Entscheidungsstichwort (Thema)
Sperrfrist für die Zulässigkeit erneuter Anträge eines Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach gesetzlich fingierter Rücknahme seines Insolvenzantrags
Leitsatz (amtlich)
Im Anschluss an eine gemäß § 305 Abs. 3 S. 2 InsO fingierte Zurücknahme des Insolvenzantrags des Schuldners sind dessen erneute Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, auf Stundung der Verfahrenskosten und auf Erteilung der Restschuldbefreiung erst zulässig, wenn seit Eintritt der Rücknahmefiktion eine Sperrfrist von drei Jahren verstrichen ist. Dies gilt zumindest dann, wenn die Zurücknahme wegen der Nichtbehebung solcher Mängel fingiert wurde, die innerhalb der Frist des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO hätten behoben werden können.
Normenkette
InsO § 290 Abs. 1 Nr. 3, § 305 Abs. 3 S. 2
Tenor
Die Anträge der Schuldnerin vom 14.03.2012 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, Erteilung der Restschuldbefreiung und Bewilligung der Verfahrenskostenstundung werden auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Mit Anträgen an das Amtsgericht – Insolvenzgericht – Essen vom 16.9.2011, welche dort unter dem Az. 166 IK 246/11 bearbeitet wurden, beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, die Erteilung der Restschuldbefreiung und die Bewilligung der Verfahrenskostenstundung.
Mit Verfügung vom 28.09.2011, die der Schuldnerin am 30.9.2011 zugestellt wurde, beanstandete das Gericht den Eröffnungsantrag. Unter anderem wurde die vorgelegte Bescheinigung über den erfolglosen Versuch einer außergerichtlichen Einigung als nicht den Anforderungen des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO genügend und der vorgelegte Schuldenbereinigungsplan als nicht hinreichend bestimmt beanstandet. Nachdem bereits die Rücknahmefiktion gemäß § 305 Abs. 3 S. 1 InsO eingetreten war, weil die Beanstandungen nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Beanstandung behoben worden waren, nahm die Schuldnerin mit Schriftsatz ihres anwaltlichen Vertreters vom 08.11.2011 den Insolvenzantrag zurück.
Mit Anträgen vom 14.3.2012, die beim Amtsgericht – Insolvenzgericht – Essen am 19.3.2012 eingingen, beantragt die Schuldnerin erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, die Erteilung der Restschuldbefreiung und die Bewilligung der Verfahrenskostenstundung.
Entscheidungsgründe
II.
Die erneuten Anträge der Schuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, Erteilung der Restschuldbefreiung und Bewilligung der Verfahrenskostenstundung sind unzulässig.
Anträge eines Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, auf Stundung der Verfahrenskosten und auf Erteilung der Restschuldbefreiung sind jedenfalls dann unzulässig, wenn sie innerhalb einer Frist von drei Jahren gestellt werden, nachdem bei einem von dem Schuldner in einem Vorverfahren gestellten Insolvenzeröffnungsantrag die Zurücknahme wegen der Nichtbehebung solcher Mängel fingiert wurde, die innerhalb der Frist des § 305 Abs. 3 S. 2 InsO hätten behoben werden können.
Innerhalb der letzten drei Jahre hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen zur Zulässigkeit von Insolvenzeröffnungsanträgen des Schuldners in solchen Fallgestaltungen Stellung genommen, in denen bereits auf einen zeitlich vorangegangenen Antrag ein Insolvenzverfahren anhängig war. In diesen Konstellationen hat der Bundesgerichtshof unter analoger Anwendung von § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO eine so genannte „Sperrfrist” von drei Jahren entwickelt. Hintergrund hierfür ist eine vom Bundesgerichtshof festgestellte planwidrige Regelungslücke, die er unter Berücksichtigung der dem Gesetz zu Grunde liegenden Regelungsabsicht und bestehenden Reformabsichten des Gesetzgebers festgestellt hat (vergleiche BGH, Beschluss vom 16.7.2009, IX ZB 219 / 08, abgedruckt in ZInsO 2009, 1777, 1779). Eine Sperrfrist, die auf Grund des Verhalten des Schuldners in dem früheren Insolvenzverfahren ausgelöst worden ist, hat zur Folge, dass während ihrer Laufzeit Anträge des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, auf Erteilung der Restschuldbefreiung und auf Bewilligung der Verfahrenskostenstundung gesperrt und deshalb unzulässig sind. In folgenden Fallgruppen hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Schuldnerverhalten eine Sperrfrist auslöst:
Ist in dem vorangegangenen Verfahren festgestellt worden, dass bei dem Schuldner wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten ein Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung vorliegt, löst dies die Sperrfrist aus (BGH, Beschluss vom 16.7.2009, IX ZB 219/08, abgedruckt in ZInsO 2009, 1777 ff.; BGH, Beschluss vom 18.2.2010, IX ZA 39/09, abgedruckt in ZInsO 2010, 587 f.). Dies gilt unabhängig davon, ob die Feststellung zum Vorliegen des Versagungsgrundes im Rahmen einer Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung oder im Rahmen der Bescheidung des Stundungsantrags er...