Problemüberblick
Im Fall geht es um einen sog. Absenkungsbeschluss. Die Wohnungseigentümer wollten sich damit die Möglichkeit schaffen, mit einem Beschluss außerhalb der Versammlung eine bauliche Veränderung zu gestatten. Noch gibt es diesen zweiten Beschluss nicht – was das AG ggf. nicht erkennt –, jedenfalls nicht problematisiert.
Absenkungsbeschlüsse
Die Wohnungseigentümer können seit dem 1.12.2020 gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG beschließen, dass bei einem Beschluss außerhalb der Versammlung für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.
Es handelt sich bei diesem Beschluss um keinen Geschäftsordnungsbeschluss, sondern um eine einmalige Öffnungsklausel in Bezug auf die erforderliche Stimmenmehrheit ("Absenkungsbeschluss"). Ohne einen solchen Beschluss, bleibt es bei den Anforderungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG. Der Beschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG ist in einer Versammlung oder – theoretisch – außerhalb der Versammlung zu fassen. Er bedarf nach § 25 Abs. 1 WEG der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn er in einer Versammlung gefasst wird (wird er außerhalb der Versammlung gefasst, müssen hingegen alle Wohnungseigentümer zustimmen, § 23 Abs. 1 Satz 1 WEG).
Ein Absenkungsbeschluss muss nach h. M., die das AG nicht sieht oder sehen will, bei der Einberufung nicht gem. § 23 Abs. 2 WEG bereits "bezeichnet" (= angekündigt) werden (siehe nur Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 1. Aufl. 2021, Kap. 8 Rn. 33; BeckOK WEG/Bartholome, 46. Ed. 1.10.2021, WEG § 23 Rn. 102). Notwendig, aber ausreichend ist also, dass der Gegenstand, auf den der Beschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG abzielt, bereits auf der Tagesordnung stand, und dass über ihn in der Versammlung eigentlich beschlossen werden sollte (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 23 Rn. 106). Diese Sichtweise ist allerdings noch streitig. Denn Schultzky in Jennißen, WEG, 7. Aufl. 2021, § 23 Rn. 150 meint, auch der Beschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG müsse nach § 23 Abs. 2 WEG angekündigt werden. Hierbei dürfte es sich um eine Ansicht handeln, die sich nicht durchsetzen wird: Sie beraubt § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG seines eigentlichen Anwendungsbereichs. Im Fall ist dieser Streit allerdings nicht zu entscheiden. Denn der Gegenstand "Einbau eines Inliners im Schornstein" stand nie auf der Tagesordnung.
Ein Absenkungsbeschluss muss einen "einzelnen Gegenstand" betreffen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn über die Bestellung des Verwalters, Vorschüsse oder Nachschüsse bzw. die Anpassung der Vorschüsse nach § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WEG oder, wie im Fall, eine Erhaltungsmaßnahme beschlossen werden soll.
Ein Absenkungsbeschluss muss – wie jeder Beschluss – "bestimmt" sein. Es muss klar sein, was der "Gegenstand" des Beschlusses nach § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG sein soll. Im seltenen Einzelfall reicht dazu wie bei § 23 Abs. 2 WEG ein Schlagwort. Besser ist es allerdings, im Einzelnen und genau den Gegenstand zu beschreiben. Ist der Absenkungsbeschluss zu unbestimmt, kann er keine ausreichende Grundlage für einen Beschluss außerhalb der Versammlung sein. Stützen die Wohnungseigentümer einen Beschluss außerhalb der Versammlung dennoch auf einen solchen Absenkungsbeschluss, ist dieser Beschluss jedenfalls anfechtbar.
Musterbeschluss
Für die im Folgenden genannten Gegenstände genügt für einen Beschluss außerhalb der Versammlung die Mehrheit der abgegebenen Stimmen:
___ (genaue Nennung der Gegenstände, über die außerhalb der Versammlung beschlossen werden soll; möglich und sinnvoll ist häufig eine konkrete Verweisung auf im Einzelnen benannte und eindeutig identifizierbare Dokumente).
- Der Verwalter wird angewiesen, bei Eintritt folgender Bedingung ___ (an dieser Stelle ist zu beschreiben, was die Verwaltung vor einer Beschlussfassung außerhalb der Versammlung unternehmen soll) nach seinem Ermessen einen Beschluss außerhalb der Versammlung zu initiieren.
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: ___
Nein-Stimmen ___
Enthaltungen ___
Der Versammlungsleiter verkündet folgenden Beschluss: ___
Der Beschluss wurde angenommen/abgelehnt.