Leitsatz (amtlich)
1. Für eine Klage eines Energieversorgungsunternehmens auf Duldung der Versorgungsunterbrechung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 StromGVV besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn es zur Durchsetzung seines Duldungsanspruchs auf eine Mitwirkung des Kunden angewiesen ist, weil das Versorgungsunternehmen andernfalls bei einer Vollstreckung seines Anspruches auf Gewährung des Zuganges zu der Messeinrichtung für den Fall eines Widerstands des Schuldners nicht nach §§ 892, 887 ZPO verfahren könnte (entgegen LG Siegen, Beschl. v. 25.07.2011 - 3 T 2/11). Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt allenfalls dann, wenn das Versorgungsunternehmen die Versorgung ohne ein Betreten des Grundstückes unterbrechen kann.
2. Der Anspruch aus § 19 StromGVV steht dem Grundversorger zu (Anschluss an OLG Celle, Beschl. v. 20.08.2012 - 13 W 56/12; LG Kassel, Urt. v. 10.05.2007 - 1 S 430/06; entgegen LG Lüneburg, Beschl. v. 16.04.2012 - 4 O 283/11; AG Meldorf, Urt. v. 27.10.2011 - 81 C 1215/11).
3. Wendet sich ein Kunde gegen die Höhe des in einer Abrechnung zugrunde gelegten Verbrauchs, darf er die Abschlagszahlungen an den Versorger nicht vollständig einstellen, vielmehr muss er zumindest den von ihm für angemessen erachteten Verbrauch zugrunde legen und auf dieser Grundlage Abschlagszahlungen an den Versorger leisten (Anschluss an LG Düsseldorf, Urt. v. 08.02.2006 - 34 O (Kart) 219/05).
4. Für den Anspruch des Versorgers aus § 19 Abs. 2 Satz 1 StromGVV ist unerheblich, ob der Netzbetreiber vergeblich versucht hat, die Sperrung der Versorgung vorzunehmen, weil es sich nicht um eine Tatbestandsvoraussetzung handelt.
5. Befindet sich die Messeinrichtung in Räumlichkeiten, zu denen der Kunde keinen Zutritt hat, ist dem Kunden die Erfüllung des Anspruchs auf Gewährung des Zutritts zu der Messeinrichtung gemäß § 275 Abs. 1 BGB (subjektiv) unmöglich (Anschluss an LG Siegen, Beschl. v. 25.07.2011 - 3 T 2/11). Auch wenn der Kunde Mieter in dem Objekt ist, in dem sich die Messeinrichtung befindet, hat er gegenüber dem Vermieter aus dem Mietvertrag allenfalls einen Anspruch darauf, ihm die Ablesewerte mitzuteilen. Dagegen ergibt sich aus dem Mietvertrag kein Anspruch des Mieters gegenüber dem Vermieter, dem Versorgungsunternehmen den Zutritt zum Zwecke der Unterbrechung der Versorgungsleistung zu gewähren. Ein solcher Anspruch steht vielmehr dem Versorgungsunternehmen gegen den Grundstückseigentümer gemäß § 985 BGB zu (Anschluss an LG Siegen, Beschl. v. 25.07.2011 - 3 T 2/11).
Normenkette
StromGVV § 17 Abs. 1, § 19 Abs. 2; BGB §§ 242, 286, 535, 985; ZPO §§ 892, 887
Tenor
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Der Streitwert wird auf 1.350,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin hat von der Beklagten als Gesamtschuldner ursprünglich die Gewährung des Zuganges zu einem Stromzähler und die Duldung der Versorgungsunterbrechung begehrt.
Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen. Zwischen den Parteien kam ein Versorgungsvertrag über die Lieferung von Strom die Verbrauchsstelle unter der Anschrift S... in ... S... betreffend zustande. Der zu der von der Beklagten bis zum 31.01.2013 bewohnten Wohnung in dem vorgenannten Objekt gehörige Zähler mit der Nummer 22... befindet sich nicht in der Wohnung, sondern in Räumlichkeiten, zu denen die Beklagte keinen Zugang hat. Die Mutter der Beklagten war Eigentümerin des Grundstückes S... in S.... Nach dem Tod der Mutter der Beklagten war die Beklagte zusammen mit ihrer Schwester, Frau U..., Eigentümerin des Grundstückes. Mit Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Bad Segeberg vom 07.10.2011 (Az.: ...) verlor die Beklagte ihr Eigentum an dem Grundstück. Die Beklagte mietete die von ihr bewohnte Wohnung an.
Mit Schreiben vom 14.03.2012 rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten den Zeitraum 19.03.2011 bis 29.02.2012 betreffend den Stromverbrauch in Höhe von 2.131,14 € ab. In der Rechnung ist als Vertragskontonummer 242... genannt. Ferner wurden künftige Abschlagszahlungen in Höhe von 225,00 € geltend gemacht. In der Rechnung sind weiter "offene Beträge" in Höhe von 704,91 € genannt, wobei auch eine Restforderung aus der Verbrauchsabrechnung vom 02.05.2011 in Höhe von 127,27 € (Anlage K 6. Bl. 20-25 d.A.) aufgeführt ist. Die in der vorgenannten Abrechnung aufgeführte Vertragskontonummer lautet 216.... Wegen der Einzelheiten über den Inhalt des Schreibens vom 14.03.2012 wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Anlage K 1, Bl. 5-8 d.A.). Abschlagszahlungen wurden von der Beklagten während des vorgenannten Abrechnungszeitraums und auch im Folgenden nicht erbracht.
Mit Schreiben vom 30.04.2012 (Anlage K 2, Bl. 9-10 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung eines Gesamtbetrages in Höhe von 2.893,99 € auf. Mit weiterem Schreiben vom 16.04.2012 (Anlage K 3, Bl. 11-12 d.A.) drohte die Klägerin der Beklagten unter Beifügung einer Forderungsaufstellung über einen Betrag in Höhe von 2.888,99 € die Unterbrechung der Versorgung an. Mit weiterem Schreiben vom 19.05.2012 (Anlage K...