Entscheidungsstichwort (Thema)
Ohne Beauftragung mit der Erstellung der Steuererklärungen keine Verlängerung der Erklärungsabgabefrist nach § 149 Abs. 3 AO. keine Fristverlängerung durch eine Behörde infolge der Fristverlängerungen nach Art. 97 § 36 EGAO im Rahmen der Covid-Pandemie. Aufhebung einer Verspätungszuschlagsfestsetzung infolge Ermessensausfalls
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist nicht wie für eine verlängerte Erklärungsabgabefrist im Sinne des § 149 Abs. 3 AO erforderlich eine Person im Sinne des § 3 StBerG und § 4 StBerG mit der Erstellung der Steuererklärungen beauftragt worden, wenn Angehörige der steuerberatenden Berufe in eigenen Angelegenheiten aktiv werden bzw. für den zusammenveranlagten Ehegatten oder wenn von einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft ein Rechtsanwalt nicht mit der Erstellung der Steuererklärungen, sondern lediglich als Gesellschafter und Ehemann der Geschäftsführerin beauftragt worden ist. Die Beauftragung nach § 149 Abs. 3 AO knüpft nicht nur an die Bevollmächtigung (§ 80 AO) im Außenverhältnis, sondern bereits sprachlich an eine Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB, § 611 BGB) zwischen dem erfassten Personenkreis (hier: Rechtsanwalt) und dem Steuerpflichtigen an.
2. Die Verlängerung der Abgabefristen für Steuer- bzw. Feststellungserklärungen durch Art. 97 § 36 EGAO im Rahmen der Corona-Pandemie ist nicht wie eine behördliche Fristverlängerung im Sinne des § 109 AO zu behandeln, sodass insoweit bei der Festsetzung von Verspätungszuschlägen § 152 Abs. 3 Nr. 1 AO nicht eingreift (gegen Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil v. 15.12.2023, 3 K 88/22, EFG 2024 S. 540).
3. Hat die Finanzbehörde bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags rechtsirrtümlich das Vorliegen einer Rückausnahme nach § 152 Abs. 3 AO nicht erkannt und deswegen sein Ermessen nach § 152 Abs. 1 AO nicht ausgeübt, so ist die Festsetzung infolge des Ermessensausfalls rechtswidrig und aufzuheben.
Normenkette
AO §§ 5, 80 Abs. 1-2, § 149 Abs. 3, § 152 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nrn. 1-2, Abs. 5-6; EGAO Art. 97 § 36 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 5 Buchst. a; FGO § 102
Tenor
Die Festsetzungen von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer vom 12. Oktober 2023 und zum Gewerbesteuermessbetrag vom 10. Oktober 2023, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2024, werden aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 33 % der Klägerin und zu 67 % dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Gegenstand der Klägerin ist die Vermögensverwaltung. Geschäftsführerin ist Frau B…. Gesellschafter waren im Streitjahr die Eheleute Frau B… mit einem Geschäftsanteil von 23.725 EUR (94,9%) sowie Herr Rechtsanwalt C… mit 1.275 EUR (5,1%). Am 27. Juni 2017 wurde für Frau Steuerberaterin D… eine Vollmacht vorgelegt, aus der eine umfassende Vertretung in Steuerangelegenheiten hervorging. In der Folge reichte Frau Steuerberaterin D… Erklärungen für die Klägerin für die Vorjahre ein; Bescheide wurden ihr zugestellt.
Am 06. Juli 2023 schrieb die Klägerin, dass bestätigt werde, dass Frau D… nicht mehr für die Klägerin tätig sei. Die Klägerin übermittelte ihre Steuererklärungen zur Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftsteuer für 2021 am 17. September 2023 elektronisch an den Beklagten. Hierbei wurden keine Angaben zu einer weiteren Bevollmächtigung bzw. Hilfeleistung in Steuersachen gemacht. Die Klägerin erklärte einen Gewerbeertrag von 0 EUR (Gewinn aus Gewerbebetrieb xxx.xxx EUR; erweiterte Kürzung xxx.xxx EUR) sowie ein zu versteuerndes Einkommen von xxx.xxx EUR. Mit der Umsatzsteuerjahreserklärung meldete die Klägerin eine Umsatzsteuer von -x.xxx EUR (festzusetzende Umsatzsteuer: xx.xxx EUR; Vorauszahlungen xx.xxx EUR) an.
Am 10. Oktober 2023 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag 2021 erklärungsgemäß auf 0 EUR und die Körperschaftsteuer 2021 auf xx.xxx EUR fest (Nachzahlung: x.xxx EUR). Hiermit verband er die Festsetzung von Verspätungszuschlägen über 275 EUR zum Gewerbesteuermessbetrag und über 275 EUR zur Körperschaftsteuer. Der Umsatzsteuererklärung (xx.xxx EUR) stimmte er zu und zahlte den Erstattungsanspruch aus. Am 12. Oktober 2023 setzte der Beklagte einen Verspätungszuschlag über 275 EUR zur Umsatzsteuer 2021 fest. Zur Begründung führte der Beklagte jeweils aus, dass der Verspätungszuschlag festgesetzt worden sei, weil die Steuererklärungen vom 17. September 2023 nach Ablauf der Erklärungsfrist (31. Oktober 2022) eingegangen seien. Die 275 EUR entsprachen jeweils dem Mindestmonatsbetrag von 25 EUR und einer Verspätung von 11 Monaten. Sämtliche Festsetzungen wurden der Klägerin unmittelbar gegenüber bekanntgegeben. Die Festsetzung des Verspätungszuschlages zur Umsatzsteuer enthielt die Er...