Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorliegen von unrichtigen schriftlichen Angaben bei Abschluss eines gerichtlichen Zahlungsvergleiches bei Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners Zahlungsaufschub bzw. Stundung als Kredit auf Grundlage des § 290 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung (InsO)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unter den weit auszulegenden Begriff des Kredites i.S.d. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO fällt auch ein Zahlungsaufschub bzw. eine Stundung.

2. Unrichtige schriftliche Angaben liegen auch vor bei Abschluss eines gerichtlichen Zahlungsvergleiches bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.

 

Normenkette

InsO § 290 Abs. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

LG Göttingen (Beschluss vom 22.03.2010; Aktenzeichen 10 T 15/10)

 

Tatbestand

A.

Über das Vermögen der Schuldnerin ist am 23.11.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der erste Eröffnungsantrag stammt v. 16.7.2007, der Eigenantrag v. 19.11.2007 weist 36 Gläubiger mit einer Gesamtforderung von ca. 167.000 EUR aus. Die Schuldnerin war selbstständig tätig als Ergotherapeutin mit eigener Praxis.

Mit Beschl. v. 6.7.2009 hat der Rechtspfleger das schriftliche Verfahren angeordnet und u.a. zur Stellung von Versagungsanträgen eine Frist bis zum 6.10.2009 gesetzt. Drei Gläubiger haben fristgerecht Anträge gestellt. Auf den Antrag des Gläubigers Nr. 43 hat das Insolvenzgericht mit Beschl. v. 6.11.2009 die Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO versagt, da die Schuldnerin ein auf den Namen ihres Lebensgefährten geführtes Konto nicht angab. Auf die sofortige Beschwerde hat das LG Göttingen mit Beschl. v. 10.12.2009 die Entscheidung dahin geändert, dass der Antrag des Gläubigers (Nr. 43 – Finanzamt) zurückgewiesen wird.

 

Entscheidungsgründe

B.

Nunmehr sind die übrigen Versagungsanträge zu bescheiden. Die Anträge der Gläubiger Nr. 39 und Nr. 42 sind zulässig und begründet.

I.

Antrag Gläubigerin Nr. 39

Die Gläubigerin beruft sich darauf, dass die Schuldnerin am 14.1.2008 durch einen Strafbefehl zu einer erheblichen Strafe verurteilt worden sei. In ihrer derzeitigen Anstellung erhalte die Schuldnerin mit 900 EUR einen deutlich zu niedrigen Lohn. Weiter habe die Schuldnerin in Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit am 14.3.2007 in einem Arbeitsgerichtsprozess einen Vergleich abgeschlossen.

1)

Die Gläubigerin hat nicht dargelegt, dass die Schuldnerin wegen einer Insolvenzstraftat gem. §§ 283283c StGB verurteilt worden ist. Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO scheidet aus.

2)

Arbeitspflichten bestehen erst nach Ankündigung der Restschuldbefreiung und Aufhebung des Verfahrens. Eine Versagung gem. § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO kann im vorliegenden Stadium des Verfahrens nicht erfolgen. Dass die Schuldnerin ein 900 EUR übersteigendes Einkommen erzielt und ein Verstoß gegen § 290 Abs. 1 Nr.5 InsO vorliegt, hat die Gläubigerin nicht dargelegt.

3)

Es liegt jedoch der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor. Die Schuldnerin hat in den letzen 3 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorsätzlich unrichtige Angaben über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht, um einen Kredit zu erhalten.

a)

Die Schuldnerin hat in dem Arbeitsgerichtsprozess mit der Gläubigerin Nr. 39 am 14.3.2007 einen Vergleich geschlossen, in dem sie sich zur Zahlung von rückständigen Arbeitslohn i.H.v. 10.466,43 EUR in drei Raten zum 20.4., 20.5 und 20.6.2007 verpflichtete. Von ihrem bis zum 15.3.2007 eingeräumten Widerrufsrecht machte sie keinen Gebrauch.

Die Schuldnerin hat unrichtige Angaben über ihre Zahlungsfähigkeit gemacht. Im Termin vor dem ArbG erklärte sie, sie könne den Vergleichsbetrag zu den drei Zahlungsterminen begleichen. Es handelt sich entgegen der Auffassung der Schuldnerin nicht um im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO unbeachtliche mündliche Angaben. Eine schriftliche Erklärung liegt auch dann vor, wenn eine Urkundsperson Erklärungen des Schuldners im Rahmen ihrer Zuständigkeit in öffentlichen Urkunden niederlegt (BGH, ZInsO 2006, 601, 602). Die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin ist zwar nicht ausdrücklich im Vergleich erwähnt. Sie ergibt sich jedoch im Wege der Auslegung aus der von der Schuldnerin eingegangenen Verpflichtung zur Zahlung des Vergleichsbetrags und insbesondere der Einräumung einer Ratenzahlung. I.Ü. erklärt unabhängig von konkreten Äußerungen im Termin eine einen Vergleich abschließende Partei konkludent ihre Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit.

b)

In der Vereinbarung der Ratenzahlung im Vergleich liegt ein Kredit i.S.d. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Der Begriff Kredit ist weit auszulegen. Entgegen der Auffassung der Schuldnerin ist es nicht erforderlich, dass Geld oder geldeswerte Mittel aus fremden Vermögen zeitweise zur Verfügung gestellt werden (LG Düsseldorf, NZI 2009, 193 = ZVI 2009, 125). Unter den Begriff des Kredits fällt nach einhelliger Ansicht in der Kommentarliteratur auch ein Zahlungsaufschub (Graf-Schlicker/ Kexel, § 290 Rn. 11; HK-InsO/ Landfermann, § 290 Rn. 8; HambKomm-InsO/ Streck, § 290 Rn. 17; FK-InsO/ Ahrens, § 290 Rn. 21; Kübler/Prütting/ Wenzel, § 290 Rn. 13; MünchKo...

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