Entscheidungsstichwort (Thema)
Jahresabrechnung, Liquiditätsrücklage, Umwidmung, Erhaltungsrücklage, Verweigerte Belegeinsicht, Anpassung der Vorschüsse
Leitsatz (amtlich)
Eine Verweigerung der Belegeinsicht vor der Eigentümerversammlung führt nicht zur Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse.
Solange dem anfechtenden Wohnungseigentümer Belegeinsicht verweigert wird, muss die Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtsstreit die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses jedenfalls darlegen.
Es kann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, einen Teil der Erhaltungsrücklage in eine Liquiditätsrücklage umzuwidmen, auch wenn Erhaltungsmaßnahmen anstehen, deren voraussichtliche Kosten den Betrag der vorhandenen Erhaltungsrücklage deutlich übersteigen.
Normenkette
WEG § 28 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 19 Abs. 2 Nr. 4, § 18 Abs. 4
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft.
In der Eigentümerversammlung vom 20.06.2022 wurden unter anderem die folgenden Beschlüsse gefasst:
Zu Tagesordnungspunkt 1 beschlossen die Eigentümer nach § 28 Abs. 2 S. 1 WEGüber die Anpassung der Vorschüsse bzw. die Einforderung von Nachschüssen für das Wirtschaftsjahr 2021. Dem Beschluss lag unter anderem die Heizkostenabrechnung 2021 (Anl. K5, Bl. 44 f. GA) zugrunde. Diese ging von einem Heizöl-Altbestand zum Schluss der vorherigen Abrechnungsperiode von 14.000 l aus. Als erster Zufluss im Abrechnungszeitraum ist eine Lieferung von 30.000 l Heizöl zum Preis von 14.598,60 EUR brutto unter dem Datum 08.01.2021 aufgeführt. Tatsächlich handelte es sich insoweit um das Zahlungsdatum; die Lieferung war vielmehr am 17.12.2020 erfolgt (Anl. K6, Bl. 46 GA).
Zu Tagesordnungspunkt 3 wurde wie folgt beschlossen:
„Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt die Bildung einer Liquiditätsrücklage in Höhe von 200.000,00 EUR p.a. zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft im Fall von finanziellen Engpässen auf dem gemeinschaftlichen Girokonto. Die Verwaltung ist demnach ermächtigt, im Fall von Liquiditätsengpässen auf diesen Rücklagenbetrag zuzugreifen. Um diese Summe aufzubringen, wird die bestehende Erhaltungsrücklage um den Betrag von max. 200.000,00 EUR aufgelöst und dieser Betrag der Liquiditätsrücklage zugeführt. Dieser Betrag verbleibt dauerhaft auf dem Girokonto. Die Beiratsmitglieder werden vor diesen Umbuchungen von der Verwaltung informiert.”
Die Erhaltungsrücklage betrug vor dem Beschluss 1.889.000 EUR. Jährlich zugeführt werden 233.000 EUR. In dem Objekt müssen unter anderem die Balkon aufwendig saniert werden, wofür schon in der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung ein Kostenrahmen von 3,6 Millionen bis 5 Millionen EUR veranschlagt wurde.
Durch Beschluss zu Tagesordnungspunkt 4 wurde der Verwaltungsbeirat für die Tätigkeit im Jahr 2021 entlastet.
Zu Tagesordnungspunkt 5 wurde der Verwaltungsbeirat ermächtigt, einen neuen Verwaltervertrag (Anl. K9, Bl. 56 ff. GA) mit der Hausverwaltung abzuschließen. Dieser enthielt unter anderem folgende Regelungen:
Weiter waren diverse Leistungen nicht Bestandteil der Grundvergütung, sondern sollten nach Stundenaufwand vergütet werden. Zudem sah der Vertrag vor, dass die Verwaltung nunmehr berechtigt sein sollte, Erhaltungs-Aufträge bis zu 10.000,00 EUR statt zuvor 7.500,00 EUR selbstständig zu vergeben.
Mit Schriftsatz vom 26.08.2022 bot die Beklagte der Klägerin an, einen Termin zur Belegeinsicht zu vereinbaren.
Die Klägerin behauptet, die ihr vor der Eigentümerversammlung – unstreitig – auf einem USB-Stick übergebenen Belege seien nicht vollständig gewesen. Zudem hätten sich manche Dokumente nicht öffnen lassen. Ordnungsgemäße Belegeinsicht sei ihr bis zur Klagebegründung nicht gewährt worden.
Die Klägerin hat zunächst behauptet, durch das fasch angegebene Lieferdatum beim Heizöl sei der Anfangsbestand für das Jahr 2021 unzutreffend. Nunmehr behauptet sie, der Anfangsbestand sei zutreffend, das am 17.12.2020 gelieferte Heizöl sei aber zu erheblichen Teilen bereits im Kalenderjahr 2020 verbraucht worden. Im Übrigen seien die Heizkostenverteiler der Küchen-Heizkörper in ca. 30 % der Wohnungen nicht abgelesen worden. Sie meint weiter, der Beschluss über die Abrechnungsspitzen sei deshalb falsch, weil – was unstreitig ist – im Lohnjournal des Steuerberaters der Beklagten für das Jahr 2021 ein um 361,62 EUR niedrigerer Betrag als in der Jahresabrechnung enthalten sei.
In Bezug auf die Liquiditätsumlage behauptet sie, es sei schon eine Million Euro aus der Erhaltungsrücklage fix für die Balkonsanierung eingeplant.
Die Klägerin meint, die Entlastung des Verwaltungsbeirates widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung. Dies zunächst deshalb, weil der Verwaltervertrag, dessen Abschluss der...