Leitsatz (amtlich)
1. Dem Wohnungseigentümer, über dessen WE die Zwangsverwaltung angeordnet wurde, verbleibt das Anfechtungsrecht zumindest weiterhin für die Beschlüsse, an deren Zustandekommen er sich bereits durch die Ausübung des Stimmrechts beteiligen konnte und bezgl. derer er auch noch vor der Anordnung der Zwangsverwaltung Anfechtungsklage hätte erheben können.
2. Der Beschluss über eine Liquiditätsumlage entspricht nicht ordnungsgemäßiger Verwaltung, wenn der Finanzbedarf anderweitig gedeckt werden kann, etwa durch Geltendmachung fälliger Ansprüche der WEG gegen säumige Miteigentümer.
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Dortmund vom 23.05.2019 bleibt aufrechterhalten.
2. Der Beklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.
4. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien bilden die WEG N-Straße in E, welche von der Prozessbevollmächtigten des Beklagten verwaltet wird. Am 18.02.2019 fand eine Eigentümerversammlung statt. Unter dem Tagesordnungspunkt 7 wurde der nachfolgende Beschluss gefasst:
„Beschlussfassung über die Erhebung einer nach Miteigentumsanteilen aufzuteilenden Sonderumlage zur Liquiditätssicherung der WEG N-Straße in Höhe von 15.000,00 EUR.
Die Verwalterin legt die Höhe der Zahlungsrückstände und den kurzfristig zu deckenden Finanzbedarf von mindestens 15.000,00 EUR unter anderem auf Grund des Zahlungsverzuges der Eigentümer F und S dar, die von den Anwesenden diskutiert wurden.
Es soll nach ausreichender Diskussion beschlossen werden:
Zur Liquiditätssicherung der WEG N-Straße wird eine nach Miteigentumsanteilen aufzuteilende Sonderumlage in Höhe von 15.000,00 EUR (2.772,00 EUR Anteil WE 1, 2.813,10 EUR Anteil WE 2, 2.813,10 EUR Anteil WE 3, 2.820,75 EUR Anteil WE 4, 3.781,05 EUR Anteil WE 5) mit Fälligkeit zum 28.02.2019 beschlossen.
(…)
Der Beschluss wird damit mehrheitlich mit 549,88/1.000 Stimmen gegen 440,12/1.000 Stimmen wird beantragt gefasst und verkündet.”
Für das Jahr 2018 waren ein Gesamtwirtschaftsplan sowie Einzelwirtschaftspläne beschlossen. In der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung wurde ebenfalls ein Wirtschaftsplan für das Jahr 2019 beschlossen. Seit dem 08.03.2019 ist über die WE des Klägers zu 1) die Zwangsverwaltung angeordnet. Die Kläger haben mit am 18.03.2019 vorab per Telefax eingegangener Klageschrift die Beschlussfassung zum Tagesordnungspunkt 7 angegriffen.
Die Kläger sind der Ansicht, dass die Beschlussfassung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche. Die Beschlussfassung lasse nicht erkennen, weshalb die Sonderumlage beschlossen werden solle. Es fehle auch an den materiellen Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Beschluss hinsichtlich einer Sonderumlage. Die Kläger sind der Ansicht, dass die Zwangsverwaltung die Aktivlegitimation des Klägers zu 1) nicht berühre.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.05.2019 ist für den Beklagten niemand erschienen. Antragsgemäß wurde durch Versäumnisurteil vom 23.05.2019 der Beschluss der Eigentümerversammlung der WEG N-Straße in E vom 18.02.2019 zum Tagesordnungspunkt 7 für ungültig erklärt.
Das Versäumnisurteil wurde dem Beklagten am 29.05.2019 zugestellt. Am 11.06.2019 ging der durch die Prozessbevollmächtigte des Beklagten eingelegte Einspruch ein.
Die Kläger beantragen nunmehr,
das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klage unzulässig sei, da im Zeitpunkt der Klageeinreichung über die WE des Klägers zu 1) die Zwangsverwaltung angeordnet worden sei. Die Klage sei auch unbegründet, da die Beschlussfassung formell und materiell ordnungsgemäß sei. In der Eigentümerversammlung sei der Finanzierungsbedarf im Einzelnen erläutert worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die protokollierten Erklärungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht.
In der Sache hat der Einspruch jedoch keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Anordnung der Zwangsverwaltung bezgl. der Wohnung des Klägers zu 1.) steht weder der Zulässigkeit noch der Begründetheit der Klage entgegen. Ob dem Wohnungseigentümer, über dessen WE die Zwangsverwaltung angeordnet wurde, ein Anfechtungsrecht zusteht, wird unterschiedlich beantwortet.
Teilweise wird vertreten, dass aus der Anfechtungsbefugnis des Verwalters noch nicht folge, dass damit ein solches Recht des Schuldners verdrängt werde (Elzer/Fritsch/Meier, Wohnungseigentumsrecht, § 3 Rn. 28 mwN). Durch die Anordnung der Zwangsverwaltung und die damit verbundene Beschlagnahme verliere der Wohnung...