Tenor
1. Die Bindungswirkung des Beschlusses TOP 2b der Eigentümerversammlung vom 15.04.2023 wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 750,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Antragstellerin ist Wohnungseigentümerin der Wohnungseigentümergemeinschaft O.
In der Eigentümerversammlung vom 15.04.2023 wurde unter TOP 2b über die Neuwahl des Verwaltungsbeirats abgestimmt. Die Wahl erfolgte dergestalt, dass in geheimer Wahl in einem einzigen Wahlgang über die zur Wahl gestellten Eigentümer abgestimmt wurde. Die Kandidaten mit den meisten Stimmen sollten den Beirat bilden. Jeder Wohnungseigentümer konnte bis zu drei Stimmen abgeben. Laut dem Ergebnis der Wahl fielen auf Herrn H 91 Stimmen, auf Herrn K 84 Stimmen auf Frau F 77 Stimmen und auf Herrn A 62 Stimmen. Herr K nahm die Wahl nicht an.
Der Antragsteller meint, die Wahl des Verwaltungsbeirats sei offenkundig rechtswidrig.
Der Antragsteller beantragt,
den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der die Ausführung bzw. Wirksamkeit des Beschluss TOP 2b Verwaltungsbeirat – Neuwahl vom 15.4.2023 bis zur Entscheidung in der Hauptsache aufgehoben wird.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin meint, Herr H, Frau F und Herr A seien wirksam als Verwaltungsbeirat gewählt worden.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Der Erlass einer die vorläufige Außervollzugsetzung anordnenden einstweiligen Verfügung setzt voraus, dass sowohl ein Verfügungsanspruch, als auch ein Verfügungsgrund dargetan und soweit streitig glaubhaft gemacht worden ist.
Ein Verfügungsanspruch des Antragstellers ist gegeben. Gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 1. Alt WEG kann das Gericht auf eine Anfechtungsklage eines Wohnungseigentümers einen Beschluss für ungültig erklären. Der Beschluss der Eigentümerversammlung unter TOP 2b der Eigentümerversammlung vom 15.04.2023 ist anfechtbar. Die Beschlussfassung über die Neuwahl des Verwaltungsbeirats entsprach nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
Die Abstimmung im Rahmen der Wahl eines Verwaltungsbeirats erfolgt durch einfache Mehrheit. Dies bedeutet, dass von den abgegebenen Stimmen auf einen Kandidaten mehr Ja- als Nein-Stimmen entfallen müssen, damit dieser gewählt ist. Es muss solange abgestimmt werden, bis eine ausreichende Zahl von Kandidaten die erforderliche Mehrheit hat. Haben sich mehr als drei Kandidaten zur Wahl gestellt, ist solange über die einzelnen Kandidaten abzustimmen, bis drei Kandidaten die einfache Mehrheit erhalten haben. Eine Verhältniswahl – wie vorliegend verwendet – bei der von verschiedenen Bewerbern diejenigen als gewählt gelten, die die meisten Stimmen auf sich vereinigt haben, ist unzulässig. Bei dem im vorliegenden Fall gewählten Wahlmodus bestand nicht einmal die Möglichkeit, eine Nein-Stimme abzugeben.
Ein Verfügungsgrund ist ebenfalls gegeben. Ob ein Verfügungsgrund vorliegt, ist durch eine umfassende Abwägung der schutzwürdigen Interessen beider Seiten zu beurteilen. Ausgangspunkt ist dabei die Wertung des Gesetzgebers, dass auch fehlerhafte Beschlüsse einer Eigentümerversammlung bis zu ihrer Ungültigkeitserklärung durch ein Gericht grundsätzlich wirksam und vollziehbar sind. Dem Vollziehungsinteresse wird danach grundsätzlich größeres Gewicht beigemessen, als dem Aussetzungsinteresse. Ein Interesse der anfechtenden Wohnungseigentümer überwiegt, wenn ihnen ein weiteres Zuwarten wegen drohender irreversibler Schäden nicht mehr zugemutet werden kann oder wenn bei unstreitiger Sachlage und gefestigter Rechtsprechung die Rechtswirksamkeit des Beschlusses derart offenkundig ist, dass es hierfür nicht erst der umfassenden Prüfung durch ein Hauptsacheverfahren bedarf.
Letzteres war vorliegend der Fall. Die Modalitäten der Beiratswahl sind zwischen den Parteien unstreitig. Eine Glaubhaftmachung war insoweit nicht erforderlich. Dass die Verwaltungsbeiratswahl entsprechend den obigen Ausführungen gegen die Vorschriften zur Beschlussfassung des WEG verstößt und mithin anfechtbar ist, ist offenkundig. Zwar gibt es zu der Frage der Rechtmäßigkeit eine Verwaltungsbeiratswahl im hier gewählten Wahlmodus offensichtlich keine gefestigte Rechtsprechung. Es gibt zu der Frage gar keine Rechtsprechung. In der Literatur wird dies jedoch nicht ernsthaft in Frage gestellt, so dass die Offenkundigkeit der Grund für fehlende Rechtsprechung sein mag. Es steht für das Gericht außer Frage, dass Rechtswidrigkeit der Verwaltungsbeiratswahl ohne eine Prüfung im Hauptsacheverfahren feststeht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Fundstellen
Dokument-Index HI16641561 |