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BGH Urteil vom 30.01.2001 - VI ZR 353/99 (veröffentlicht am 30.01.2001)

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Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Haftung des Arztes, wenn sich bei einem Eingriff mehrere Risiken verwirklichen, aber nicht über alle aufgeklärt worden ist.

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Münster

OLG Hamm

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Oktober 1999 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger litt seit Anfang der 80er Jahre unter Bandscheibenbeschwerden, die jeweils konservativ behandelt wurden. Am 14. Februar 1994 begab er sich aufgrund einer Überweisung seines Hausarztes in die Behandlung des Beklagten. Dieser diagnostizierte einen Bandscheibenprolaps mit Nervenwurzeldekompression L5/S1 und empfahl eine Diskographie sowie eine Laser-Nervenwurzeldekompression. Zur Durchführung dieser Maßnahme begab sich der Kläger am 9. März 1995 in ein Krankenhaus, in welchem der Beklagte Belegbetten unterhält und wo dieser ihn noch am selben Tag operierte. Am 13. März 1995 wurde bei dem Kläger eine Peronaeusparese (Fußheberschwäche) diagnostiziert, aufgrund derer er seine berufliche Tätigkeit als Schlosser aufgab.

Der Kläger hat den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch genommen mit der Begründung, die nicht indizierte Operation, über deren Risiken er weder am 14. Februar noch am 9. März 1995 aufgeklärt worden sei, habe sowohl zu der Peronaeusparese als auch zur Impotenz geführt.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme den (bezifferten) Schadensersatzanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, dem Kläger ein Schmerzensgeld von 40.000 DM zugesprochen sowie die Ersatzpflicht des Beklagten für sämtliche materiellen Schäden des Klägers aus der Operation vom 9. März 1995 festgestellt. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung des Klägers diesem Zinsen aus dem zuerkannten Schmerzensgeldbetrag zugesprochen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts haftet der Beklagte dem Kläger wegen eines Aufklärungsverschuldens aus unerlaubter Handlung und bezüglich der materiellen Schäden zusätzlich aus einer schuldhaften Verletzung der Sorgfaltspflichten des Behandlungsvertrages. Die vom Beklagten durchgeführte Aufklärung sei schon deshalb ungenügend gewesen, weil der Beklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Kläger nicht auf das schwerste Risiko des Eingriffs, das Risiko einer Querschnittslähmung, ausreichend hingewiesen habe. Allein wegen der dadurch fehlenden Grundaufklärung sei die Aufklärung demzufolge defizitär. Defizitär sei die Aufklärung darüber hinaus aber auch deshalb, weil der Kläger nicht auf das Risiko einer Impotenz hingewiesen worden sei, die nach den Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen auch bei einer regelrechten Laser-Operation der in Rede stehenden Art auftreten könne. Der Beklagte habe schließlich auch plausibel und nachvollziehbar dargelegt, daß er sich bei ausreichender Aufklärung in einem wirklichen Entscheidungskonflikt befunden hätte. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß das breite Spektrum der konservativen Behandlung beim Kläger noch nicht ausgeschöpft gewesen sei, sei ihm zu glauben, daß er in Kenntnis des Risikos einer Querschnittslähmung und/oder des Impotenzrisikos die Operation am 9. März 1995 nicht hätte durchführen lassen. Schließlich bestehe auch kein Zweifel daran, daß die beim Kläger eingetretene Peronaeusparese samt ihrer Folgen sowie die Impotenz auf die Operation vom 9. März 1995 zurückzuführen seien.

II.

Das Urteil des Berufungsgerichts hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

1. Das Berufungsurteil wird bereits von der Begründung getragen, daß der Beklagte den Kläger – unstreitig – nicht über das Risiko einer Impotenz aufgeklärt hat. Das Berufungsgericht hält dieses Risiko aufgrund der Sachverständigengutachten für aufklärungspflichtig und hat durch diese Gutachten auch die Überzeugung gewonnen, daß durch den konkreten Eingriff Impotenz habe entstehen können und beim Kläger tatsächlich entstanden sei. Es hat auch die Überzeugung gewonnen, daß sich der Kläger bei Kenntnis dieses Risikos gegen den Eingriff entschieden hätte. Hätte mithin die gebotene Aufklärung zur Vermeidung der Operation geführt, so ist es unter den Umständen des Streitfalls gerechtfertigt, dem Beklagten deren sämtliche Folgen zuzurechnen.

