Leitsatz (amtlich)
I. Das Insolvenzgericht am Ort und Sitz des Abwicklers gem. § 37 KWG ist zuständig als Gericht des „wirtschaftlichen Mittelpunktes” gem. § 3 Abs. 1 S. 2 InsO.
II. Bei einer vom BaFin gem. § 37 KWG aufgrund unerlaubter Bankgeschäfte erlassenen Abwicklungsanordnung sind die organschaftlichen Vertreter der abzuwickelnden Schuldnerin nicht gem. § 15 Abs.2 InsO in dem vom Abwickler als „alleinig Berechtigten” beantragten Insolvenzverfahren anzuhören. Sie sind weder beteiligungs- noch beschwerdebefugt, sondern auf das Verwaltungsverfahren gegen die Abwicklungsanordnung zu verweisen.
III. Die Abwicklungsanordnung des BaFin führt unmittelbar zu Rückzahlungsverpflichtungen der Schuldnerin an deren Anleger, die die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung auslösen, sofern diese Verpflichtungen nicht durch vorhandene oder zeitnah zu generierende Mittel gedeckt sind.
Tenor
Das Insolvenzverfahren wird wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung am 12.9.2005 um 16.00 Uhr eröffnet.
Tatbestand
I. Mit einer 74seitigen Verfügung v. 15.6.2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemäß § 37 Abs.1 S.1 und 2 KWG der hiesigen Schuldnerin, Finanzkommissionsgeschäfte gewerbsmäßig dadurch zu betreiben, daß sie auf der Grundlage von Verträgen über sogenannte treuhänderische Beteiligungen Gelder von Anlegern entgegennimmt, um hiermit Finanzinstrumente in eigenem Namen für fremde Rechnung anzuschaffen und zu veräußern. Des weiteren wurde der Schuldnerin die Werbung für Finanzkommissionsgeschägfte untersagt, die unverzügliche Abwicklung der unerlaubt betriebenen Finanzkommissionsgeschäfte angeordnet und Herr RA G.H. zum Abwickler gem. § 37 KWG bestellt. Dem Abwickler wurden zur Durchführung seines Auftrages die Befugnisse eines Geschäftsführers der Gesellschaft mit der alleinigen Berechtigung zur Vornahme der erforderlichen Maßnahmen, die zur Durchführung der unverzüglichen Abwicklung notwendig sind, übertragen.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte der Schuldnerin zuvor seit Oktober 2004 mehrfach mitgeteilt, daß es sich bei dem Geschäftsmodell nach ihrer Auffassung um ein nach § 32 Abs.1 KWG erlaubnispflichtiges Bankgeschäft in der Form des Finanzkommissionsgeschäftes im Sinne des § 1 Abs.1 S.2 Nr.4 KWG handelt (Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung).
Die Schuldnerin hat gegen diese Verfügung fristgemäß Widerspruch erhoben sowie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt. In diesem Verwaltungsstreitverfahren hat das VG Frankfurt/M. zunächst mit Beschluß vom 20.06.2005 der BaFin aufgegeben, den Abwickler anzuweisen, von bestimmten Abwicklungsmaßnahmen (Veräußerung von Vermögensanlagen, Unterrichtung der Anleger und Kündigung von Verträgen mit anderen Gesellschaften) abzusehen, um die Möglichkeit einer Umstellung des Geschäftskonzeptes der Antragstellerin auf ein bankaufsichtsrechtlich unbedenkliches Konzept offen zu halten. Mit weiterem Beschluß vom 25.07.2005 hat das VG Frankfurt/M. den Antrag der Schuldnerin im Eilverfahren als unbegründet abgelehnt (veröffentlicht in ZIP 2005, 1500-1505; abl. Anm. v. Livonius in EWiR 2005, 643 f.), da sich die Verfügung nach summarischer Überprüfung als offensichtlich rechtsmäßig erweise; allerdings stützt sich das Verwaltungsgericht in seiner Begründung auf § 1 Abs.1 Nr.6 KWG (verbotenes Investmentgeschäft) und nicht wie die BaFin auf § 1 Abs.1 Nr.4 KWG (verbotenes Finanzkommissionsgeschäft). Gegen diese Eilentscheidung läuft ein Beschwerdeverfahren beim Hessischen VGH in Kassel (Az.: 6 TG 1992/05). Eine Entscheidung über den zugrundeliegenden Widerspruch ist nach Auskunft der BaFin bislang noch nicht ergangen.
Bis heute wurden mit den Geldern der Einleger nur sog. „graue Kosten” bezahlt, insbesondere wurden nicht, wie geplant, Wertpapiere gekauft.
Rechtsanwalt H. hat in seiner Eigenschaft als Abwickler am 02.08.2005 beim hiesigen Insolvenzgericht beantragt, über das Vermögen der Gesellschaft wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Das Insolvenzgericht hat daraufhin mit Beschluß vom gleichen Tage zunächst einen Gutachter bestellt.
Gegenüber der Komplementärin und der Treuhandkommanditistin hat die BaFin ebenfalls Abwicklungsverfügungen nach § 37 KWG erlassen und Rechtsanwalt H. zum Abwickler bestellt. Auch hier hat der Abwickler jeweils Insolvenzantrag gestellt, woraufhin das hiesige Insolvenzgericht auch dort jeweils einen Gutachter bestellt hat.
Nach den Ermittlungen des Abwicklers ist Gesellschafterin der Komplementärin D. AG die D. D. A. AG. Deren Aktionäre sind wiederum die T.GmbH und die D. B. GmbH. Gesellschafter der T.GmbH ist Herr Dr.XY, der unter anderem als Aufsichtsrat der G. AG zur sog. Göttinger Gruppe gehört. Die Göttinger Gruppe ist seit mehr als zehn Jahren auf dem grauen Kapitalmarkt aktiv. In diesem Bereich hat sie unter anderem durch d...