Tenor
Es wird festgestellt, dass die im Rahmen der Eigentümerversammlung vom 23.04.2020 gefassten Beschlüsse zu Tagesordnungspunkt 1 – Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2018 – sowie Tagesordnungspunkt 3 – Entlastung des Verwalters – nichtig sind.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Tatbestand
Die Parteien bilden gemeinsam die aus zwölf Wohnungseigentumseinheiten bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft ….
Mit Schreiben vom 05.04.2020 lud die Hausverwaltung der Eigentümergemeinschaft zu einer Eigentümerversammlung am 23.04.2020 in ihre Büroräume ein. Das Einladungsschreiben enthielt folgenden fett gedruckten und unterstrichenen Hinweis:
„Wir können zur Zeit keine EV abhalten, in der mehr als zwei Personen sich im Raum aufhalten. Bitte übersenden Sie deshalb eine Vollmacht. Sollten Eigentümer zum Termin erscheinen, müssen wir die Versammlung abbrechen und auf unbestimmte Zeit verschieben.”
Beigefügt waren dem Einladungsschreiben eine Tagesordnung sowie eine Stimmrechtsvollmacht.
Das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 23.04.2020 wurde den Klägern am 28.04.2020 zur Verfügung gestellt. Aus diesem geht hervor, dass die Versammlung von 16:20 bis 16:39 Uhr in den Räumlichkeiten der Hausverwaltung stattfand und 812,27 von 1.000 Miteigentumsanteilen in Form von der Hausverwaltung erteilten Vollmachten vertreten waren. Die Genehmigung der Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2018 sowie Entlastung von Verwaltungsbeirat und Verwalter wurden jeweils mehrheitlich beschlossen.
Die Kläger sind der Ansicht, die im Rahmen der Versammlung am 23.04.2020 gefassten Beschlüsse seien nichtig, da sie außerhalb einer Eigentümerversammlung gefasst worden seien. Eine Eigentümerversammlung habe gar nicht stattgefunden, da das Einladungsschreiben vom 05.04.2020 von Vornherein darauf gerichtet gewesen sei, eine „Eigentümerversammlung” in Abwesenheit sämtlicher Miteigentümer abzuhalten. Zudem sei es nicht zulässig gewesen, dass der Verwalter mittels der ihm erteilten Vollmachten selbst über seine Entlastung beschließe.
Hinsichtlich der hilfsweise erhobenen Anfechtungsklage sind die Kläger der Ansicht, es sei ihnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der entsprechenden Klagefrist zu gewähren, da sie erstmals mit Zusendung der Protokollabschrift am 28.04.2020 Kenntnis von den am 23.04.2020 gefassten Beschlüssen erlangt hätten.
Mit Schreiben vom 28.05.2020, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, haben die Kläger eine Nichtigkeitsfeststellungsklage sowie hilfsweise Beschlussanfechtungsklage hinsichtlich der unter den Tagesordnungspunkten 1 und 3 gefassten Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 23.04.2020 erhoben.
Die Kläger beantragen:
Es wird festgestellt, dass die im Rahmen der sogenannten Eigentümerversammlung vom 23.04.2020 gefassten Beschlüsse zu Tagesordnungspunkt 1 – Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2018 – sowie Tagesordnungspunkt 3 – Entlastung des Verwalters – nichtig sind.
Hilfsweise beantragen die Kläger,
die Beschlüsse der sogenannten Eigentümerversammlung vom 23.04.2020 unter Tagesordnungspunkt 1 – Einzel- und Gesamtjahresabrechnung 2018 – sowie Tagesordnungspunkt 3 – Entlastung des Verwalters – für ungültig zu erklären.
Vorsorglich beantragen sie,
ihnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen etwaiger Versäumung der Frist zur Anfechtung der Beschlüsse vom 23.04.2020 zu den Tagesordnungspunkten 1 und 3 der Eigentümerversammlung vom 23.04.2020 zu gewähren.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, es sei lediglich aufgrund der Corona-Pandemie die Bitte bzw. der Appell ausgesprochen worden, physisch nicht an der Eigentümerversammlung am 23.04.2020 teilzunehmen. Den Wohnungseigentümern sei die Möglichkeit gegeben worden, eine Versammlung mit entsprechenden Beschlussfassungen trotz bestehender infektionsschutz-rechtlicher Einschränkungen abzuhalten oder diese auch (durch zahlreiches Erscheinen) zu verhindern. Die Beklagten sind ferner der Ansicht, die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage sei verfristet und Wiedereinsetzungsgründe nicht ersichtlich.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Auf den entsprechenden Antrag der Kläger war festzustellen, dass die im Rahmen der Eigentümerversammlung am 23.04.2020 gefassten Beschlüsse nichtig sind.
Im Hinblick darauf, dass die Feststellung der Nichtigkeit von Wohnungseigentümerbeschlüssen jederzeit verlangt werden kann, kommt es auf die Einhaltung der Monatsfrist für die Erhebung einer Anfechtungsklage gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG hier nicht an (BGH NJW 2009, 3655).
Die Nichtigkeit der angegriffenen Beschlüsse folgt gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG daraus, dass im Zuge der Abhaltung der Eigentümerversammlung am 23.04.2020 in den Kernbereich des Wohnungse...