Die Angriffe der Revision gegen die entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist dabei in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung den diesbezüglichen Äußerungen des Klägers und seiner Ehefrau in Verbindung mit den insoweit übereinstimmenden Stellungnahmen der beiden gerichtlich bestellten Sachverständigen gefolgt und hat diesen den Vorzug gegeben vor der entgegenstehenden Stellungnahme des vom Beklagten beauftragten Privatgutachters Prof. Dr. H. Da dessen Äußerungen im wesentlichen übereinstimmen mit dem nach Schluß der mündlichen Verhandlung vom Beklagten zu den Akten gereichten weiteren Privatgutachten des Prof. Dr. S. und bei der mündlichen Anhörung der Gerichtssachverständigen bereits Berücksichtigung fanden, war das Berufungsgericht – entgegen der Auffassung der Revision – weder gehalten, ein weiteres Gutachten im Sinne des § 412 ZPO einzuholen, noch die gerichtlich beauftragten Sachverständigen hierzu erneut anzuhören. Die übrigen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 565 a ZPO abgesehen.

2. Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte – wie das Berufungsgericht meint – auch deshalb haften würde, weil er dem Kläger keinen Hinweis auf das schwerstmögliche Risiko des Eingriffs, nämlich das Risiko einer Querschnittslähmung, erteilt hat. Das Berufungsgericht hat hierin einen Mangel der Grundaufklärung gesehen. Hierum geht es jedoch im vorliegenden Fall nicht, wie unter b) ausgeführt wird.

a) Es kann dahinstehen, ob der Kläger über das Risiko einer Peronaeusparese aufgeklärt worden ist, das sich unstreitig bei ihm verwirklicht hat. Das Berufungsgericht hat diese Frage offengelassen, so daß für das Revisionsverfahren von einer Aufklärung über dieses Risiko auszugehen ist. Dann jedoch kämen die Grundsätze aus dem Senatsurteil vom 15. Februar 2000 – VI ZR 48/99 – BGHZ 144, 1 zur Anwendung, das dem Berufungsgericht bei Erlaß des angefochtenen Urteils freilich noch nicht bekannt sein konnte. Der erkennende Senat hat dort ausgeführt, daß es bei Verwirklichung eines Risikos, über das der Patient aufgeklärt worden ist, regelmäßig keine Rolle spielte, ob daneben auch andere Risiken – die sich nicht verwirklicht haben – der Erwähnung bedurften; vielmehr habe der Patient in Kenntnis des später verwirklichten Risikos seine Einwilligung erteilt. Hat also der Patient bei seiner Einwilligung das später eingetretene Risiko in Kauf genommen, so kann bei einer wertenden Betrachtungsweise nach dem Schutzzweck der Aufklärungspflicht aus der Verwirklichung dieses Risikos keine Haftung hergeleitet werden. Von daher könnte sich die vom Berufungsgericht offengelassene Frage stellen, ob dem Kläger tatsächlich ein Hinweis auf das Risiko einer Peronaeusparese erteilt worden ist. Hierauf kommt es jedoch im Streitfall nicht an, weil bereits das oben zu 1. erörterte Aufklärungsversäumnis die Haftung des Beklagten für die gesamten Folgen des Eingriffs prägt.

b) Angesichts dieser Besonderheiten des Falles geht es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht um einen Mangel der Grundaufklärung. Der Senat hat diesen Begriff bisher zur Begründung der Haftung aus einem Aufklärungsfehler nur für eine ganz besondere Fallgruppe herangezogen, wenn es, wie etwa im Urteil vom 14. November 1995 – VI ZR 359/94 – VersR 1996, 195 um ein äußerst seltenes, nicht aufklärungspflichtiges Risiko ging, das sich dann aber doch bei dem Eingriff verwirklicht hat. Ist in einem solchen Fall der Patient über das betreffende Risiko nicht aufgeklärt worden, so kann sich ein Mangel der Grundaufklärung auswirken, wenn nämlich dem Patienten nicht einmal ein Hinweis auf das schwerstmögliche Risiko gegeben worden ist, so daß er sich von der Schwere und Tragweite des Eingriffs keine Vorstellung machen konnte. Bei einer solchen Fallkonstellation kann es unter dem Blickpunkt der fehlenden Grundaufklärung gerechtfertigt sein, dem Arzt die Haftung zuzurechnen, obwohl der Schaden, für den er einstehen soll, aus einem Risiko entstanden ist, über das er nicht hätte aufklären müssen.

So liegt der Streitfall jedoch nicht. Hier ergibt sich die Haftung des Beklagten bereits aus dem oben zu 1. dargelegten Aufklärungsversäumnis, so daß es schon deshalb keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob sie noch auf weitere Aufklärungsversäumnisse gestützt werden könnte.

 

Unterschriften

Dr. Müller, Dr. Lepa, Dr. v. Gerlach, Dr. Greiner, Wellner

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 30.01.2001 durch Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 547472

NJW 2001, 2798

BGHR 2001, 326

Nachschlagewerk BGH

MDR 2001, 568

MedR 2001, 421

VersR 2001, 592

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