Hinsichtlich der Abnahme von Gemeinschaftseigentum ist die entscheidende Frage, wer berechtigt ist, die Abnahme zu erklären. Aus Sicht des Bauträgers ist stets eine einheitliche Abnahme vorteilhaft und nicht eine sukzessive seitens der einzelnen Erwerber.

In Beantwortung der Frage, wer das Gemeinschaftseigentum abnimmt, muss man sich vor Augen führen, wer Partei des Bauträgervertrags ist. Dies ist auf der einen Seite der Erwerber der Wohnung und auf der anderen Seite der Bauträger. Der Bauträger ist aus dem Bauträgervertrag gegenüber dem Wohnungserwerber nicht nur zur Herstellung mängelfreien Sondereigentums verpflichtet, sondern auch zur mängelfreien Herstellung des Gemeinschaftseigentums. Auch wenn der Erwerber im Einzelfall nur einen sehr geringen Miteigentumsanteil an der Wohnanlage und somit am Gemeinschaftseigentum hat, hat er dennoch Anspruch auf insgesamt mängelfreies Gemeinschaftseigentum.[1]

 
Praxis-Beispiel

Das schiefe Eingangspodest

Die Wohnanlage verfügt über 2 getrennte Eingänge und Treppenhäuser. Das Podest im Zugangsbereich zum rechten Teil der Wohnanlage weist eine deutliche Schieflage auf. Obwohl das Appartement des Erwerbers, das gerade einmal 20/1.000 Miteigentumsanteile repräsentiert, nur durch den linken Gebäudeeingang zu erreichen ist, hat dieser Erwerber Anspruch auf Mängelbeseitigung hinsichtlich des schief errichteten Podestes gegen den Bauträger.

1.2.1 Grundsätze

Zur Abnahme sind also in erster Linie die Wohnungseigentümer als Vertragspartner des Bauträgers berufen. Sie können die Abnahme persönlich erklären oder sich auch vertreten lassen.

 
Wichtig

Abnahmeerklärung eines Wohnungseigentümers: Bindung nur zwischen ihm und Bauträger

Die von einem Wohnungseigentümer erklärte Abnahme des Gemeinschaftseigentums im Hinblick auf seinen Miteigentumsanteil hieran, hat nur Wirkung zwischen ihm und dem Bauträger. Die von ihm erklärte Abnahme hat also keine Rechtswirkungen gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern und bindet diese nicht.[1]

 
Praxis-Beispiel

Das vergessene Fenster

Nach der Baubeschreibung sollte das Wohnzimmer einer Erdgeschosswohnung mit 3 Fenstern ausgestattet werden. Tatsächlich wurden nur 2 eingebaut. Der Erwerber einer Obergeschosswohnung stört sich hieran nicht. Ganz im Gegenteil ist er der Auffassung, dass die Fassade der Anlage nunmehr ästhetischer sei und erklärt die Abnahme. Der Erwerber der betroffenen Erdgeschosswohnung, der seine Wohnung am darauffolgenden Tag abnimmt, ist verständlicherweise hiermit ganz und gar nicht einverstanden und verweigert die Abnahme.

Wäre hier der Erwerber der Erdgeschosswohnung an die vom Erwerber der Obergeschosswohnung erklärte Abnahme gebunden, hätte er keine Erfüllungsansprüche mehr gegen den Bauträger, sondern nur noch Mängelansprüche. Es ist freilich auch nicht ansatzweise nachvollziehbar, warum andere Erwerber berechtigt sein sollen, über das Schicksal des individuellen Rechtsverhältnisses zwischen Erwerber und Bauträger zu bestimmen.

In der Praxis spielen in diesem Zusammenhang auch Vereinbarungen zwischen Bauträger und einzelnen Erwerbern über Sonderwünsche eine große Rolle. Entsprechende Sonderwünsche betreffen regelmäßig Bereiche des gemeinschaftlichen Eigentums. Ebenso regelmäßig haben die anderen Erwerber keine Kenntnis von Sonderwünschen einzelner Erwerber, sodass sie insoweit auch keine Erklärungen abgeben können. In derartigen Fällen existiert schon kein einheitliches Bau-Soll.

Wie ausgeführt, können Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum von den Wohnungseigentümern auch in Form einer jeweiligen Teilabnahme abgenommen werden. Zwingend ist dies nicht. Sofern sich aus den Umständen nichts anderes ergibt, bedeutet die Abnahme des Sondereigentums im Regelfall auch die Abnahme des Gemeinschaftseigentums.[2]

Ist zweifelhaft, ob neben dem Sondereigentum auch das Gemeinschaftseigentum abgenommen worden ist, muss die Abnahmeerklärung ausgelegt werden. Befasst sich das Abnahmeprotokoll lediglich mit dem Sondereigentum und wird das Gemeinschaftseigentum erst einige Zeit nach dieser Abnahmeerklärung fertiggestellt, ist von einer Abnahme lediglich des Sondereigentums auszugehen.[3]

"Nachzügler"-Problematik

Vielfach erfolgt der Abverkauf von Wohnungseigentumseinheiten in der Praxis nur schleppend. Vereinzelt stehen einzelne Wohnungen Monate oder sogar Jahre leer.

 
Praxis-Beispiel

Wohnung ohne Balkon

Der Bauträger hat eine Wohnanlage errichtet, die aus 10 Wohnungen besteht. Die 4 Erdgeschosswohnungen verfügen jeweils über Terrassen, die 4 Obergeschosswohnungen jeweils über Balkone. Die beiden Dachgeschosswohnungen haben weder Balkon noch Dachterrasse. Für eine dieser Wohnungen findet sich daher erst 2 Jahre nach Errichtung der Wohnanlage ein Käufer.

Unterstellt, die 9 übrigen Wohnungseigentümer hätten bereits nach Erwerb die Abnahme erklärt, wäre der Nachzüglererwerber nicht an diese Erklärungen gebunden. Im Fall eines Mangels am Gemeinschaftseigentum würden Mängelrechte der übrigen Erwerber in 3 Jahren verjäh...

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