Leitsatz (amtlich)

Die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners im insolvenzgerichtlichen Verfahren umfassen auch die Pflicht, dafür zu sorgen, dass er für den Verwalter und das Insolvenzgericht jederzeit ohne Schwierigkeiten tatsächlich und postalisch zweifelsfrei erreichbar ist.

In einem Hauptinsolvenzverfahren ist der Verwalter verpflichtet, Hinweisen auf verheimlichtes Auslandsvermögen des Schuldners nachzugehen. Bei diesen Ermittlungen hat der Schuldner ihn zu unterstützen.

Der Schuldner hat dem Verwalter nicht nur umfassend und wahrheitsgemäß Auskunft über seine Vermögensverhältnisse zu erteilen, sondern ist auch verpflichtet, auf Verlangen Auskünfte und Nachweise vorzulegen, mit denen der Verwalter den Wahrheitsgehalt der schuldnerischen Angaben überprüfen kann.

Der Schuldner muss sich ein Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten bei der Erfüllung seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO, § 4 InsO).

 

Normenkette

InsO §§ 4a, 4c, 80 Abs. 1, §§ 97, 148 Abs. 1, § 290 Abs. 1 Nr. 5; ZPO § 85 Abs. 2

 

Tenor

Die der Schuldnerin am 11.07.2007 bewilligte Stundung der Verfahrenskosten wird aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

Die 1944 geborene Schuldnerin ist gemeinsam mit ihrem 1943 geborenen Ehemann persönlich haftende Gesellschafterin der T-OHG, die bis zum Sommer 2004 einen Teppichhandel betrieb und über deren Vermögen seit dem 10.01.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet ist.

Im Dezember 2006 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr persönliches Vermögen sowie Restschuldbefreiung und Stundung der Verfahrenskosten. Gleichzeitig stellte ihr Ehemann für sich entsprechende Anträge.

Mit Beschluss vom 11.07.2007 stundete das Gericht der Schuldnerin die Verfahrenskosten und eröffnete am selben Tag das Insolvenzverfahren. Gleiche Entscheidungen ergingen am 11.07.2007 auch hinsichtlich des Vermögens des Ehemanns. Zum Insolvenzverwalter wurde in beiden Verfahren Rechtsanwalt S bestellt, der im Verfahren über das OHG-Vermögen ebenfalls dieses Amt innehat. Ihm ist weder vor noch nach Verfahrenseröffnung verwertbares schuldnerisches Vermögen bekannt geworden (vgl. Eröffnungsgutachten vom 16.05.2007 sowie Verwalterbericht vom 27.09.2007).

Am 31.12.2007 ging bei Gericht ein anonymes Schreiben ein, das Hinweise auf Grund- und Geldvermögen der Schuldnerin und ihres Ehemanns auf der Insel Lanzarote enthielt. Ferner wurde in dem Schreiben mitgeteilt, die Schuldnerin und ihr Ehemann bewohnten dieses Anwesen und hielten sich dort bereits seit mehreren Monaten auf. Die Hinweise wurden an den Insolvenzverwalter weitergeleitet. Dieser forderte im Januar und Februar 2008 die Schuldnerin und ihren Ehemann mit Schreiben an ihre Wohnanschrift in B, W-Straße 2 dreimal zur Vereinbarung eines Besprechungstermins auf; eine Reaktion blieb aus. Mit Schreiben vom 27.02.2008 und 05.03.2008, zugestellt am 01.03.2008 und 07.03.2008, gab das Gericht der Schuldnerin und ihrem Ehemann auf, innerhalb einer Woche dem Insolvenzverwalter in einer persönlichen Besprechung über die Entwicklung ihrer Finanz-, Vermögens- und Einkommensverhältnisse seit Verfahrenseröffnung Auskunft zu erteilen und entsprechende schriftliche Unterlagen zum Nachweis ihrer Angaben mitzubringen. Am 28.03.2008 ging bei Gericht ein Schreiben des neuen Verfahrensbevollmächtigten der beiden Schuldner, Rechtsanwalt T aus K, ein, in dem er mitteilte, der Ehemann sei „in seinem Urlaub im Ausland erkrankt” und deshalb nicht in der Lage gewesen, den Termin beim Insolvenzverwalter wahrzunehmen; er werde dies jedoch in der ersten Aprilwoche nachholen.

Inzwischen hatte der Insolvenzverwalter im März 2008 bei einer Ortbesichtigung festgestellt, dass in dem Hause W-Straße 2, in dem sich mehrere abgeschlossene Wohnungen befinden, ein Namensschild auf eine Wohnung der Schuldnerin und ihres Ehemanns hindeutete. Hausbewohner gaben dem Insolvenzverwalter die Auskunft, dass diese Wohnung schon seit mehreren Monaten nicht mehr benutzt worden sei und die Eheleute sich in Spanien aufhalten sollten; für sie bestimmte Postsendungen seien im Treppenhaus in einer Kiste gesammelt und von nicht genannten Personen in gewissen Zeitabständen abgeholt worden (vgl. Bericht des Verwalters vom 04.04.2008).

Am 15.04.2008 erschienen die Schuldnerin und ihr Ehemann in der Kanzlei des Insolvenzverwalters. Sie teilten u.a. mit, sie hätten sich von Mitte Januar bis zur ersten Aprilwoche 2008 in der Schweiz bei Freunden aufgehalten, u.a. bei der Ärztin Dr. R. in M (Kanton Aargau), die den Ehemann dort in einer Klinik seit Januar 2008 kostenfrei behandelt habe. Die in Oberhausen für sie eingegangenen Postsendungen seien zunächst von Familienangehörigen gesammelt worden; nach einem Zerwürfnis mit der Familie habe die Hauswirtin die Post entgegengenommen. Zu ihren Einkommensverhältnissen gaben sie an, sie erhielten beide jeweils ausschließlich eine monatliche „Regelaltersrente”, die auf ihr bei der Postbank geführtes Guthabenkonto überwiesen werde. Sonstige Einkünfte ...

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