Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des Sozialplans i.R.e. Anspruchs eines Arbeitnehmers auf Zahlung einer Abfindung
Leitsatz (redaktionell)
Sozialpläne sind nach den für Betriebsvereinbarungen anerkannten Grundsätzen auszulegen. Demnach ist ausgehend vom Wortlaut der Regelung deren objektiver Erklärungsgehalt unter Berücksichtigung der Systematik und des Gesamtzusammenhangs zu ermitteln. Der wirkliche Wille und die Interessenlage der Betriebsparteien finden bei der Auslegung von Betriebsvereinbarungen nur insoweit Berücksichtigung, als diese Kriterien im Wortlaut der Regelung einen hinreichenden Niederschlag gefunden haben.
Normenkette
AGG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Saarlouis (Entscheidung vom 22.06.2023; Aktenzeichen 7 Ca 148/23) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil das Arbeitsgerichts Saarland vom 22. Juni 2023 - 7 Ca 148/23 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer Versetzung, um die Zahlung einer Abfindung nach dem Sozialplan sowie der Rationalisierungs-Sicherungs- Ordnung (RSO), die Zahlung einer Entschädigung nach Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sowie um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.
Die Beklagte ist eine kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts und betreibt unter anderem Krankenhäuser im Saarland und in Rheinland-Pfalz. Die Klägerin ist examinierte Krankenschwester und hat eine 2-jährige Zusatzausbildung zur Fachkrankenschwester für Innere Medizin und Intensivmedizin absolviert.
Die Klägerin war seit dem Jahr 1986 im evangelischen Krankenhaus in Saarbrücken als Krankenschwester beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gilt der BAT-KF. Die Klägerin war zuletzt zu 50% teilzeitbeschäftigt und erhielt ein Jahresbruttogehalt von 30.476,11 EUR. Sie war in Kombination Innere und Intensivmedizin tätig und in die Entgeltgruppe 9a BAT KF eingruppiert.
Der Arbeitsvertrag (Bl. 36 ff. d.A.) enthält u.a. folgenden Regelungen:
"§1
Frau M. S. tritt ab 01.11.1986 als Krankenschwester in den Dienst des e. K. in S.. Der Aufgabenbereich des Mitarbeiters kann durch Dienstanweisung näher bestimmt werden.
...
Der Diensteinsatz regelt nicht die Tätigkeit auf einer bestimmten Station oder Abteilung.
§ 2
Für das Arbeitsverhältnis gilt die Kirchliche Arbeitsvertragsordnung für Angestellte - BAT/AngKAVO - (Bundesangestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 in der Fassung der Notverordnung der evangelischen Kirche im Rheinland vom 13.7.1961 und 7.6.1962). Künftige Änderungen dieser Ordnung, die von der evangelischen Kirche im Rheinland beschlossen werden, finden Anwendung, ohne dass es einer Vertragsänderung bedarf."
Darüber hinaus finden die Regelungen der Rationalisierungs-Sicherung- Ordnung (im Folgenden: RSO; Auszüge BV Bl. 184 ff.) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Diese lauten im Auszug:
"§ 4 Arbeitsplatzsicherung
(1) Der Arbeitgeber ist den von einer Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des § 1 betroffenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen nach den Abs. 2-5 zur Arbeitsplatzsicherung verpflichtet. Die Sicherung setzt erforderlichenfalls eine Fortbildung oder eine Umschulung des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiterin voraus.
(2) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu sichern.
Ein Arbeitsplatz ist gleichwertig im Sinne des Unterabsatz 1, wenn sich durch die neue Tätigkeit die bisherige Eingruppierung nicht ändert und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der neuen Tätigkeit voll beschäftigt bzw. im bisherigen Umfang beschäftigt bleiben.
Bei der Sicherung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes bei demselben Arbeitgeber gilt folgende Reihenfolge:
a. Arbeitsplatz an demselben Ort
b. Arbeitsplatz an einem anderen Ort....
(6) Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind verpflichtet, einen ihnen angebotenen Arbeitsplatz im Sinne der Abs. 2-5 anzunehmen, es sei denn, dass ihnen die Annahme nach den Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise nicht zugemutet werden kann. Als unzumutbar gilt ferner ein nach den Abs. 3-5 angebotener Arbeitsplatz mit einer Arbeitszeit und weniger als drei Vierteln der bisherigen Arbeitszeit.
§ 8 Abfindung
(1) Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die auf Veranlassung des Arbeitgebers in gegenseitigem Einvernehmen oder aufgrund einer Kündigung durch den Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, erhalten nach Maßgabe folgender Tabelle eine Abfindung:
...
(3) Die Abfindung steht Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen nicht zu, wenn
a) die Kündigung aus einem von ihnen zu vertretenden Grund (Ablehnung eines angebotenen Arbeitsplatzes entgegen § 4 Abs. 6, Ablehnung der Fortbildung oder Umschulung entgegen § 4 Abs. 1 Satz
2) erfolgt ist."
Die Beklagte beabsichtigte die Schließung des Klinikums zum 31.3.2023. Es sollten keine Arbeitsplätze am Standort S. erhalten bleiben. Alle Mitarbeiter sollten versetzt bzw. gekündigt werden.
Die Beklagte verfügte über offene Stellen u.a. in N., K., B. K. und S.. ...