; GG Art. 3, 14  Tatbestand Der bei der ...

    4 Wochen testen


    Newsletter Finance
    Newsletter Steuern und Buchhaltung

    Aktuelle Informationen aus den Bereichen Steuern und Buchhaltung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

    • Für Praktiker im Rechnungswesen
    • Buchhaltung und Lohnbuchhaltung
    • Alles rund um betriebliche Steuern
    Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
    Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
    Haufe Fachmagazine
    Themensuche
    A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
    Zum Finance Archiv
    Haufe Group
    Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe Onlinetraining Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Lexware rudolf.ai - Haufe meets AI
    Weiterführende Links
    RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
    Kontakt
    Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
    Haufe Rechnungswesen Shop
    Rechnungswesen Produkte Buchführung Software und Bücher Bilanzierung & Jahresabschluss Lösungen Produkte zu Kostenrechnung Produkte zur IFRS-Rechnungslegung Haufe Shop Buchwelt

      Weitere Produkte zum Thema:

      × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

      Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

      Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

      Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

      Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren