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BGH Urteil vom 13.11.2003 - VII ZR 57/02

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Bauvertrag. Allgemeine Geschäftsbedingungen. Sicherheitseinbehalt statt selbstschuldnerische Bürgschaft. Wirksamkeit. Mängelausschluss. Unwirksamkeit

 

Leitsatz (amtlich)

a) Die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages, dass ein Sicherheitseinbehalt i. H. v. 5 % der Bausumme für die Dauer der fünfjährigen Gewährleistungsfrist durch eine selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft abgelöst werden kann, verstößt nicht gegen § 9 Abs. 1 AGBG (im Anschluss an BGH, Urt. v. 5.6.1997 - VII ZR 324/95, BGHZ 136, 27 = MDR 1997, 929).

b) Wird die Ablösung durch die selbstschuldnerische Bürgschaft zusätzlich davon abhängig gemacht, dass keine wesentlichen Mängel vorhanden sind, ist diese Vertragsklausel unwirksam.

 

Normenkette

AGBG § 9

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Urteil vom 11.01.2002)

LG Dresden (Urteil vom 07.03.2001)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des OLG Dresden v. 11.1.2002 insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Dresden v. 7.3.2001 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich der Kosten der Streithelfer.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin, ein Bauträgerunternehmen, nimmt die beklagte Bank aus einer Gewährleistungsbürgschaft auf Zahlung und Feststellung in Anspruch. Sie hat die inzwischen insolvente S. GmbH mit Generalunternehmervertrag v. 9.4.1997 (GUV) damit beauftragt, ein Haus in D. schlüsselfertig zu modernisieren. Als die Klägerin die Beseitigung von Mängeln verlangte, lehnte der Gesamtvollstreckungsverwalter die weitere Erfüllung des Vertrages ab.

In § 16 Nr. 2 GUV ist vereinbart:

"Zur Absicherung eventueller Gewährleistungsansprüche werden 5 % des Pauschalfestpreises für die Dauer von fünf Jahren in Geld einbehalten. Der Auftragnehmer kann, soweit die Sicherheitsleistung nicht verwertet ist, die Auszahlung verlangen ... (,) sofern er in Höhe der geschuldeten Sicherheit eine selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft ... gem. § 17 Ziff. 4 VOB/B ohne Hinterlegungsklausel erbringt und wesentliche Mängel nicht mehr vorhanden sind.

Die Anlegungs- und Verzinsungspflicht nach § 17 Ziff. 6 VOB/B wird abbedungen.

... "

Die Beklagte hat eine solche Bürgschaft ausgegeben. Sie hält jedoch die Vertragsklausel für unwirksam und möchte deshalb aus der Bürgschaft nicht für die Erfüllung der Verbindlichkeit einstehen. Nach ihrer Ansicht hat die Klägerin die Bürgschaft wegen der Unwirksamkeit des § 16 Nr. 2 GUV ohne Rechtsgrund erlangt.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten, welche die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils anstrebt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Berufung der Klägerin ist unter Aufhebung des Berufungsurteils zurückzuweisen.

Das maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen.

I.

1. Das Berufungsgericht stellt fest, dass es sich bei § 16 Nr. 2 GUV um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin handelt.

Das ist nicht zu beanstanden und wird von der Revision als ihr günstig hingenommen.

2. Das Berufungsgericht führt aus, die Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu einem Bauvertrag, wonach der Auftraggeber nach Abnahme des Bauwerks 5 % der Auftragssumme für die Dauer der fünfjährigen Gewährleistungsfrist als Sicherheit einbehalten dürfe, benachteilige den Auftragnehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen und sei unwirksam, wenn dem Auftragnehmer kein angemessener Ausgleich zugestanden werde.

Das stellt die Revision zu Recht nicht in Frage; es entspricht der Rechtsprechung des Senats (BGH, Urt. v. 5.6.1997 - VII ZR 324/95, BGHZ 136, 27 = MDR 1997, 929).

3. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist § 16 Nr. 2 GUV zunächst dahingehend zu verstehen, dass die Hauptschuldnerin den als Sicherheit einbehaltenen Betrag nur durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft ablösen könne. Die Möglichkeit, Sicherheit durch Hinterlegung gem. § 17 Nr. 5 VOB/B zu leisten, sei ausgeschlossen, desgleichen das Wahlrecht nach § 17 Nr. 3 VOB/B. Diese Auslegung der Klausel wird von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen und sie ist rechtlich nicht zu beanstanden.

