Leitsatz (amtlich)
Voraussetzung eines Schadensersatzanspruches nach § 33 Abs. 3 GWB und eines diesem vorausgehenden Auskunftsanspruches ist eine Beteiligung an einer Vereinbarung oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (§ 1 GWB, Art. 101 AEUV). Dieses Verhalten muss sich dabei auf den relevanten Markt beziehen. Bei Feuerwehrfahrzeugen ist von sachlich getrennten Märkten für Drehleiterfahrzeuge und für Gelenkleiterfahrzeuge auszugehen. Der Alleinanbieter von Gelenkleiterfahrzeugen kann deshalb ohne Rücksicht auf Wettbewerber aus dem Marktsegment Drehleiterfahrzeuge handeln, ohne sich schadensersatzpflichtig zu machen.
Normenkette
GWB §§ 1, 33 Abs. 3; AEUV Art. 101
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 16.12.2015; Aktenzeichen 4 HK O 2378/12) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 16.12.2015, Az. 4 HK O 2378/12, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 84.994,06 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage über Auskunfts- und Schadensersatzansprüche aufgrund einer von der Klägerin behaupteten kartellrechtswidrigen Absprache der Beklagten.
Die Klägerin behauptet, der von ihr an die Beklagte zu 1) am 04.02.2002 erteilte Auftrag Nr. 1 über die Lieferung des Gelenkleiterfeuerwehrfahrzeugs DLK-23-12-GL CC beruhe auf dieser Absprache. Hierdurch sei ihr ein Schaden entstanden, der sich auf mindestens 15 % des Bruttokaufpreises belaufe.
Zum Beweis der behaupteten Absprache beruft sich die Klägerin in erster Linie auf den Bußgeldbeschluss des Bundeskartellamts vom 29.06.2011, Az. B12-KB-12/10-U2, in dem Karteilordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Beklagte zu 1) (Anlage K 16). Sie behauptet, die in dem Beschluss festgestellte Kartellabsprache über die hälftige Aufteilung des Marktes für Drehleiterfahrzeuge zwischen den beiden Beklagten im Zeitraum von mindestens 1998 bis November 2007 habe auch Gelenkleiterfahrzeuge, wie das von ihr bestellte, umfasst. Dies ergebe sich unter anderem daraus, dass in der Liste "Bedarfsfälle Drehleitern mit Auftragszuordnung 2001 (Anlage K 15) auch der streitgegenständliche Beschaffungsvorgang aufgeführt ist, und eine annähernd hälftige Marktaufteilung unter Einschluss der Gelenkleiterfahrzeuge erreicht worden sei. Dass die Beklagte zu 1) bis Ende 2006 in Deutschland der einzige Anbieter von Gelenkleiterfahrzeugen war, stehe nicht entgegen. Das Zivilgericht sei gemäß § 33 Abs. 4 GWB an die Feststellungen in dem Bußgeldbescheid der Kartellbehörde gebunden.
Die Beklagte zu 1) hält die Klage für unschlüssig. Gegenstand kartellrechtswidriger Absprachen seien allein Löschfahrzeuge und Drehleiterfahrzeuge gewesen, nicht aber die damit nicht vergleichbaren Gelenkleiterfahrzeuge.
Die Klägerin habe ihre ursprüngliche Ausschreibung für ein Drehleiterfahrzeug zurückgezogen, nachdem ihr die Beklagte zu 1) ihr Gelenkleiterfahrzeug vorgestellt hatte. Die danach erfolgte neue Ausschreibung der Klägerin sei genau auf das vorgeführte Gelenkleiterfahrzeug abgestimmt gewesen, weil die Klägerin nur noch dieses kaufen wollte. Dabei habe sie gewusst, dass nur die Beklagte zu 1) ein der Ausschreibung entsprechendes Fahrzeug anbieten konnte. Gelenkleiterfahrzeuge seien Spezialanfertigungen für den Einzelfall. Die Klägerin habe sodann das ihr vorgestellte Fahrzeug als Vorführfahrzeug gekauft. Die für Drehleitern oder Löschfahrzeuge getroffenen Absprachen der Beklagten hätten auf diese Entscheidung keinerlei Einfluss gehabt.
Die erhobene Auskunftsklage sei unzulässig. Ihr fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Die begehrten Informationen trügen nicht zur konkreten Bezifferung des angeblichen Schadens bei. Die Kalkulationsgrundlagen der Beklagten seien für die insoweit allein maßgeblichen hypothetischen Marktpreise irrelevant. Wegen der Variabilität der gelieferten Fahrzeuge gebe es keine mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug vergleichbare Fahrzeuge, deren Kalkulation vorgelegt werden könnte.
Die Auskunftsklage sei auch unbegründet. Die Klägerin habe keinerlei eigene Anstrengungen unternommen Vergleichspreise etwa außerhalb des räumlichen Bereichs der behaupteten Absprache und außerhalb des betroffenen Zeitraums zu ermitteln. Die Beklagten könnten die geforderte Auskunft nicht ohne unzumutbaren Aufwand und ohne Beeinträchtigung ihrer berechtigten Interessen erteilen. Bei den Kalkulations...