4. Das Berufungsgericht ist ferner der Ansicht, eine selbstschuldnerische Bürgschaft als einzige Austauschsicherheit sei kein angemessener Ausgleich für den vorgesehenen 5 %igen Sicherheitseinbehalt. Diese Auffassung teilt der Senat nicht, jedoch ist die Klausel aus anderen Gründen unwirksam.

§ 16 Nr. 2 GUV ist gem. § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam, weil der Auftragnehmer unangemessen benachteiligt wird. Das ergibt sich im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichts nicht aus der Einschränkung, dass der Sicherheitseinbehalt nur gegen eine selbstschuldnerische Bürgschaft auszuzahlen ist (a), sondern aus der weiteren Voraussetzung, dass wesentliche Mängel nicht vorhanden sein dürfen (b).

a) Anders als im Falle einer Bürgschaft auf erstes Anfordern (BGH, Urt. v. 5.6.1997 - VII ZR 324/95, BGHZ 136, 27 = MDR 1997, 929) bietet die Möglichkeit eines Austausches des Sicherheitseinbehaltes gegen eine selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft einen hinreichenden Ausgleich zu dem in der Vertragsklausel vorgesehenen Einbehalt. Die Klausel stellt den Auftragnehmer vor die Alternative, entweder für fünf Jahre auf unbestrittenen restlichen Werklohn zu verzichten, entsprechende Zinsverluste hinzunehmen und das Insolvenzrisiko des Auftraggebers zu tragen, oder seine Liquidität durch Beibringung einer Bankbürgschaft zu schmälern, die regelmäßig auf Kosten der Kreditlinie geht; außerdem sind für die Bankbürgschaft Avalzinsen zu zahlen, die wiederum einen Zinsertrag aus dem abgelösten Sicherheitseinbehalt schmälern. Die in der Zinsbelastung und dem Einfluss auf die Kreditlinie liegenden Nachteile bei Bereitstellung einer Bürgschaft erscheinen, berücksichtigt man auf der anderen Seite die berechtigten Interesse des Auftraggebers, nicht als so gewichtig, dass ihretwegen die Unwirksamkeit der Klausel angenommen werden müsste (vgl. für den Fall der Vertragserfüllungsbürgschaft BGH, Urt. v. 20.4.2000 - VII ZR 458/97, MDR 2000, 1007 = BauR 2000, 1498 = ZfBR 2000, 477).

b) Die weitere Voraussetzung in § 16 Nr. 2 GUV dagegen, dass wesentliche Mängel nicht vorhanden sein dürfen, führt zur Unwirksamkeit der Klausel. Diese Voraussetzung bedeutet eine so weit reichende Einschränkung der Berechtigung, eine Austauschbürgschaft zu stellen, dass ein angemessener Ausgleich zu den Nachteilen des Sicherheitseinbehaltes nicht mehr zugestanden wird. Jeder Streit um wesentliche Mängel blockiert das Austauschrecht, so dass es bei dem Sicherheitseinbehalt bleibt. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass solche Auseinandersetzungen sich selbst bei unberechtigten Beanstandungen über die Dauer der Gewährleistungsfrist hinziehen.

5. Auf die weiteren Überlegungen des Berufungsgerichts zu einer bedingten Bürgschaft, für deren Vereinbarung sich aus der Vertragsklausel keine Anhaltspunkte ergeben, kommt es aus den vorstehenden Überlegungen nicht an.

II.

Weitere Feststellungen sind nicht zu treffen, so dass der Senat in der Sache selber entscheiden kann. Da § 16 Nr. 2 GUV unwirksam ist, hält die Klägerin die Bürgschaft ohne Rechtsgrund. Aus ihr kann sie die Beklagte nicht in Anspruch nehmen (§§ 768 Abs. 1, 812 Abs. 1 BGB).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1090810

BGHZ 2004, 29

DB 2004, 539

NJW 2004, 443

NWB 2004, 368

BGHR 2004, 287

BauR 2004, 325

EBE/BGH 2004, 26

EWiR 2004, 209

IBR 2004, 68

JurBüro 2004, 563

WM 2004, 96

WuB 2004, 211

ZAP 2004, 224

ZIP 2004, 79

ZfIR 2004, 96

MDR 2004, 273

NJ 2004, 227

ZfBR 2004, 250

BKR 2004, 87

BTR 2004, 89

BrBp 2004, 257

NZBau 2004, 145

ZBB 2004, 152

BauRB 2004, 62

IWR 2004, 68

JbBauR 2005, 353

Kreditwesen 2004, 405

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